Einsteins Arbeiten in Bezug auf die moderne Kosmologie


De Sitters Lösung der Einsteinschen Feldgleichung mit positivem

kosmologischen Glied als Geometrie des inflationären Weltmodells

Privatdozent Dr. habil. Hans - Jürgen Schmidt, Diplommathematiker

http://www.physik.fu-berlin.de/~hjschmi,  e-mail: hjschmi@rz.uni-potsdam.de, Tel. 0331/9771347

Institut für Mathematik, Universität Potsdam, Am Neuen Palais 10, D-14469 Potsdam, Germany


Abstrakt: Die Arbeit [1] von Albert Einstein von 1918 zu Willem De Sitters Lösung [2] der Einsteinschen Feldgleichung wird unter heutigem Gesichtspunkt kommentiert. Dazu wird zunächst die Geometrie der De Sitterschen Raum-Zeit beschrieben, sowie ihre Bedeutung für das inflationäre Weltmodell erläutert.

English language title: Einstein’s papers in relation to modern cosmology

Abstract. We comment on the paper [1] by Albert Einstein from 1918 to Willem De Sitter’s solution [2] of the Einstein field equation from today’s point of view. To this end, we start by describing the geometry of the De Sitter space-time and present its importance for the inflationary cosmological model.


1 Einleitung

Um die Arbeit [1] von Albert Einstein mit dem Titel111Das Hrn. im Titel ist eine Abkürzung für Herrn und nicht für De Sitters Vorname, der lautet Willem. “Kritisches zu einer von Hrn. De Sitter gegebenen Lösung der Gravitationsgleichungen” angemessen beurteilen zu können, muß man sich klarmachen, daß im Jahre 1918 die Differentialgeometrie der zugrundeliegenden Raum-Zeiten ein noch wenig erforschtes Gebiet war. Man täte Einstein also Unrecht, wenn man mit heutigem Wissen an seine damalige Arbeit heranginge, und feststellte, wo überall er mathematische Fehler begangen hat. Vielmehr ist zu beurteilen, welche Fehler er bei gründlichem Literaturstudium hätte vermeiden können und welche nicht. Ähnliches ist zu den kritisierten Arbeiten [2] De Sitters zu sagen.


Nachfolgend soll deshalb zunächst in Abschnitt 2 die Geometrie der Schwarzschildschen und der De Sitterschen Raum-Zeit ausführlich beschrieben werden (siehe auch [3] bzw. die Lehrbücher [4, 5, 6, 7]), sowie in Abschnitt 3 kurz ihre Bedeutung für das inflationäre Weltmodell erläutert werden (vgl. hierzu wieder [4-7] sowie die Arbeiten [8] und [9]). Schließlich sollen in Abschnitt 4 die Arbeiten [1] und [10] von Albert Einstein kurz kommentiert werden.

2 Die Geometrie der De Sitterschen Raum-Zeit

Die De Sittersche Raum-Zeit ist durch folgende Definition eindeutig bestimmt: sie ist die einzige homogene isotrope Raum-Zeit von positiver Krümmung. Sie ist die geometrische Grundlage des inflationären Weltmodells, deshalb soll sie hier detailliert eingeführt werden. Als Vorbereitung dazu werden zunächst die Begriffe Koordinatensingularität, echte Singularität, Horizont und Schwarzes Loch geklärt.

2.1 Koordinatensingularität und echte Singularität

Generell wird der Begriff Singularität verwendet, um auszudrücken, daß eine Größe ihren zulässigen Geltungsbereich verläßt, in den meisten Fällen geschieht das dadurch, daß eine Größe, die nur positive reelle Werte annehmen darf, gegen Null oder gegen Unendlich konvergiert. Man unterscheidet eine Koordinatensingularität von einer echten Singularität, je nachdem, ob sich diese dadurch beseitigen läßt, daß man ein anderes Bezugssystem verwendet, oder ob das nicht möglich ist.


Der einfachste Fall einer Koordinatensingularität ist die Euklidische Ebene in Polarkoordinaten (r,φ)𝑟𝜑(r,\,\varphi) bei r=0𝑟0r=0: Der Geltungsbereich dieser Koordinaten ist durch r>0𝑟0r>0 und 0φ<2π0𝜑2𝜋0\leq\varphi<2\pi gegeben. Die Einschränkung für φ𝜑\varphi ist Ausdruck der Tatsache, daß der Vollwinkel φ=2π𝜑2𝜋\varphi=2\pi, d.h. 3600superscript3600360^{0}, geometrisch nicht vom Winkel 00 unterschieden wird.222Die topologisch befriedigendere Variante der Polarkoordinaten erlaubt allerdings beliebige reelle Werte für φ𝜑\varphi und nimmt dann eine Identifikation aller solcher Winkelwerte vor, deren Differenz ein ganzzahliges Vielfaches von 2π2𝜋2\pi darstellt. Damit wird verhindert, daß man dem Winkel 0 fälschlich eine Sonderrolle zukommen läßt.

Die Einschränkung für r𝑟r ergibt sich daraus, daß bei r=0𝑟0r=0 alle Koordinatenpaare (r,φ)𝑟𝜑(r,\,\varphi) demselben Punkt der Ebene entsprechen, nämlich dem Koordinatenursprung, und dies ist unzulässig, da die Zuordnung zwischen Punkten und Koordinaten eineindeutig (d.h. in beiden Richtungen eindeutig) sein soll. Wie entscheidet man nun, ob es sich dabei um eine echte Singularität handelt? Die Antwort ist bekannt: Der Übergang zu kartesischen Koordinaten (x,y)𝑥𝑦(x,\,y), deren Verbindung mit Polarkoordinaten durch die Formeln

x=rcosφ,y=rsinφformulae-sequence𝑥𝑟𝜑𝑦𝑟𝜑x=r\cdot\cos\varphi\,,\qquad y=r\cdot\sin\varphi (1)

gegeben ist, beseitigt diese Mehrdeutigkeit; also ist r=0𝑟0r=0 nur eine Koordinatensingularität: Wie man aus Formel (1) sieht, ist bei r=0𝑟0r=0 auch x=y=0𝑥𝑦0x=y=0, und zwar unabhängig davon, welchen Wert der Winkel φ𝜑\varphi dort annimmt. Bei allen anderen Werten ist dagegen die Zuordnung zwischen kartesischen und Polarkoordinaten gemäß (1) stets eineindeutig.


Quadriert man die Gleichungen aus (1) und addiert sie, ergibt sich der Satz von Pythagoras in der elementaren Form

x2+y2=r2,superscript𝑥2superscript𝑦2superscript𝑟2x^{2}+y^{2}=r^{2}\,,

die äquivalent in der trigonometrischen Form als

cos2φ+sin2φ=1superscript2𝜑superscript2𝜑1\cos^{2}\varphi+\sin^{2}\varphi=1

geschrieben werden kann. Soweit der bekannte Schulstoff.


Um gekrümmte Raum-Zeiten beschreiben zu können, benötigt man den Begriff des Riemannschen Raumes und sein Linienelement ds𝑑𝑠ds. Genaueres hierzu läßt sich z.B. in den Lehrbüchern [5, 6, 7] nachlesen; hier soll es genügen, wenn wir jetzt die Euklidische Ebene in Form eines Riemannschen Raumes darstellen. Das Quadrat ds2𝑑superscript𝑠2ds^{2} des Linienelements läßt sich dann in kartesischen Koordinaten als

ds2=dx2+dy2𝑑superscript𝑠2𝑑superscript𝑥2𝑑superscript𝑦2ds^{2}=dx^{2}+dy^{2} (2)

schreiben. Das ist die infinitesimale Form des Satzes von Pythagoras. Vermittels (1) transformiert sich diese Formel (2) in Polarkoordinaten wie folgt:

ds2=dr2+r2dφ2.𝑑superscript𝑠2𝑑superscript𝑟2superscript𝑟2𝑑superscript𝜑2ds^{2}=dr^{2}+r^{2}\cdot d\varphi^{2}\,. (3)

Das Linienelement bei konstantem Wert r𝑟r ergibt sich333Andere Herleitung: Der Umfang eines Kreises vom Radius r𝑟r beträgt u=r2π𝑢𝑟2𝜋u=r\cdot 2\pi, also muß für den Vollwinkel φ=2π𝜑2𝜋\varphi=2\pi das Linienelement diesen Wert u𝑢u ergeben. nach (3) zu ds=rdφ𝑑𝑠𝑟𝑑𝜑ds=r\cdot d\varphi; daraus wird sofort erkennbar, dass bei r=0𝑟0r=0 die Änderungen von φ𝜑\varphi keinen Beitrag zu ds𝑑𝑠ds leisten, es also dort eine Koordinatensingularität gibt.


Bevor wir jetzt den Begriff der echten Singularität klären können, müssen wir kurz erläutern, wie sich die Linienelemente (2) und (3) allgemeiner schreiben lassen. Zunächst werden die Koordinaten mit xisuperscript𝑥𝑖x^{i} bezeichnet, wobei x0=tsuperscript𝑥0𝑡x^{0}=t die Zeitkoordinate, und die anderen xisuperscript𝑥𝑖x^{i} (i=1, 2, 3𝑖123i=1,\,2,\,3) die Raumkoordinaten darstellen. Dann wird das Linienelement in die Form

ds2=gijdxidxj𝑑superscript𝑠2subscript𝑔𝑖𝑗𝑑superscript𝑥𝑖𝑑superscript𝑥𝑗ds^{2}=g_{ij}dx^{i}dx^{j} (4)

gebracht, wobei hier die Einsteinsche Summenkonvention angewendet wird: Über Indizes, die sowohl in oberer als auch in unterer Position auftreten, wird automatisch summiert, ohne daß das Summenzeichen notiert wird.


Die Größen gijsubscript𝑔𝑖𝑗g_{ij} sind die Komponenten der Metrik. Sie werden nach Allgemeiner Relativitätstheorie in einer Doppelrolle verwendet: sowohl zur Beschreibung der Geometrie der Raum-Zeit als auch zur Darstellung des Gravitationsfeldes. Diese Doppelrolle trägt die Bezeichnung: “Geometrisierung des Gravitationsfeldes”. Konkret heißt das zum Beispiel: Im Satz von Pythagoras steht im Exponenten die Zahl 2; dies gilt infinitesimal auch in der Raum-Zeit, deshalb müssen auf der rechten Seite von Gleichung (4) alle dxi𝑑superscript𝑥𝑖dx^{i} quadratisch auftreten, und deshalb haben die gijsubscript𝑔𝑖𝑗g_{ij} eben genau zwei Indizes. In der Feldtheorie wird gezeigt, daß diese Anzahl an Indizes genau den Spin des zugehörigen Teilchens festlegt. Also: Gemäß Einsteinscher Theorie hat das Graviton444Das Graviton ist das dem Gravitationsfeld zugeordnete Teilchen, analog ist das Photon das dem elektromagnetischen Feld zugeordnete Teilchen. Dieses hat den Spin 1, da das elektromagnetische Potential Aisubscript𝐴𝑖A_{i} nur einen Index trägt. den Spin 2, weil im Satz von Pythagoras der Exponent 2 auftritt.


Eine weitere Änderung gegenüber der Riemannschen Geometrie erzwingt folgender Umstand: Zwar verschmelzen Raum und Zeit in der Raum-Zeit, jedoch bleiben raumartige und zeitartige Koordinaten weiterhin unterscheidbar, und zwar dadurch, daß die entsprechenden Anteile in ds2𝑑superscript𝑠2ds^{2} mit unterschiedlichen Vorzeichen eingehen. Man spricht dann von Pseudoriemannscher Geometrie. Wie wählen hier die Variante, in der die raumartigen Anteile ein zusätzliches Minuszeichen erhalten. Die Metrik der speziellen Relativitätstheorie lautet dann

ds2=dt2dx2dy2dz2,𝑑superscript𝑠2𝑑superscript𝑡2𝑑superscript𝑥2𝑑superscript𝑦2𝑑superscript𝑧2ds^{2}=dt^{2}-dx^{2}-dy^{2}-dz^{2}\,, (5)

wobei die Einheiten so gewählt sind, daß die Lichtgeschwindigkeit c𝑐c den Zahlenwert 1 hat, anderenfalls müßten wir in vielen Formeln noch zusätzlich Potenzen von c𝑐c einfügen.


Nun können wir einige typische Beispiele für Singularitäten angeben: Ein Beispiel für eine echte Singularität ist der Punkt t=0𝑡0t=0 im expandieren Weltmodell, hier geben wir die einfachste Form eines räumlich ebenen Friedmannmodells an, welches mit Strahlung angefüllt ist, also das heiße Urknallmodell, auch hot big bang genannt. Das Linienelement lautet

ds2=dt2t(dx2+dy2+dz2).𝑑superscript𝑠2𝑑superscript𝑡2𝑡𝑑superscript𝑥2𝑑superscript𝑦2𝑑superscript𝑧2ds^{2}=dt^{2}-t\cdot\left(dx^{2}+dy^{2}+dz^{2}\right)\,. (6)

Der Faktor t𝑡t vor der Klammer ist Ausdruck der Tatsache, daß sich in diesem Modell alle räumlichen Abstände im Laufe der Zeit ändern, und insbesondere bei t0𝑡0t\to 0 alle Längen gegen 00 konvergieren. Hier läß sich, anders als bei Gleichung (3), keine Koordinatentransformation finden, die die singuläre Stelle bei t=0𝑡0t=0 beseitigen kann. Wie beweist man das? Man kann die Krümmung der Raum-Zeit berechnen, und bestimmt dann solche Größen, die unabhängig vom verwendeten Koordinatensystem stets denselben Wert annehmen, man nennt sie Invarianten. Es stellt sich heraus, daß die Metrik (6) Krümmungsinvarianten besitzt, die bei t0𝑡0t\to 0 divergieren, d.h. gegen unendlich konvergieren. Die physikalisch orientierte Argumentation ist die folgende: Die Einsteinsche Feldgleichung lautet

Eij=8πGTij,subscript𝐸𝑖𝑗8𝜋𝐺subscript𝑇𝑖𝑗E_{ij}=8\pi\,G\,\cdot\,T_{ij}\,, (7)

ihre linke Seite ist rein geometrisch definiert, G𝐺G ist die Gravitationskonstante, und die Größen Tijsubscript𝑇𝑖𝑗T_{ij} messen die physikalischen Eigenschaften der Materie, z.B. ist T00subscript𝑇00T_{00} die Energiedichte. In letztere geht natürlich gemäß der Einsteinschen Formel555Gemäß obiger Vereinbarung c=1𝑐1c=1 hätten wir hier natürlich einfach E=m𝐸𝑚E=m schreiben können, aber um des optischen Wiedererkennungswerts willen soll das c𝑐c hier einmal stehenbleiben.

E=mc2𝐸𝑚superscript𝑐2E=m\cdot c^{2}

die Ruhmasse des Systems mit ein. In dieser physikalischen Blickrichtung heißt das: Der Urknall stellt eine echte Singularität dar, da bei Annäherung t𝑡t gegen Null die Energiedichte über alle Grenzen anwächst.


Ganz anders verhält es sich mit der Metrik

ds2=dt2t2dx2dy2dz2.𝑑superscript𝑠2𝑑superscript𝑡2superscript𝑡2𝑑superscript𝑥2𝑑superscript𝑦2𝑑superscript𝑧2ds^{2}=dt^{2}-t^{2}\cdot dx^{2}-dy^{2}-dz^{2}\,. (8)

Scheinbar kann man hier genauso argumentieren: Bei t0𝑡0t\to 0 sind in x𝑥x-Richtung alle Längen auf Null reduziert. Genaueres Nachrechnen ergibt allerdings folgendes: Bei t0𝑡0t\to 0 divergiert keine Krümmungsinvariante, und die nach Einsteinscher Feldgleichung ermittelten Größen Tijsubscript𝑇𝑖𝑗T_{ij} verschwinden sogar alle. In der Tat handelt es sich hier um eine Koordinatensingularität, und zwar ist sie vom selben Charakter wie die oben in Formel (3) behandelte Koordinatensingularität der Euklidischen Ebene in Polarkoordinaten.666Für Liebhaber der komplexen Zahlen sei hier noch folgendes ergänzt: Wenn man die raumartigen Koordinaten mit der imaginären Einheit multipliziert, ergibt sich in allen quadratischen Ausdrücken ein zusätzlicher Faktor (1)1(-1), und man kann dann die Formeln aus der Elementargeometrie, z.B. Formel (1), anwenden, um die Koordinatensingularität zu beseitigen. Bei der anschließenden Rückgängigmachung der Multiplikation muß natürlich der Sinus (sin) durch den entsprechenden hyperbolischen Sinus (sinh) ersetzt werden etc. In der Tat geht Metrik (8) durch eine Koordinatentransformation in Metrik (5) über, stellt also die materiefreie Minkowskische Raum-Zeit dar; genauer gesagt: Metrik (8) repräsentiert eine echte Teilmenge der Minkowskisches Raum-Zeit, während Metrik (5) sie vollständig darstellt.


Ein anderer Typ von Singularität einer Raum-Zeit kann dann auftreten, wenn die Koordinaten so gewählt sind, daß ein Teilchen bereits nach endlicher Eigenzeit777Das ist diejenige Zeit, die eine von diesem Teilchen mitgeführte Uhr anzeigt. gegen solche Punkte der Raum-Zeit konvergieren kann, deren Koordinaten unendlich große Werte annehmen. Als Beispiel betrachten wir das expandierende räumlich ebene Weltmodell nach Friedmann mit der Metrik

ds2=dt2a2(t)(dx2+dy2+dz2).𝑑superscript𝑠2𝑑superscript𝑡2superscript𝑎2𝑡𝑑superscript𝑥2𝑑superscript𝑦2𝑑superscript𝑧2ds^{2}=dt^{2}-a^{2}(t)\cdot\left(dx^{2}+dy^{2}+dz^{2}\right)\,. (9)

Für die Funktion a(t)𝑎𝑡a(t), den kosmischen Skalenfaktor, soll gelten: Für alle reellen Zahlen t𝑡t ist a(t)>0𝑎𝑡0a(t)>0, und a(t)𝑎𝑡a(t) is eine monoton wachsende und zweimal stetig differenzierbare888Diese Voraussetzung wird benötigt, da die zweiten Ableitungen der Metrik in die Berechnung der Krümmungsinvarianten eingehen. Funktion. Auf den ersten Blick könnte man annehmen, diese Raum-Zeit hätte gar keine Singularität. Berechnet man jedoch die Bahnen von Teilchen, d.h., die Geodäten999Kräftefrei bewegte Teilchen bewegen sich längs Geodäten, das sind diejenigen Kurven in der gekrümmten Raum-Zeit der Allgemeinen Relativitätstheorie, die das Analogon der geradlinig gleichförmig bewegten Beobachter der Speziellen Relativitätstheorie darstellen. mit Hilfe der Geodätengleichung, so ergibt sich: Diese Raum-Zeit ist singularitätsfrei genau dann, wenn

0a(t)𝑑t=superscriptsubscript0𝑎𝑡differential-d𝑡\int_{-\infty}^{0}\ a(t)dt=\infty (10)

gilt, siehe z.B. [9]. Anschaulich heißt dieses Ergebnis: Wenn die Bedingung (10) nicht erfüllt ist, d.h., wenn der kosmische Skalenfaktor zu schnell klein wird, so kann ein Teilchen bereits nach endlicher Eigenzeit bis nach x𝑥x\to\infty gelangen. Wenn dieser Fall auftritt, bedarf es weiterer Untersuchungen, ob es sich dabei um eine echte oder um eine Koordinatensingularität handelt. Wir werden in Abschnitt 2.3. noch einmal auf diese Frage zurückkommen.

2.2 Horizonte und Schwarze Löcher

Beginnen wir mit einem Zitat aus [8]: “Der am häufigsten diskutierte Effekt der Allgemeinen Relativitätstheorie ist die Vorhersage der Existenz Schwarzer Löcher. Ein Schwarzes Loch ist ein Himmelsobjekt, das so schwer ist, daß selbst das Licht nicht in der Lage ist, die gravitative Anziehungskraft zu überwinden. Anders gesagt: Man erkennt es daran, daß “nichts” zu sehen ist, wenn man hinschaut. Astronomisch reale Bilder des Schwarzen Lochs kann es also nicht geben. Man kann aber die umgebende Materie sehen, und wenn diese ganz bestimmte Eigenschaften aufweist, schließt man daraus auf ein darin befindliches Schwarzes Loch.”


Um den Begriff eines Schwarzen Lochs mathematisch genauer zu klären, muß man zunächst festlegen, was ein Horizont ist. Anschaulich ist der Horizont gerade die Grenze des Teils der Erdoberfläche, den ich von meiner Position aus direkt einsehen kann; es handelt sich also um um eine beobachterabhängige Definition, insbesondere brauche ich in bestimmten Situationen meine Position nur um wenige Meter zu ändern, um eine merkliche Änderung meines Horizonts ausmachen zu können. Man stelle sich etwa einen am Nordpol stehenden Beobachter vor, dann besteht sein Horizont aus einem nördlichen Breitenkreis, und welcher Breitenkreis das ist, hängt von der Größe des Beobachters ab, im Grenzfall eines unendlich großen Beobachters konvergiert dieser Breitenkreis bis an den Äquator, aber keinesfalls darüberhinaus.


In der Raum-Zeit V𝑉V wird analog definiert: Sei M𝑀M die Menge derjenigen Punkte x𝑥x aus V𝑉V, die die Eigenschaft hat, daß eine kausale Kurve101010d.h., eine zeitartige oder lichtartige Kurve; eine Kurve nennt man zeitartig, wenn sie Bahnkurve eines Teilchens darstellt, das sich mit Unterlichtgeschwindigkeit bewegt. von x𝑥x zu einem Punkt der Weltlinie des Beobachters existiert. Der Rand von M𝑀M heißt dann der Horizont W𝑊W von V𝑉V bezüglich dieses Beobachters. Bei dieser Definition kann es durchaus offen bleiben, ob die Punkte, die den Horizont bilden, auch noch zu M𝑀M gehören sollen oder nicht.


Anschaulich gesprochen heißt das: Wir gehen davon aus, daß Information maximal mit Lichtgeschwindigkeit übermittelt werden kann, dann stellt die Menge M𝑀M die Menge derjenigen Ereignisse dar, von denen der Beobachter irgendwann einmal etwas erfahren kann.


Wenn man jetzt in der Allgemeinen Relativitätstheorie definieren will: “Der Teil der Raum-Zeit, der sich jenseits des Horizonts befindet, wird Schwarzes Loch genannt.”, so ist damit zunächst eine beobachterabhängige Definition getroffen worden. In Formeln sieht das so aus: Das Schwarze Loch ist derjenige Teil der Raum-Zeit, der durch

V\(MW)\𝑉𝑀𝑊V\backslash(M\cup W)

gegeben ist. In der hier gewählten Definition wird also der Horizont nicht als Bestandteil des Schwarzen Lochs angesehen.


Um die Definition von dieser Beobachterabhängigkeit zu befreien, gibt es folgende Möglichkeit: Man nimmt an, daß außerhalb eines räumlich beschränkten Gebiets die Raum-Zeit völlig materiefrei ist; dann kann man annehmen, daß die Raum-Zeit asymptotisch flach ist. Es ergibt sich folgendes Ergebnis: Alle hinreichend weit entfernten Beobachter haben dann genau denselben Horizont. Man ordnet dann dieser Menge von Beobachtern den Begriff “Beobachter im Unendlichen” zu. Dann erhält man die Definition: “Derjenige Teil der Raum-Zeit, der für den Beobachter im Unendlichen jenseits des Horizonts liegt, wird Schwarzes Loch genannt.” Damit ist die Beobachterabhängigkeit der Definition de facto beseitigt.


Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, daß sich für den Fall allgemeiner Raum-Zeiten, z.B. einem inhomogenen Weltmodell, welches auch asymptotisch nicht homogen ist, die Beobachterabhängigkeit der Definition dessen, was als Schwarzes Loch bezeichnet werden soll, nicht ohne weiteres beseitigen läßt. Das hindert jedoch nicht daran, das “Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxis” als zumindest mathematisch wohldefiniert anzusehen: Unser Sonnensystem befindet sich nämlich so weit außerhalb des Zentrums der Galaxis, daß man mit guter Näherung jeden Beobachter, der sich innerhalb unseres Sonnensystems befindet, als Beobachter im Unendlichen ansehen kann; und unsere Galaxis ist so weit entfernt von anderen Galaxien, daß man mit guter Näherung annehmen kann, daß die Raum-Zeit außerhalb unserer Galaxis asymptotisch flach ist.


Die Metrik für ein Schwarzes Loch läßt sich nach Trefftz, hier zitiert aus Einstein [10], Seite 449 wie folgt beschreiben:

ds2=(1+Aw+Bw2)dt2dw21+Aw+Bw2w2(dϑ2+sin2ϑdϕ2).𝑑superscript𝑠21𝐴𝑤𝐵superscript𝑤2𝑑superscript𝑡2𝑑superscript𝑤21𝐴𝑤𝐵superscript𝑤2superscript𝑤2𝑑superscriptitalic-ϑ2superscript2italic-ϑ𝑑superscriptitalic-ϕ2ds^{2}=\left(1+\frac{A}{w}+Bw^{2}\right)dt^{2}-\frac{dw^{2}}{1+\frac{A}{w}+Bw^{2}}-w^{2}(d\vartheta^{2}+\sin^{2}\vartheta d\phi^{2})\,. (11)

Einstein schreibt hierzu: “Bei negativem A𝐴A und verschwindendem B𝐵B geht dies in die wohlbekannte Schwarzschildsche Lösung für das Feld eines materiellen Punktes über. Die Konstante A𝐴A wird also auch hier negativ gewählt werden müssen, entsprechend der Tatsache, daß es nur positive gravitierende Massen gibt. Die Konstante B𝐵B entspricht dem λ𝜆\lambda-Glied der Gleichung (1a). Positivem λ𝜆\lambda entspricht negatives B𝐵B und umgekehrt.” Hierzu sei folgendes erläutert: Die genannte Gleichung (1a) ist die Einsteinsche Gleichung mit kosmologischem Glied λ𝜆\lambda, das heut meist als Großbuchstabe Lambda ΛΛ\Lambda geschrieben wird. Der Ausdruck dϑ2+sin2ϑdϕ2𝑑superscriptitalic-ϑ2superscript2italic-ϑ𝑑superscriptitalic-ϕ2d\vartheta^{2}+\sin^{2}\vartheta d\phi^{2} ist das Linienelement der Kugeloberfläche, so daß sich die Metrik (11) als kugelsymmetrisch mit Radialkoordinate w𝑤w ergibt.


Mehr zu Einsteins Kommentaren zu Metrik (11) wird in Abschnitt 4 folgen, hier soll zunächst die aktuelle Interpretation der Metrik (11) angefügt werden: Heutzutage wird diese Lösung meist Schwarzschild-De Sitter-Lösung genannt, bei B<0𝐵0B<0 stellt sie ein in der De Sitter Raum-Zeit (siehe folgender Abschnitt 2.3.) befindliches Schwarzes Loch dar. Bei B=0𝐵0B=0 ist Metrik (11) nach Änderung auf heute übliche Schreibweise die Schwarzschildlösung von 1916

ds2=(12mr)dt2dr212mrr2(dϑ2+sin2ϑdϕ2)𝑑superscript𝑠212𝑚𝑟𝑑superscript𝑡2𝑑superscript𝑟212𝑚𝑟superscript𝑟2𝑑superscriptitalic-ϑ2superscript2italic-ϑ𝑑superscriptitalic-ϕ2ds^{2}=\left(1-\frac{2m}{r}\right)dt^{2}-\frac{dr^{2}}{1-\frac{2m}{r}}-r^{2}(d\vartheta^{2}+\sin^{2}\vartheta d\phi^{2}) (12)

Es muß bei dieser Form natürlich noch ergänzt werden, daß hierbei die Einheiten so gewählt werden müssen, daß die Gravitationskonstante G𝐺G den Wert 1 hat, anderenfalls ist stets m𝑚m durch das Produkt Gm𝐺𝑚G\cdot m zu ersetzen. 111111Ebenso sollte ergänzt werden, daß Metrik (12) auch bei negativen Werten m𝑚m eine im Gebiet r>0𝑟0r>0 mathematisch zulässige statische kugelsymmetrische Lösung der Einsteinschen Vakuum-Gleichung darstellt, die jedoch aus den genannten physikalischen Gründen hier nicht weiter behandelt werden soll.


Wir wollen jetzt diese Metrik (12) im Falle m>0𝑚0m>0 mit der oben angegebene Definition eines Schwarzen Lochs in Relation setzen. Metrik (12) ist asymptotisch flach, da sich bei großen Werten r𝑟r asymptotisch

ds2=dt2dr2r2(dϑ2+sin2ϑdϕ2)𝑑superscript𝑠2𝑑superscript𝑡2𝑑superscript𝑟2superscript𝑟2𝑑superscriptitalic-ϑ2superscript2italic-ϑ𝑑superscriptitalic-ϕ2ds^{2}=dt^{2}-dr^{2}-r^{2}(d\vartheta^{2}+\sin^{2}\vartheta d\phi^{2})

ergibt, und das ist genau die flache Minkowskische Raum-Zeit (5) in Kugelkoordinaten. Es ergibt sich, daß als Beobachter im Unendlichen jedes Teilchen in Frage kommt, das sich ununterbrochen im Gebiet r>2m𝑟2𝑚r>2m aufhält. Die oben definierte Menge M𝑀M derjenigen Punkte x𝑥x, die die Eigenschaft hat, daß eine kausale Kurve von x𝑥x zu einem Punkt der Weltlinie des Beobachters im Unendlichen existiert, ergibt sich dann ebenso durch die Bedingung r>2m𝑟2𝑚r>2m. Der Horizont W𝑊W ist also der Rand des durch r>2m𝑟2𝑚r>2m definierten Gebiets M𝑀M, und das Schwarze Loch ist die Menge derjenigen Punkte, die weder zu M𝑀M noch zu W𝑊W gehören.


Es wäre allerdings zu einfach, jetzt zu folgern: W𝑊W ist also die durch r=2m𝑟2𝑚r=2m definierte Teilmenge der Schwarzschildlösung (12), das Schwarze Loch also das Gebiet r<2m𝑟2𝑚r<2m. Das hat folgenden Grund: Sowohl bei r=0𝑟0r=0 (hier divergiert der Faktor vor dt2𝑑superscript𝑡2dt^{2}) als auch bei r=2m𝑟2𝑚r=2m (hier divergiert der Faktor vor dr2𝑑superscript𝑟2dr^{2}) wird die Metrik (12) singulär, und es ist zu klären, ob es eine echte oder eine Koordinatensingularität ist. Bei r=0𝑟0r=0 ist dies ganz einfach zu beantworten: Es gibt eine Krümmmungsinvariante, die im Falle der Metrik (12) den Wert m2/r6superscript𝑚2superscript𝑟6m^{2}/r^{6} annimmt, es handelt sich also um eine echte Singularität.


Kommen wir nun zu Bereich r=2m𝑟2𝑚r=2m. Wir vermuten zunächst eine Koordinatensingularität ähnlich wie die bei r=0𝑟0r=0 in Metrik (3), da die bekannten Krümmungsinvarianten sämtlich regulär sind. Wir wählen jetzt die Eddington-Finkelstein-Koordinaten, hier zitiert nach [6]. Dazu wird die Zeitkoordinate t𝑡t in Metrik (12) durch eine neue Zeitkoordinate v𝑣v ersetzt, die durch die Formel

v=t+r+2mln(r2m)𝑣𝑡𝑟2𝑚𝑟2𝑚v=t+r+2m\ln(r-2m) (13)

im Bereich r>2m𝑟2𝑚r>2m definiert ist. Über die Nebenrechnung

dv=dt+dr12m/r𝑑𝑣𝑑𝑡𝑑𝑟12𝑚𝑟dv=dt+\frac{dr}{1-2m/r}

ergibt sich schließlich die Metrik zu

ds2=(12mr)dv22dvdrr2(dϑ2+sin2ϑdϕ2).𝑑superscript𝑠212𝑚𝑟𝑑superscript𝑣22𝑑𝑣𝑑𝑟superscript𝑟2𝑑superscriptitalic-ϑ2superscript2italic-ϑ𝑑superscriptitalic-ϕ2ds^{2}=\left(1-\frac{2m}{r}\right)dv^{2}-2\,dv\,dr-r^{2}(d\vartheta^{2}+\sin^{2}\vartheta d\phi^{2})\,. (14)

Die Singularität bei r=0𝑟0r=0 ist natürlich geblieben, jedoch ist nun der Bereich r=2m𝑟2𝑚r=2m völlig regulär. Der Horizont W𝑊W des Schwarzen Lochs ist also die durch r=2m𝑟2𝑚r=2m definierte Teilmenge der Metrik (14), wobei die drei anderen Koordinaten alle möglichen Werte durchlaufen. Versucht man jetzt, dieses mittels Formel (13) in Werte für t𝑡t umzurechnen, stellt sich heraus, (da ln0=0\ln 0=-\infty ist), daß dies nur bei t=𝑡t=\infty möglich ist. Wir stellen fest: In Metrik (12) gehört der Bereich r=2m𝑟2𝑚r=2m bei endlichen Werten von t𝑡t keinesfalls zum Horizont des Schwarzen Lochs.

2.3 Die De Sitter Raum-Zeit

Die oben erwähnte Definition der De Sitterschen Raum-Zeit als einzige homogene isotrope Raum-Zeit von positiver Krümmung soll jetzt genauer erläutert werden. Solche homogenen und isotropen Räume werden in der Literatur oft auch als “Räume konstanter Krümmung” bezeichnet, und sie sind lokal durch die Angabe einer einzigen Größe, den Krümmungsskalar, eindeutig bestimmt. Geometrisch sind sie am einfachsten als Teilmenge eines höherdimensionalen flachen Raums darstellbar, und zwar in Analogie zur Elementargeometrie: Die Oberfläche der Einheitskugel ist der durch die Bedingung x2+y2+z2=1superscript𝑥2superscript𝑦2superscript𝑧21x^{2}+y^{2}+z^{2}=1 definierte Teilraum des 3-dimensionalen Euklidischen Raumes.


Wir beschränken uns hier auf die vierdimensionale Raum-Zeit, die die Lösung der Einsteinschen Gleichung mit Λ>0Λ0\Lambda>0 darstellt. Die einfachste Form ist die als Metrik (11) mit A=0𝐴0A=0 und B<0𝐵0B<0, d.h.121212In dieser Form ist der Horizont durch 1+Bw2=01𝐵superscript𝑤201+Bw^{2}=0 definiert. eine statisch kugelsymmetrische Form der Metrik. Eine ähnlich einfache Form ist die als räumlich ebenes Friedmannmodell (9) mit

a(t)=eHt,H=Λ/3>0.formulae-sequence𝑎𝑡superscript𝑒𝐻𝑡𝐻Λ30a(t)=e^{Ht}\,,\qquad H=\sqrt{\Lambda/3}>0\,.

Die Metrik hat also die Gestalt

ds2=dt2e2Ht(dx2+dy2+dz2).𝑑superscript𝑠2𝑑superscript𝑡2superscript𝑒2𝐻𝑡𝑑superscript𝑥2𝑑superscript𝑦2𝑑superscript𝑧2ds^{2}=dt^{2}-e^{2Ht}\left(dx^{2}+dy^{2}+dz^{2}\right). (15)

Die Bedingung (10) ist nicht erfüllt, also enthält diese Metrik eine Singularität. Da es ein Raum konstanter Krümmung ist, muß es sich hierbei natürlich um eine Koordinatensingularität handeln. In der Tat läßt sich die Metrik (15) vermittels einer geeigneten Koordinatentransformation, Details siehe z.B. in [3], als echten Teilraum in ein geschlossenes Friedmannmodell einbetten, und dieses Modell hat dann den Skalenfaktor

a(T)=cosh(HT)=12(eHT+eHT).𝑎𝑇𝐻𝑇12superscript𝑒𝐻𝑇superscript𝑒𝐻𝑇a(T)=\cosh(HT)=\frac{1}{2}\left(e^{HT}+e^{-HT}\right).

Hierbei handelt es sich um eine singularitätsfreie Darstellung der De Sitterschen Raum-Zeit, sie ist zusammenhängend, einfach zusammenhängend, und geodätisch vollständig.


Die Übereinstimmung dieser drei Darstellungen der De Sitterschen Raum-Zeit ist im ersten Moment erstaunlich, da generell eine statisch kugelsymmetrische Raum-Zeit, ein geschlossenes und ein räumlich ebenes Friedmannmodell ja geometrisch unterscheidbar sind. Es liegt eben an der hohen Symmetrie: Die Isometriegruppe der De Sitterschen Raum-Zeit ist 10-dimensional, die der Friedmannmodelle im allgemeinen 6-dimensional, und je nachdem, welche 6-dimensionale Untergruppe dieser 10-dimensionalen Gruppe gewählt wird, entstehen diese unterschiedlichen Darstellungen. Ähnlich kann es für Irritationen sorgen, wenn man einerseits feststellt, daß Metrik (11) zeitunabhängig, also statisch ist, während Metrik (15) ein echt expandierendes Modell darstellt. Dies läßt sich wie folgt klären: Eine Zeittranslation in (15) hat zur Folge, daß a(t)𝑎𝑡a(t) mit einem Faktor multipliziert wird, dieser Faktor läßt sich danach durch eine geeignete Multiplikation der Koordinaten x𝑥x, y𝑦y und z𝑧z kompensieren.


Das Bild zu diesem Artikel ist aus [3] entnommen und stellt eine vereinfachte Form der De Sitterschen Raum-Zeit als geschlossenes Modell dar: T𝑇T ist die Zeitkoordinate, und ΦΦ\Phi mit πΦπ𝜋Φ𝜋-\pi\leq\Phi\leq\pi repräsentiert eine der drei Winkelkoordinaten. Wir starten vom Punkt T=0𝑇0T=0, Φ=0Φ0\Phi=0 und fragen, zu welchen Punkten der Raum-Zeit man längs einer Geodäten gelangen kann. Bei raumartigen Geodäten (im Bild mit 1 gekennzeichnet) sind alle Geodäten geschlossen und treffen sich im Antipodenpunkt T=0𝑇0T=0, Φ=πΦ𝜋\Phi=\pi, (der natürlich mit T=0𝑇0T=0, Φ=πΦ𝜋\Phi=-\pi identifiziert ist). Lichtartige Geodäten 2 und zeitartige Geodäten 3, die aus dem Punkt T=0𝑇0T=0, Φ=0Φ0\Phi=0 starten, verbleiben vollständig im Intervall π/2<Φ<π/2𝜋2Φ𝜋2-\pi/2<\Phi<\pi/2. Ergebnis: der Bereich innerhalb der 4 Strich-Punkt-Linien ist der Bereich, zu dem man von vom Punkt T=0𝑇0T=0, Φ=0Φ0\Phi=0 aus vermittels einer Geodäten gelangen kann. Das ist also keinesfalls die gesamte Raum-Zeit, also gilt, und das ist sicher ihre eigenartigste Eigenschaft: Die De Sittersche Raum-Zeit ist nicht geodätisch zusammenhängend, obwohl sie zusammenhängend und geodätisch vollständig ist.131313In der Riemannschen Geometrie gilt dagegen: in einem zusammenhängenden geodätisch vollständigen Raum lassen sich je zwei Punkte durch einen Geodätenabschnitt verbinden. Der Grund, weshalb dieses Ergebnis nicht auf die Pseudoriemannsche Geometrie übertragbar ist, liegt darin, daß beim Beweis für Riemannsche Räume die Kompaktheit der Drehgruppe benötigt wird, die Lorentzgruppe, das Pseudoriemannsche Analogon dazu, jedoch nicht kompakt ist.


Beschränkt man sich auf kausale Geodäten, so ist das analoge Ergebnis etwas weniger erstaunlich, es gilt: Ein Beobachter, der für alle Zeiten T𝑇T im Punkt Φ=0Φ0\Phi=0 ruht, kann nicht von allen Ereignissen Kenntnis erhalten, es gibt also auch für ihn einen Horizont. Die Lage dieses Horizonts ändert sich kontinuierlich mit der Lage des Beobachters, der Horizont ist also überhaupt nicht beobachterunabhängig lokalisierbar.

3 Das inflationäre Weltmodell

Das Standardmodell des Universums ist im einfachsten Fall durch ein räumlich ebenes Friedmannmodell (9) gegeben, das bei t>0𝑡0t>0 zunächst durch a(t)=t1/2𝑎𝑡superscript𝑡12a(t)=t^{1/2}, zu späterer Zeit dann durch a(t)=t2/3𝑎𝑡superscript𝑡23a(t)=t^{2/3} spezifiziert ist. Der Exponent 1/2121/2 gilt in der Strahlungsphase (dem heißen Urknall), der Exponent 2/3232/3 in der heutigen Phase.


Es gibt allerdings eine Reihe von Problemen, die innerhalb dieses Modells nicht gelöst werden können. Eines davon ist folgendes: Die beobachtetet kosmische Hintergrundstrahlung (also das inzwischen stark ausgekühlte heute beobachtbare Relikt des Urknalls) erscheint uns aus allen Richtungen mit ziemlich gleichen Eigenschaften. Diese Strahlung stammt nach dem Standardmodell allerdings aus Gebieten der Raum-Zeit, die zuvor keinerlei Kausalkontakt gehabt haben konnten. Es muß also irgendeinen Mechanismus gegeben haben, der eine solche Synchronisierung auslöst.


Es stellt sich heraus, daß sich dies Problem am einfachsten dadurch lösen läßt, daß man annimmt, daß zwischen diesen beiden Phasen eine endliche Zeit lang eine inflationäre Phase der kosmischen Entwicklung stattgefunden haben muß. Und diese wird durch einen Skalenfaktor

a(t)=eHt𝑎𝑡superscript𝑒𝐻𝑡a(t)=e^{Ht}

beschrieben, dabei ist H𝐻H der Hubbleparameter. Ist H𝐻H ein positive Konstante, so ist dies die exakte De Sittersche Raum-Zeit (15). Erlaubt man eine leichte Zeitabhängigkeit von H𝐻H, so spricht man von einem quasinflationären Modell, das ebenfalls die Probleme des Standardmodells lösen kann. Es gibt unterschiedliche Theorien, wie man zu dieser inflationären Phase gelangen kann: Z.B. durch Auswirkungen einer höherdimensionalen Welt (verschiedene Kaluza-Klein-Modelle), durch Wirkungen eines zusätzlichen Materiefeldes (Skalarfeld nach Brans und Dicke, Dilatonfeld, Higgsfeld u.a.), oder durch die Berücksichtigung von Quanteneffekten.


Letztere führen dann effektiv zu Korrekturtermen höherer Ordnung in der Einsteinschen Feldgleichung; siehe z.B. [9] für Details. Dabei sind es die Terme vierter Ordnung, die das Auftreten eine quasi-De Sitter-Phase als transienten Attraktor ergeben. Bei diesem Modell werden also weder zusätzliche Felder noch höhere Dimensionen eingeführt, um die inflationäre Phase zu erzeugen. Da es ein Attraktor ist, benötigt man auch keine speziellen Anfangswerte, um die Phase zu haben. Da der Attraktor transient ist, endet die inflationäre Phase auf jeden Fall nach endlicher Zeit, da die Feldgleichungen bei großen Werten t𝑡t einen Übergang in die Phase a=t2/3𝑎superscript𝑡23a=t^{2/3} erzwingen; das graceful exit-Problem anderer Inflationsmodelle tritt hier also gar nicht erst auf.


Abschließend zwei Bemerkungen zur Anwendung der De Sitterschen Raum-Zeit in der Kosmologie: Erstens: Die Tatsache, daß sie in der meist verwendeten Darstellung (15) gar nicht geodätisch vollständig ist, wird zwar selten explizit vermerkt, spielt jedoch kaum eine Rolle, da inzwischen alle kosmologischen Modelle davon ausgehen, daß sowohl vor als auch nach der inflationären Phase ein andersgeartetes Expansionsgesetz gilt, und der Urknall selbst sowieso nicht mit der klassischen Relativitätstheorie behandelt werden kann. Zweitens: Die Lage des Horizonts ist, wie oben gesagt, vom Beobachter abhängig, anders ist es mit seiner Größe: die ist im homogenen Weltmodell für alle ruhenden Beobachter genauso groß. Dies wird bei der Theorie der Galaxienentstehung angewendet.

4 Einsteins Arbeit zu de Sitters Weltmodell

In seiner Abhandlung [1] “Kritisches zu einer von Hrn. De Sitter gegebenen Lösung der Gravitationsgleichungen” schreibt Einstein: “Gegen die Zulässigkeit dieser Lösung scheint mir aber ein schwerwiegendes Argument zu sprechen, das im folgenden dargelegt werden soll.” Dazu zitieren wir zunächst aus [8]: “Einstein gibt einen ‘Beweis’ dafür an, daß der Horizont eines Schwarzen Lochs von keinem Teilchen überschritten werden kann; beseitigt man den Denkfehler bei Einstein, erhält man das korrekte Resultat, daß ein Teilchen zwar von außen nach innen, nicht aber von innen nach außen diesen Horizont queren kann. Das Verständnis dieser Aussage läßt sich weiter verbessern, wenn man sich entschließt, den “Bereich innerhalb des Horizonts” in “Bereich nach dem Horizont” umzubenennen, eine wegen des Relativitätsprinzips absolut zulässige Vorgehensweise. Denn daß der “Bereich nach dem Horizont” von keinem Teilchen mehr verlassen werden kann, ist auch ohne Detailkenntnis der Relativitätstheorie verstehbar: Der Horizont heißt dann Gegenwart, und oben genannte Eigenschaft des Horizonts, nur in einer Richtung durchschritten werden zu können, drückt dann einfach die Alltagserfahrung aus, daß die Vergangenheit nicht mehr zu ändern ist.


Der genannte Fehler von Einstein wird auch heute noch vielfach wiederholt. Es handelt sich um einen eigenartigen Verdrängungsmechanismus: Die Formeln werden korrekt aufgeschrieben, es wird explizit gesagt, daß Raum und Zeit hinfort keine Eigenbedeutung mehr haben sondern zur Raum-Zeit verschmelzen, und kurz danach bedient man sich unbefangen solcher Wörter wie “innerhalb” oder “danach”, so als ob ihre umgangssprachliche Bedeutung auch im Rahmen der Relativitätstheorie noch gültig wäre. Bei der genannten Trefftz-schen Lösung (11) besteht das Problem darin, daß die mit der Variable w𝑤w bzw. r𝑟r (von “radius”) bezeichnete Koordinate am Horizont ihren Charakter von raumartig zu zeitartig verändert.”


Gehen wir nun etwas detaillierter in die Arbeiten von Einstein: In [1], also am 7. März 1918, berechnet er zunächst das, was in heutiger Sprechweise (siehe oben) “Horizont eines im Ursprung ruhenden Teilchens” genannt wird, dazu schreibt er: “Bis zum Beweise141414Anmerkung: Anfang des 20. Jahrhunderts war “Beweise” noch die korrekte Dativform des Wortes “Beweis” in Singular. des Gegenteils ist also anzunehmen, daß die De Sittersche Lösung in der im Endlichen gelegenen Fläche r=πR/2𝑟𝜋𝑅2r=\pi R/2 eine echte Singularität aufweist, d.h. den Feldgleichungen bei keiner Wahl der Koordinaten entspricht.” An dieser Stelle irrt er zwar, jedoch ist sein Vorgehen durchaus nachvollziehbar, und als Forschungsansatz auch akzeptabel: er hat sich bemüht, die singuläre Stelle durch eine Änderung der Koordinaten zu beseitigen, er fand solche Koordinaten aber nicht. Zudem paßte diese Lösung so gar nicht in das Bild, das er sich zum damaligen Zeitpunkt von der Relativitätstheorie gemacht hatte, er drückt das, also im März 1918, wie folgt aus: “Bestände die De Sittersche Lösung überall zu Recht, so würde damit gezeigt sein, daß der durch die Einführung des “λ𝜆\lambda-Gliedes” von mir beabsichtigte Zweck nicht erreicht wäre.” Erst Jahre später sollte er erkennen, daß dieser Zweck tatsächlich nicht erreicht wurde.


Kommentieren wir nun abschließend nochmals die Einsteinsche Arbeit [10] vom 23. November 1922. Er verwendet die Bezeichnung

f4=1+Aw+Bw2subscript𝑓41𝐴𝑤𝐵superscript𝑤2f_{4}=1+\frac{A}{w}+Bw^{2}

und diskutiert die Nullstellen von f4subscript𝑓4f_{4} in bezug auf Metrik (11). Nach unseren Vorüberlegungen aus Abschnitt 2 ist hier zu folgern: Solche Nullstellen ergeben einen Horizont und keine echte Singularität. Einstein schreibt jedoch: “Nach (1) ist f4subscript𝑓4\sqrt{f_{4}} die Ganggeschwindigkeit einer Einheitsuhr, welche an jenem Orte ruhend angeordnet wird. Das Verschwinden von f4subscript𝑓4f_{4} bedeutet also eine wahre Singularität des Feldes.” Gleichwohl ist diese Äußerung Einsteins nicht ausdrücklich falsch, vielmehr ist diese Diskrepanz ein Ausdruck der Tatsache, daß heutzutage für die Regularität einer Raum-Zeit nicht mehr gefordert wird, daß ruhende Einheitsuhren als Zeitvergleichsapparatur möglich sein sollten, wie dies Einstein offensichtlich noch gefordert hat.

Literatur

[1] Einstein, A.: Kritisches zu einer von Hrn. De Sitter gegebenen Lösung der Gravitationsgleichungen, Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften, Phys.-Math. Klasse, 1918, Seite 270-272.

[2] De Sitter, W.: Over de Kromming der ruimte, Koninklijke Akademie van Wetenschappen te Amsterdam 26 (1917) 222-236. Die englischsprachige Variante des original niederländischen Texts erschien als: On the curvature of space, Proc. Amsterdam 20 (1918) 229. De Sitter, W.: On Einstein’s theory of gravitation, and its astronomical consequences, Monthly Notices Royal Astron. Soc. 76 (1916) 699. In denselben Zeitschriften erschienen auch eine ganze Reihe von weiteren Arbeiten de Sitters zu ähnlichen Themen.

[3] Schmidt, H.-J.: On the de Sitter space-time - the geometric foundation of inflationary cosmology, Fortschr. Phys. 41 (1993) 179-199.

[4] Schutz, B.: Gravity from the ground up, Cambridge University Press 2003.

[5] Stephani, H.: General Relativity, Cambridge University Press 1982. Die deutschsprachige Originalausgabe erschien als: Allgemeine Relativitätstheorie, Verlag der Wissenschaften Berlin 1977.

[6] Hawking, S. W., Ellis, G. F. R.: The large scale structure of space-time, Cambridge University Press 1973.

[7] Landau, L. D., Lifschitz, E. M.: Klassische Feldtheorie, Akademieverlag Berlin 1962, Übersetzung aus dem Russischen, Originaltitel: Teoria polja, Verlag Nauka, Moskau 1958.

[8] Schmidt, H.-J.: Zur Beweiskraft von Bildern in Mathematik und Astrophysik, Beitrag zur Monographie: “Im Zwischenreich der Bilder”, Hrg.: Jacobi, R., Marx, B., Strohmaier-Wiederanders, G., zugleich Band 35 der Reihe “Erkenntnis und Glaube”, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2004, Seite 267-276.

[9] Schmidt, H.-J.: Stability and Hamiltonian formulation of higher derivative theories, Phys. Rev. D49 (1994) 6354-6366; Erratum Phys. Rev. D54 (1996) 7906; diese Arbeit ist als Preprint gr-qc/9404038 in www.arxiv.org einsehbar.

[10] Einstein, A.: Bemerkung zu der Abhandlung von E. Trefftz: “Das statische Gravitationsfeld zweier Massenpunkte in der Einsteinschen Theorie”, Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, Phys.-Math. Klasse, 1922, Seite 448-449.


©(2005) Hans-Jürgen Schmidt