Einsteins Arbeiten in Bezug auf die moderne Kosmologie
De Sitters Lösung der Einsteinschen Feldgleichung mit positivem
kosmologischen Glied als Geometrie des inflationären Weltmodells
Privatdozent Dr. habil. Hans - Jürgen Schmidt, Diplommathematiker
http://www.physik.fu-berlin.de/~hjschmi, e-mail: hjschmi@rz.uni-potsdam.de, Tel. 0331/9771347
Institut für Mathematik, Universität Potsdam, Am Neuen Palais 10, D-14469 Potsdam, Germany
Abstrakt: Die Arbeit [1] von Albert Einstein von 1918 zu Willem De Sitters Lösung [2] der Einsteinschen Feldgleichung wird unter heutigem Gesichtspunkt kommentiert. Dazu wird zunächst die Geometrie der De Sitterschen Raum-Zeit beschrieben, sowie ihre Bedeutung für das inflationäre Weltmodell erläutert.
English language title: Einstein’s papers in relation to modern cosmology
Abstract. We comment on the paper [1] by Albert Einstein from 1918 to Willem De Sitter’s solution [2] of the Einstein field equation from today’s point of view. To this end, we start by describing the geometry of the De Sitter space-time and present its importance for the inflationary cosmological model.
1 Einleitung
Um die Arbeit [1] von Albert Einstein mit dem Titel111Das Hrn. im Titel ist eine Abkürzung für Herrn und nicht für De Sitters Vorname, der lautet Willem. “Kritisches zu einer von Hrn. De Sitter gegebenen Lösung der Gravitationsgleichungen” angemessen beurteilen zu können, muß man sich klarmachen, daß im Jahre 1918 die Differentialgeometrie der zugrundeliegenden Raum-Zeiten ein noch wenig erforschtes Gebiet war. Man täte Einstein also Unrecht, wenn man mit heutigem Wissen an seine damalige Arbeit heranginge, und feststellte, wo überall er mathematische Fehler begangen hat. Vielmehr ist zu beurteilen, welche Fehler er bei gründlichem Literaturstudium hätte vermeiden können und welche nicht. Ähnliches ist zu den kritisierten Arbeiten [2] De Sitters zu sagen.
Nachfolgend soll deshalb zunächst in Abschnitt 2 die Geometrie der Schwarzschildschen und der De Sitterschen Raum-Zeit ausführlich beschrieben werden (siehe auch [3] bzw. die Lehrbücher [4, 5, 6, 7]), sowie in Abschnitt 3 kurz ihre Bedeutung für das inflationäre Weltmodell erläutert werden (vgl. hierzu wieder [4-7] sowie die Arbeiten [8] und [9]). Schließlich sollen in Abschnitt 4 die Arbeiten [1] und [10] von Albert Einstein kurz kommentiert werden.
2 Die Geometrie der De Sitterschen Raum-Zeit
Die De Sittersche Raum-Zeit ist durch folgende Definition eindeutig bestimmt: sie ist die einzige homogene isotrope Raum-Zeit von positiver Krümmung. Sie ist die geometrische Grundlage des inflationären Weltmodells, deshalb soll sie hier detailliert eingeführt werden. Als Vorbereitung dazu werden zunächst die Begriffe Koordinatensingularität, echte Singularität, Horizont und Schwarzes Loch geklärt.
2.1 Koordinatensingularität und echte Singularität
Generell wird der Begriff Singularität verwendet, um auszudrücken, daß eine Größe ihren zulässigen Geltungsbereich verläßt, in den meisten Fällen geschieht das dadurch, daß eine Größe, die nur positive reelle Werte annehmen darf, gegen Null oder gegen Unendlich konvergiert. Man unterscheidet eine Koordinatensingularität von einer echten Singularität, je nachdem, ob sich diese dadurch beseitigen läßt, daß man ein anderes Bezugssystem verwendet, oder ob das nicht möglich ist.
Der einfachste Fall einer Koordinatensingularität ist die Euklidische Ebene in Polarkoordinaten bei : Der Geltungsbereich dieser Koordinaten ist durch und gegeben. Die Einschränkung für ist Ausdruck der Tatsache, daß der Vollwinkel , d.h. , geometrisch nicht vom Winkel unterschieden wird.222Die topologisch befriedigendere Variante der Polarkoordinaten erlaubt allerdings beliebige reelle Werte für und nimmt dann eine Identifikation aller solcher Winkelwerte vor, deren Differenz ein ganzzahliges Vielfaches von darstellt. Damit wird verhindert, daß man dem Winkel 0 fälschlich eine Sonderrolle zukommen läßt.
Die Einschränkung für ergibt sich daraus, daß bei alle Koordinatenpaare demselben Punkt der Ebene entsprechen, nämlich dem Koordinatenursprung, und dies ist unzulässig, da die Zuordnung zwischen Punkten und Koordinaten eineindeutig (d.h. in beiden Richtungen eindeutig) sein soll. Wie entscheidet man nun, ob es sich dabei um eine echte Singularität handelt? Die Antwort ist bekannt: Der Übergang zu kartesischen Koordinaten , deren Verbindung mit Polarkoordinaten durch die Formeln
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gegeben ist, beseitigt diese Mehrdeutigkeit; also ist nur eine Koordinatensingularität: Wie man aus Formel (1) sieht, ist bei auch , und zwar unabhängig davon, welchen Wert der Winkel dort annimmt. Bei allen anderen Werten ist dagegen die Zuordnung zwischen kartesischen und Polarkoordinaten gemäß (1) stets eineindeutig.
Quadriert man die Gleichungen aus (1) und addiert sie, ergibt sich der Satz von Pythagoras in der elementaren Form
die äquivalent in der trigonometrischen Form als
geschrieben werden kann. Soweit der bekannte Schulstoff.
Um gekrümmte Raum-Zeiten beschreiben zu können, benötigt man den Begriff des Riemannschen Raumes und sein Linienelement . Genaueres hierzu läßt sich z.B. in den Lehrbüchern [5, 6, 7] nachlesen; hier soll es genügen, wenn wir jetzt die Euklidische Ebene in Form eines Riemannschen Raumes darstellen. Das Quadrat des Linienelements läßt sich dann in kartesischen Koordinaten als
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schreiben. Das ist die infinitesimale Form des Satzes von Pythagoras. Vermittels (1) transformiert sich diese Formel (2) in Polarkoordinaten wie folgt:
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Das Linienelement bei konstantem Wert ergibt sich333Andere Herleitung: Der Umfang eines Kreises vom Radius beträgt , also muß für den Vollwinkel das Linienelement diesen Wert ergeben. nach (3) zu ; daraus wird sofort erkennbar, dass bei die Änderungen von keinen Beitrag zu leisten, es also dort eine Koordinatensingularität gibt.
Bevor wir jetzt den Begriff der echten Singularität klären können, müssen wir kurz erläutern, wie sich die Linienelemente (2) und (3) allgemeiner schreiben lassen. Zunächst werden die Koordinaten mit bezeichnet, wobei die Zeitkoordinate, und die anderen () die Raumkoordinaten darstellen. Dann wird das Linienelement in die Form
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gebracht, wobei hier die Einsteinsche Summenkonvention angewendet wird: Über Indizes, die sowohl in oberer als auch in unterer Position auftreten, wird automatisch summiert, ohne daß das Summenzeichen notiert wird.
Die Größen sind die Komponenten der Metrik. Sie werden nach Allgemeiner Relativitätstheorie in einer Doppelrolle verwendet: sowohl zur Beschreibung der Geometrie der Raum-Zeit als auch zur Darstellung des Gravitationsfeldes. Diese Doppelrolle trägt die Bezeichnung: “Geometrisierung des Gravitationsfeldes”. Konkret heißt das zum Beispiel: Im Satz von Pythagoras steht im Exponenten die Zahl 2; dies gilt infinitesimal auch in der Raum-Zeit, deshalb müssen auf der rechten Seite von Gleichung (4) alle quadratisch auftreten, und deshalb haben die eben genau zwei Indizes. In der Feldtheorie wird gezeigt, daß diese Anzahl an Indizes genau den Spin des zugehörigen Teilchens festlegt. Also: Gemäß Einsteinscher Theorie hat das Graviton444Das Graviton ist das dem Gravitationsfeld zugeordnete Teilchen, analog ist das Photon das dem elektromagnetischen Feld zugeordnete Teilchen. Dieses hat den Spin 1, da das elektromagnetische Potential nur einen Index trägt. den Spin 2, weil im Satz von Pythagoras der Exponent 2 auftritt.
Eine weitere Änderung gegenüber der Riemannschen Geometrie erzwingt folgender Umstand: Zwar verschmelzen Raum und Zeit in der Raum-Zeit, jedoch bleiben raumartige und zeitartige Koordinaten weiterhin unterscheidbar, und zwar dadurch, daß die entsprechenden Anteile in mit unterschiedlichen Vorzeichen eingehen. Man spricht dann von Pseudoriemannscher Geometrie. Wie wählen hier die Variante, in der die raumartigen Anteile ein zusätzliches Minuszeichen erhalten. Die Metrik der speziellen Relativitätstheorie lautet dann
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wobei die Einheiten so gewählt sind, daß die Lichtgeschwindigkeit den Zahlenwert 1 hat, anderenfalls müßten wir in vielen Formeln noch zusätzlich Potenzen von einfügen.
Nun können wir einige typische Beispiele für Singularitäten angeben: Ein Beispiel für eine echte Singularität ist der Punkt im expandieren Weltmodell, hier geben wir die einfachste Form eines räumlich ebenen Friedmannmodells an, welches mit Strahlung angefüllt ist, also das heiße Urknallmodell, auch hot big bang genannt. Das Linienelement lautet
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Der Faktor vor der Klammer ist Ausdruck der Tatsache, daß sich in diesem Modell alle räumlichen Abstände im Laufe der Zeit ändern, und insbesondere bei alle Längen gegen konvergieren. Hier läß sich, anders als bei Gleichung (3), keine Koordinatentransformation finden, die die singuläre Stelle bei beseitigen kann. Wie beweist man das? Man kann die Krümmung der Raum-Zeit berechnen, und bestimmt dann solche Größen, die unabhängig vom verwendeten Koordinatensystem stets denselben Wert annehmen, man nennt sie Invarianten. Es stellt sich heraus, daß die Metrik (6) Krümmungsinvarianten besitzt, die bei divergieren, d.h. gegen unendlich konvergieren. Die physikalisch orientierte Argumentation ist die folgende: Die Einsteinsche Feldgleichung lautet
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ihre linke Seite ist rein geometrisch definiert, ist die Gravitationskonstante, und die Größen messen die physikalischen Eigenschaften der Materie, z.B. ist die Energiedichte. In letztere geht natürlich gemäß der Einsteinschen Formel555Gemäß obiger Vereinbarung hätten wir hier natürlich einfach schreiben können, aber um des optischen Wiedererkennungswerts willen soll das hier einmal stehenbleiben.
die Ruhmasse des Systems mit ein. In dieser physikalischen Blickrichtung heißt das: Der Urknall stellt eine echte Singularität dar, da bei Annäherung gegen Null die Energiedichte über alle Grenzen anwächst.
Ganz anders verhält es sich mit der Metrik
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Scheinbar kann man hier genauso argumentieren: Bei sind in -Richtung alle Längen auf Null reduziert. Genaueres Nachrechnen ergibt allerdings folgendes: Bei divergiert keine Krümmungsinvariante, und die nach Einsteinscher Feldgleichung ermittelten Größen verschwinden sogar alle. In der Tat handelt es sich hier um eine Koordinatensingularität, und zwar ist sie vom selben Charakter wie die oben in Formel (3) behandelte Koordinatensingularität der Euklidischen Ebene in Polarkoordinaten.666Für Liebhaber der komplexen Zahlen sei hier noch folgendes ergänzt: Wenn man die raumartigen Koordinaten mit der imaginären Einheit multipliziert, ergibt sich in allen quadratischen Ausdrücken ein zusätzlicher Faktor , und man kann dann die Formeln aus der Elementargeometrie, z.B. Formel (1), anwenden, um die Koordinatensingularität zu beseitigen. Bei der anschließenden Rückgängigmachung der Multiplikation muß natürlich der Sinus (sin) durch den entsprechenden hyperbolischen Sinus (sinh) ersetzt werden etc. In der Tat geht Metrik (8) durch eine Koordinatentransformation in Metrik (5) über, stellt also die materiefreie Minkowskische Raum-Zeit dar; genauer gesagt: Metrik (8) repräsentiert eine echte Teilmenge der Minkowskisches Raum-Zeit, während Metrik (5) sie vollständig darstellt.
Ein anderer Typ von Singularität einer Raum-Zeit kann dann auftreten, wenn die Koordinaten so gewählt sind, daß ein Teilchen bereits nach endlicher Eigenzeit777Das ist diejenige Zeit, die eine von diesem Teilchen mitgeführte Uhr anzeigt. gegen solche Punkte der Raum-Zeit konvergieren kann, deren Koordinaten unendlich große Werte annehmen. Als Beispiel betrachten wir das expandierende räumlich ebene Weltmodell nach Friedmann mit der Metrik
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Für die Funktion , den kosmischen Skalenfaktor, soll gelten: Für alle reellen Zahlen ist , und is eine monoton wachsende und zweimal stetig differenzierbare888Diese Voraussetzung wird benötigt, da die zweiten Ableitungen der Metrik in die Berechnung der Krümmungsinvarianten eingehen. Funktion. Auf den ersten Blick könnte man annehmen, diese Raum-Zeit hätte gar keine Singularität. Berechnet man jedoch die Bahnen von Teilchen, d.h., die Geodäten999Kräftefrei bewegte Teilchen bewegen sich längs Geodäten, das sind diejenigen Kurven in der gekrümmten Raum-Zeit der Allgemeinen Relativitätstheorie, die das Analogon der geradlinig gleichförmig bewegten Beobachter der Speziellen Relativitätstheorie darstellen. mit Hilfe der Geodätengleichung, so ergibt sich: Diese Raum-Zeit ist singularitätsfrei genau dann, wenn
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gilt, siehe z.B. [9]. Anschaulich heißt dieses Ergebnis: Wenn die Bedingung (10) nicht erfüllt ist, d.h., wenn der kosmische Skalenfaktor zu schnell klein wird, so kann ein Teilchen bereits nach endlicher Eigenzeit bis nach gelangen. Wenn dieser Fall auftritt, bedarf es weiterer Untersuchungen, ob es sich dabei um eine echte oder um eine Koordinatensingularität handelt. Wir werden in Abschnitt 2.3. noch einmal auf diese Frage zurückkommen.
2.2 Horizonte und Schwarze Löcher
Beginnen wir mit einem Zitat aus [8]: “Der am häufigsten diskutierte Effekt der Allgemeinen Relativitätstheorie ist die Vorhersage der Existenz Schwarzer Löcher. Ein Schwarzes Loch ist ein Himmelsobjekt, das so schwer ist, daß selbst das Licht nicht in der Lage ist, die gravitative Anziehungskraft zu überwinden. Anders gesagt: Man erkennt es daran, daß “nichts” zu sehen ist, wenn man hinschaut. Astronomisch reale Bilder des Schwarzen Lochs kann es also nicht geben. Man kann aber die umgebende Materie sehen, und wenn diese ganz bestimmte Eigenschaften aufweist, schließt man daraus auf ein darin befindliches Schwarzes Loch.”
Um den Begriff eines Schwarzen Lochs mathematisch genauer zu klären, muß man zunächst festlegen, was ein Horizont ist. Anschaulich ist der Horizont gerade die Grenze des Teils der Erdoberfläche, den ich von meiner Position aus direkt einsehen kann; es handelt sich also um um eine beobachterabhängige Definition, insbesondere brauche ich in bestimmten Situationen meine Position nur um wenige Meter zu ändern, um eine merkliche Änderung meines Horizonts ausmachen zu können. Man stelle sich etwa einen am Nordpol stehenden Beobachter vor, dann besteht sein Horizont aus einem nördlichen Breitenkreis, und welcher Breitenkreis das ist, hängt von der Größe des Beobachters ab, im Grenzfall eines unendlich großen Beobachters konvergiert dieser Breitenkreis bis an den Äquator, aber keinesfalls darüberhinaus.
In der Raum-Zeit wird analog definiert: Sei die Menge derjenigen Punkte aus , die die Eigenschaft hat, daß eine kausale Kurve101010d.h., eine zeitartige oder lichtartige Kurve; eine Kurve nennt man zeitartig, wenn sie Bahnkurve eines Teilchens darstellt, das sich mit Unterlichtgeschwindigkeit bewegt. von zu einem Punkt der Weltlinie des Beobachters existiert. Der Rand von heißt dann der Horizont von bezüglich dieses Beobachters. Bei dieser Definition kann es durchaus offen bleiben, ob die Punkte, die den Horizont bilden, auch noch zu gehören sollen oder nicht.
Anschaulich gesprochen heißt das: Wir gehen davon aus, daß Information maximal mit Lichtgeschwindigkeit übermittelt werden kann, dann stellt die Menge die Menge derjenigen Ereignisse dar, von denen der Beobachter irgendwann einmal etwas erfahren kann.
Wenn man jetzt in der Allgemeinen Relativitätstheorie definieren will: “Der Teil der Raum-Zeit, der sich jenseits des Horizonts befindet, wird Schwarzes Loch genannt.”, so ist damit zunächst eine beobachterabhängige Definition getroffen worden. In Formeln sieht das so aus: Das Schwarze Loch ist derjenige Teil der Raum-Zeit, der durch
gegeben ist. In der hier gewählten Definition wird also der Horizont nicht als Bestandteil des Schwarzen Lochs angesehen.
Um die Definition von dieser Beobachterabhängigkeit zu befreien, gibt es folgende Möglichkeit: Man nimmt an, daß außerhalb eines räumlich beschränkten Gebiets die Raum-Zeit völlig materiefrei ist; dann kann man annehmen, daß die Raum-Zeit asymptotisch flach ist. Es ergibt sich folgendes Ergebnis: Alle hinreichend weit entfernten Beobachter haben dann genau denselben Horizont. Man ordnet dann dieser Menge von Beobachtern den Begriff “Beobachter im Unendlichen” zu. Dann erhält man die Definition: “Derjenige Teil der Raum-Zeit, der für den Beobachter im Unendlichen jenseits des Horizonts liegt, wird Schwarzes Loch genannt.” Damit ist die Beobachterabhängigkeit der Definition de facto beseitigt.
Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, daß sich für den Fall allgemeiner Raum-Zeiten, z.B. einem inhomogenen Weltmodell, welches auch asymptotisch nicht homogen ist, die Beobachterabhängigkeit der Definition dessen, was als Schwarzes Loch bezeichnet werden soll, nicht ohne weiteres beseitigen läßt. Das hindert jedoch nicht daran, das “Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxis” als zumindest mathematisch wohldefiniert anzusehen: Unser Sonnensystem befindet sich nämlich so weit außerhalb des Zentrums der Galaxis, daß man mit guter Näherung jeden Beobachter, der sich innerhalb unseres Sonnensystems befindet, als Beobachter im Unendlichen ansehen kann; und unsere Galaxis ist so weit entfernt von anderen Galaxien, daß man mit guter Näherung annehmen kann, daß die Raum-Zeit außerhalb unserer Galaxis asymptotisch flach ist.
Die Metrik für ein Schwarzes Loch läßt sich nach Trefftz, hier zitiert aus Einstein [10], Seite 449 wie folgt beschreiben:
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Einstein schreibt hierzu: “Bei negativem und verschwindendem geht dies in die wohlbekannte Schwarzschildsche Lösung für das Feld eines materiellen Punktes über. Die Konstante wird also auch hier negativ gewählt werden müssen, entsprechend der Tatsache, daß es nur positive gravitierende Massen gibt. Die Konstante entspricht dem -Glied der Gleichung (1a). Positivem entspricht negatives und umgekehrt.” Hierzu sei folgendes erläutert: Die genannte Gleichung (1a) ist die Einsteinsche Gleichung mit kosmologischem Glied , das heut meist als Großbuchstabe Lambda geschrieben wird. Der Ausdruck ist das Linienelement der Kugeloberfläche, so daß sich die Metrik (11) als kugelsymmetrisch mit Radialkoordinate ergibt.
Mehr zu Einsteins Kommentaren zu Metrik (11) wird in Abschnitt 4 folgen, hier soll zunächst die aktuelle Interpretation der Metrik (11) angefügt werden: Heutzutage wird diese Lösung meist Schwarzschild-De Sitter-Lösung genannt, bei stellt sie ein in der De Sitter Raum-Zeit (siehe folgender Abschnitt 2.3.) befindliches Schwarzes Loch dar. Bei ist Metrik (11) nach Änderung auf heute übliche Schreibweise die Schwarzschildlösung von 1916
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Es muß bei dieser Form natürlich noch ergänzt werden, daß hierbei die Einheiten so gewählt werden müssen, daß die Gravitationskonstante den Wert 1 hat, anderenfalls ist stets durch das Produkt zu ersetzen. 111111Ebenso sollte ergänzt werden, daß Metrik (12) auch bei negativen Werten eine im Gebiet mathematisch zulässige statische kugelsymmetrische Lösung der Einsteinschen Vakuum-Gleichung darstellt, die jedoch aus den genannten physikalischen Gründen hier nicht weiter behandelt werden soll.
Wir wollen jetzt diese Metrik (12) im Falle mit der oben angegebene Definition eines Schwarzen Lochs in Relation setzen. Metrik (12) ist asymptotisch flach, da sich bei großen Werten asymptotisch
ergibt, und das ist genau die flache Minkowskische Raum-Zeit (5) in Kugelkoordinaten. Es ergibt sich, daß als Beobachter im Unendlichen jedes Teilchen in Frage kommt, das sich ununterbrochen im Gebiet aufhält. Die oben definierte Menge derjenigen Punkte , die die Eigenschaft hat, daß eine kausale Kurve von zu einem Punkt der Weltlinie des Beobachters im Unendlichen existiert, ergibt sich dann ebenso durch die Bedingung . Der Horizont ist also der Rand des durch definierten Gebiets , und das Schwarze Loch ist die Menge derjenigen Punkte, die weder zu noch zu gehören.
Es wäre allerdings zu einfach, jetzt zu folgern: ist also die durch definierte Teilmenge der Schwarzschildlösung (12), das Schwarze Loch also das Gebiet . Das hat folgenden Grund: Sowohl bei (hier divergiert der Faktor vor ) als auch bei (hier divergiert der Faktor vor ) wird die Metrik (12) singulär, und es ist zu klären, ob es eine echte oder eine Koordinatensingularität ist. Bei ist dies ganz einfach zu beantworten: Es gibt eine Krümmmungsinvariante, die im Falle der Metrik (12) den Wert annimmt, es handelt sich also um eine echte Singularität.
Kommen wir nun zu Bereich . Wir vermuten zunächst eine Koordinatensingularität ähnlich wie die bei in Metrik (3), da die bekannten Krümmungsinvarianten sämtlich regulär sind. Wir wählen jetzt die Eddington-Finkelstein-Koordinaten, hier zitiert nach [6]. Dazu wird die Zeitkoordinate in Metrik (12) durch eine neue Zeitkoordinate ersetzt, die durch die Formel
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im Bereich definiert ist. Über die Nebenrechnung
ergibt sich schließlich die Metrik zu
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Die Singularität bei ist natürlich geblieben, jedoch ist nun der Bereich völlig regulär. Der Horizont des Schwarzen Lochs ist also die durch definierte Teilmenge der Metrik (14), wobei die drei anderen Koordinaten alle möglichen Werte durchlaufen. Versucht man jetzt, dieses mittels Formel (13) in Werte für umzurechnen, stellt sich heraus, (da ist), daß dies nur bei möglich ist. Wir stellen fest: In Metrik (12) gehört der Bereich bei endlichen Werten von keinesfalls zum Horizont des Schwarzen Lochs.
2.3 Die De Sitter Raum-Zeit
Die oben erwähnte Definition der De Sitterschen Raum-Zeit als einzige homogene isotrope Raum-Zeit von positiver Krümmung soll jetzt genauer erläutert werden. Solche homogenen und isotropen Räume werden in der Literatur oft auch als “Räume konstanter Krümmung” bezeichnet, und sie sind lokal durch die Angabe einer einzigen Größe, den Krümmungsskalar, eindeutig bestimmt. Geometrisch sind sie am einfachsten als Teilmenge eines höherdimensionalen flachen Raums darstellbar, und zwar in Analogie zur Elementargeometrie: Die Oberfläche der Einheitskugel ist der durch die Bedingung definierte Teilraum des 3-dimensionalen Euklidischen Raumes.
Wir beschränken uns hier auf die vierdimensionale Raum-Zeit, die die Lösung der Einsteinschen Gleichung mit darstellt. Die einfachste Form ist die als Metrik (11) mit und , d.h.121212In dieser Form ist der Horizont durch definiert. eine statisch kugelsymmetrische Form der Metrik. Eine ähnlich einfache Form ist die als räumlich ebenes Friedmannmodell (9) mit
Die Metrik hat also die Gestalt
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Die Bedingung (10) ist nicht erfüllt, also enthält diese Metrik eine Singularität. Da es ein Raum konstanter Krümmung ist, muß es sich hierbei natürlich um eine Koordinatensingularität handeln. In der Tat läßt sich die Metrik (15) vermittels einer geeigneten Koordinatentransformation, Details siehe z.B. in [3], als echten Teilraum in ein geschlossenes Friedmannmodell einbetten, und dieses Modell hat dann den Skalenfaktor
Hierbei handelt es sich um eine singularitätsfreie Darstellung der De Sitterschen Raum-Zeit, sie ist zusammenhängend, einfach zusammenhängend, und geodätisch vollständig.
Die Übereinstimmung dieser drei Darstellungen der De Sitterschen Raum-Zeit ist im ersten Moment erstaunlich, da generell eine statisch kugelsymmetrische Raum-Zeit, ein geschlossenes und ein räumlich ebenes Friedmannmodell ja geometrisch unterscheidbar sind. Es liegt eben an der hohen Symmetrie: Die Isometriegruppe der De Sitterschen Raum-Zeit ist 10-dimensional, die der Friedmannmodelle im allgemeinen 6-dimensional, und je nachdem, welche 6-dimensionale Untergruppe dieser 10-dimensionalen Gruppe gewählt wird, entstehen diese unterschiedlichen Darstellungen. Ähnlich kann es für Irritationen sorgen, wenn man einerseits feststellt, daß Metrik (11) zeitunabhängig, also statisch ist, während Metrik (15) ein echt expandierendes Modell darstellt. Dies läßt sich wie folgt klären: Eine Zeittranslation in (15) hat zur Folge, daß mit einem Faktor multipliziert wird, dieser Faktor läßt sich danach durch eine geeignete Multiplikation der Koordinaten , und kompensieren.
Das Bild zu diesem Artikel ist aus [3] entnommen und stellt eine vereinfachte Form der De Sitterschen Raum-Zeit als geschlossenes Modell dar: ist die Zeitkoordinate, und mit repräsentiert eine der drei Winkelkoordinaten. Wir starten vom Punkt , und fragen, zu welchen Punkten der Raum-Zeit man längs einer Geodäten gelangen kann. Bei raumartigen Geodäten (im Bild mit 1 gekennzeichnet) sind alle Geodäten geschlossen und treffen sich im Antipodenpunkt , , (der natürlich mit , identifiziert ist). Lichtartige Geodäten 2 und zeitartige Geodäten 3, die aus dem Punkt , starten, verbleiben vollständig im Intervall . Ergebnis: der Bereich innerhalb der 4 Strich-Punkt-Linien ist der Bereich, zu dem man von vom Punkt , aus vermittels einer Geodäten gelangen kann. Das ist also keinesfalls die gesamte Raum-Zeit, also gilt, und das ist sicher ihre eigenartigste Eigenschaft: Die De Sittersche Raum-Zeit ist nicht geodätisch zusammenhängend, obwohl sie zusammenhängend und geodätisch vollständig ist.131313In der Riemannschen Geometrie gilt dagegen: in einem zusammenhängenden geodätisch vollständigen Raum lassen sich je zwei Punkte durch einen Geodätenabschnitt verbinden. Der Grund, weshalb dieses Ergebnis nicht auf die Pseudoriemannsche Geometrie übertragbar ist, liegt darin, daß beim Beweis für Riemannsche Räume die Kompaktheit der Drehgruppe benötigt wird, die Lorentzgruppe, das Pseudoriemannsche Analogon dazu, jedoch nicht kompakt ist.
Beschränkt man sich auf kausale Geodäten, so ist das analoge Ergebnis etwas weniger erstaunlich, es gilt: Ein Beobachter, der für alle Zeiten im Punkt ruht, kann nicht von allen Ereignissen Kenntnis erhalten, es gibt also auch für ihn einen Horizont. Die Lage dieses Horizonts ändert sich kontinuierlich mit der Lage des Beobachters, der Horizont ist also überhaupt nicht beobachterunabhängig lokalisierbar.
3 Das inflationäre Weltmodell
Das Standardmodell des Universums ist im einfachsten Fall durch ein räumlich ebenes Friedmannmodell (9) gegeben, das bei zunächst durch , zu späterer Zeit dann durch spezifiziert ist. Der Exponent gilt in der Strahlungsphase (dem heißen Urknall), der Exponent in der heutigen Phase.
Es gibt allerdings eine Reihe von Problemen, die innerhalb dieses Modells nicht gelöst werden können. Eines davon ist folgendes: Die beobachtetet kosmische Hintergrundstrahlung (also das inzwischen stark ausgekühlte heute beobachtbare Relikt des Urknalls) erscheint uns aus allen Richtungen mit ziemlich gleichen Eigenschaften. Diese Strahlung stammt nach dem Standardmodell allerdings aus Gebieten der Raum-Zeit, die zuvor keinerlei Kausalkontakt gehabt haben konnten. Es muß also irgendeinen Mechanismus gegeben haben, der eine solche Synchronisierung auslöst.
Es stellt sich heraus, daß sich dies Problem am einfachsten dadurch lösen läßt, daß man annimmt, daß zwischen diesen beiden Phasen eine endliche Zeit lang eine inflationäre Phase der kosmischen Entwicklung stattgefunden haben muß. Und diese wird durch einen Skalenfaktor
beschrieben, dabei ist der Hubbleparameter. Ist ein positive Konstante, so ist dies die exakte De Sittersche Raum-Zeit (15). Erlaubt man eine leichte Zeitabhängigkeit von , so spricht man von einem quasinflationären Modell, das ebenfalls die Probleme des Standardmodells lösen kann. Es gibt unterschiedliche Theorien, wie man zu dieser inflationären Phase gelangen kann: Z.B. durch Auswirkungen einer höherdimensionalen Welt (verschiedene Kaluza-Klein-Modelle), durch Wirkungen eines zusätzlichen Materiefeldes (Skalarfeld nach Brans und Dicke, Dilatonfeld, Higgsfeld u.a.), oder durch die Berücksichtigung von Quanteneffekten.
Letztere führen dann effektiv zu Korrekturtermen höherer Ordnung in der Einsteinschen Feldgleichung; siehe z.B. [9] für Details. Dabei sind es die Terme vierter Ordnung, die das Auftreten eine quasi-De Sitter-Phase als transienten Attraktor ergeben. Bei diesem Modell werden also weder zusätzliche Felder noch höhere Dimensionen eingeführt, um die inflationäre Phase zu erzeugen. Da es ein Attraktor ist, benötigt man auch keine speziellen Anfangswerte, um die Phase zu haben. Da der Attraktor transient ist, endet die inflationäre Phase auf jeden Fall nach endlicher Zeit, da die Feldgleichungen bei großen Werten einen Übergang in die Phase erzwingen; das graceful exit-Problem anderer Inflationsmodelle tritt hier also gar nicht erst auf.
Abschließend zwei Bemerkungen zur Anwendung der De Sitterschen Raum-Zeit in der Kosmologie: Erstens: Die Tatsache, daß sie in der meist verwendeten Darstellung (15) gar nicht geodätisch vollständig ist, wird zwar selten explizit vermerkt, spielt jedoch kaum eine Rolle, da inzwischen alle kosmologischen Modelle davon ausgehen, daß sowohl vor als auch nach der inflationären Phase ein andersgeartetes Expansionsgesetz gilt, und der Urknall selbst sowieso nicht mit der klassischen Relativitätstheorie behandelt werden kann. Zweitens: Die Lage des Horizonts ist, wie oben gesagt, vom Beobachter abhängig, anders ist es mit seiner Größe: die ist im homogenen Weltmodell für alle ruhenden Beobachter genauso groß. Dies wird bei der Theorie der Galaxienentstehung angewendet.
4 Einsteins Arbeit zu de Sitters Weltmodell
In seiner Abhandlung [1] “Kritisches zu einer von Hrn. De Sitter gegebenen Lösung der Gravitationsgleichungen” schreibt Einstein: “Gegen die Zulässigkeit dieser Lösung scheint mir aber ein schwerwiegendes Argument zu sprechen, das im folgenden dargelegt werden soll.” Dazu zitieren wir zunächst aus [8]: “Einstein gibt einen ‘Beweis’ dafür an, daß der Horizont eines Schwarzen Lochs von keinem Teilchen überschritten werden kann; beseitigt man den Denkfehler bei Einstein, erhält man das korrekte Resultat, daß ein Teilchen zwar von außen nach innen, nicht aber von innen nach außen diesen Horizont queren kann. Das Verständnis dieser Aussage läßt sich weiter verbessern, wenn man sich entschließt, den “Bereich innerhalb des Horizonts” in “Bereich nach dem Horizont” umzubenennen, eine wegen des Relativitätsprinzips absolut zulässige Vorgehensweise. Denn daß der “Bereich nach dem Horizont” von keinem Teilchen mehr verlassen werden kann, ist auch ohne Detailkenntnis der Relativitätstheorie verstehbar: Der Horizont heißt dann Gegenwart, und oben genannte Eigenschaft des Horizonts, nur in einer Richtung durchschritten werden zu können, drückt dann einfach die Alltagserfahrung aus, daß die Vergangenheit nicht mehr zu ändern ist.
Der genannte Fehler von Einstein wird auch heute noch vielfach wiederholt. Es handelt sich um einen eigenartigen Verdrängungsmechanismus: Die Formeln werden korrekt aufgeschrieben, es wird explizit gesagt, daß Raum und Zeit hinfort keine Eigenbedeutung mehr haben sondern zur Raum-Zeit verschmelzen, und kurz danach bedient man sich unbefangen solcher Wörter wie “innerhalb” oder “danach”, so als ob ihre umgangssprachliche Bedeutung auch im Rahmen der Relativitätstheorie noch gültig wäre. Bei der genannten Trefftz-schen Lösung (11) besteht das Problem darin, daß die mit der Variable bzw. (von “radius”) bezeichnete Koordinate am Horizont ihren Charakter von raumartig zu zeitartig verändert.”
Gehen wir nun etwas detaillierter in die Arbeiten von Einstein: In [1], also am 7. März 1918, berechnet er zunächst das, was in heutiger Sprechweise (siehe oben) “Horizont eines im Ursprung ruhenden Teilchens” genannt wird, dazu schreibt er: “Bis zum Beweise141414Anmerkung: Anfang des 20. Jahrhunderts war “Beweise” noch die korrekte Dativform des Wortes “Beweis” in Singular. des Gegenteils ist also anzunehmen, daß die De Sittersche Lösung in der im Endlichen gelegenen Fläche eine echte Singularität aufweist, d.h. den Feldgleichungen bei keiner Wahl der Koordinaten entspricht.” An dieser Stelle irrt er zwar, jedoch ist sein Vorgehen durchaus nachvollziehbar, und als Forschungsansatz auch akzeptabel: er hat sich bemüht, die singuläre Stelle durch eine Änderung der Koordinaten zu beseitigen, er fand solche Koordinaten aber nicht. Zudem paßte diese Lösung so gar nicht in das Bild, das er sich zum damaligen Zeitpunkt von der Relativitätstheorie gemacht hatte, er drückt das, also im März 1918, wie folgt aus: “Bestände die De Sittersche Lösung überall zu Recht, so würde damit gezeigt sein, daß der durch die Einführung des “-Gliedes” von mir beabsichtigte Zweck nicht erreicht wäre.” Erst Jahre später sollte er erkennen, daß dieser Zweck tatsächlich nicht erreicht wurde.
Kommentieren wir nun abschließend nochmals die Einsteinsche Arbeit [10] vom 23. November 1922. Er verwendet die Bezeichnung
und diskutiert die Nullstellen von in bezug auf Metrik (11). Nach unseren Vorüberlegungen aus Abschnitt 2 ist hier zu folgern: Solche Nullstellen ergeben einen Horizont und keine echte Singularität. Einstein schreibt jedoch: “Nach (1) ist die Ganggeschwindigkeit einer Einheitsuhr, welche an jenem Orte ruhend angeordnet wird. Das Verschwinden von bedeutet also eine wahre Singularität des Feldes.” Gleichwohl ist diese Äußerung Einsteins nicht ausdrücklich falsch, vielmehr ist diese Diskrepanz ein Ausdruck der Tatsache, daß heutzutage für die Regularität einer Raum-Zeit nicht mehr gefordert wird, daß ruhende Einheitsuhren als Zeitvergleichsapparatur möglich sein sollten, wie dies Einstein offensichtlich noch gefordert hat.
Literatur
[1] Einstein, A.: Kritisches zu einer von Hrn. De Sitter gegebenen Lösung der Gravitationsgleichungen, Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften, Phys.-Math. Klasse, 1918, Seite 270-272.
[2] De Sitter, W.: Over de Kromming der ruimte, Koninklijke Akademie van Wetenschappen te Amsterdam 26 (1917) 222-236. Die englischsprachige Variante des original niederländischen Texts erschien als: On the curvature of space, Proc. Amsterdam 20 (1918) 229. De Sitter, W.: On Einstein’s theory of gravitation, and its astronomical consequences, Monthly Notices Royal Astron. Soc. 76 (1916) 699. In denselben Zeitschriften erschienen auch eine ganze Reihe von weiteren Arbeiten de Sitters zu ähnlichen Themen.
[3] Schmidt, H.-J.: On the de Sitter space-time - the geometric foundation of inflationary cosmology, Fortschr. Phys. 41 (1993) 179-199.
[4] Schutz, B.: Gravity from the ground up, Cambridge University Press 2003.
[5] Stephani, H.: General Relativity, Cambridge University Press 1982. Die deutschsprachige Originalausgabe erschien als: Allgemeine Relativitätstheorie, Verlag der Wissenschaften Berlin 1977.
[6] Hawking, S. W., Ellis, G. F. R.: The large scale structure of space-time, Cambridge University Press 1973.
[7] Landau, L. D., Lifschitz, E. M.: Klassische Feldtheorie, Akademieverlag Berlin 1962, Übersetzung aus dem Russischen, Originaltitel: Teoria polja, Verlag Nauka, Moskau 1958.
[8] Schmidt, H.-J.: Zur Beweiskraft von Bildern in Mathematik und Astrophysik, Beitrag zur Monographie: “Im Zwischenreich der Bilder”, Hrg.: Jacobi, R., Marx, B., Strohmaier-Wiederanders, G., zugleich Band 35 der Reihe “Erkenntnis und Glaube”, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2004, Seite 267-276.
[9] Schmidt, H.-J.: Stability and Hamiltonian formulation of higher derivative theories, Phys. Rev. D49 (1994) 6354-6366; Erratum Phys. Rev. D54 (1996) 7906; diese Arbeit ist als Preprint gr-qc/9404038 in www.arxiv.org einsehbar.
[10] Einstein, A.: Bemerkung zu der Abhandlung von E. Trefftz: “Das statische Gravitationsfeld zweier Massenpunkte in der Einsteinschen Theorie”, Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, Phys.-Math. Klasse, 1922, Seite 448-449.
©(2005) Hans-Jürgen Schmidt