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Der Weg von der mikroskopischen Vielteilchen-Theorie
zur makroskopischen Hydrodynamik

Rudolf Haussmann Fachbereich Physik, Universität Konstanz, D-78457 Konstanz, Deutschland rudolf.haussmann@uni-konstanz.de [
(24. Februar 2016;  veröffentlicht in  Journal of Physics Condensed Matter 28, 113001 (2016))
Zusammenfassung

Ausgehend von der mikroskopischen Beschreibung einer Flüssigkeit durch eine beliebige lokale Theorie für wechselwirkende Vielteilchensysteme wird mittels Methoden der statistischen Physik für Nichtgleichgewichtssysteme gezeigt, wie allgemein hydrodynamische Gleichungen hergeleitet werden können. Für die Dichten von den Erhaltungsgrößen werden Bewegungsgleichungen gefunden mit drei Arten von Termen: reversiblen, dissipativen und fluktuierenden. Zunächst sind diese Gleichungen vollständig exakt und enthalten räumlich und zeitlich nicht lokale Terme, die Gedächtniseffekte beschreiben. Mit wenigen Näherungen werden die nicht lokalen Eigenschaften und die Gedächtniseffekte entfernt, und man erhält die bekannten hydrodynamischen Gleichungen einer normalen Flüssigkeit mit gaußischen stochastischen Kräften. Anschließend wird untersucht, wie die Zeitumkehrinvarianz der mikroskopischen Theorie gebrochen wird und wie der zweite Hauptsatz der Thermodynamik zustande kommt. Weiterhin wird gezeigt, dass die hydrodynamischen Gleichungen mit Fluktuationen äquivalent zu stochastischen Langevin-Gleichungen und zugehörigen Fokker-Planck-Gleichungen sind. Zum Schluss wird das Fluktuations-Theorem untersucht und mit einem Zusatzterm erweitert.

pacs:
47.10.-g, 05.30.-d, 05.70.Ln, 05.40.-a

I Einleitung

Eine Flüssigkeit ist ein dicht gepacktes System aus vielen Atomen oder Molekülen, die über Kräfte elektromagnetischen Ursprungs miteinander wechselwirken. Die Teilchen bewegen sich nahezu in einem thermischen Gleichgewicht, das zumindest lokal auf kleinen Längenskalen ausgebildet ist. Die Temperatur ist hinreichend hoch, so dass das Vielteilchensystem nicht fest ist, sondern die fließenden Bewegungen einer Flüssigkeit ausführen kann HM86 .

Auf mikroskopischer Ebene wird das Vielteilchensystem durch eine klassische oder eine Quanten-Theorie beschrieben, welche die Bewegung von Atomen oder Molekülen modelliert, die über ein beliebiges Feld miteinander wechselwirken Ma00 ; LL09 . Eine detaillierte Ausarbeitung und Lösung einer solchen mikroskopischen Theorie ist in der Praxis nahezu unmöglich wegen der starken Wechselwirkung in der Flüssigkeit und der extrem großen Anzahl von Freiheitsgraden durch die extrem vielen Teilchen. Es sind nur Näherungen im Rahmen einer Störungstheorie mit Feynman-Diagrammen möglich.

Auf makroskopischer Ebene verhält sich eine Flüssigkeit deutlich einfacher. Auf kurzen Längen- und Zeitskalen befindet sich die Flüssigkeit lokal in einem thermischen Gleichgewicht. Auf großen Längen- und Zeitskalen ist sie im Nichtgleichgewicht. Sie fließt und transportiert Masse, Impuls und Wärme wie ein kontinuierliches Medium. Die Anzahl der Freiheitsgrade, die hierbei eine Rolle spielen, ist deutlich geringer.

Die makroskopische Bewegung eines Kontinuums wird durch eine Theorie beschrieben, die unter dem Namen Hydrodynamik bekannt ist LL06 . Es werden phänomenologische Gleichungen aufgestellt welche die Erhaltungssätze der physikalischen Größen Masse, Impuls und Energie auf lokaler Ebene erfüllen. Diese phänomenologischen Gleichungen sind Kontinuitätsgleichungen für die Dichten und Stromdichten der physikalischen Größen. Man erhält ein geschlossenes System von solchen Gleichungen, indem man geeignete Ansätze für die Stromdichten macht und diese wiederum durch die Dichten und die Gradienten von den Dichten ausdrückt.

Die Stromdichten enthalten zum einen reversible Terme, welche aus der Kinematik der zugrunde liegenden mikroskopischen Theorie bestimmt werden. Zum zweiten enthalten sie dissipative Terme, welche durch die komplizierten Wechselwirkungen der vielen Teilchen erzeugt und durch einen linearen Ansatz mit Gradienten der intensiven thermdynamischen Variablen wie Temperatur, Geschwindigkeit und chemisches Potential modelliert werden. Zum dritten enthalten sie fluktuierende Terme, welche durch gaußische stochastische Kräfte dargestellt werden LL09 .

In dieser Arbeit wird ein wohl etablierter Weg beschrieben, wie man die hydrodynamischen Gleichungen konsequent aus der mikroskopischen Theorie eines wechselwirkenden Vielteilchensystems herleiten kann. Wir verbinden die eher herkömmlichen Herleitungen mit neueren Themen der statistischen Theorie von Systemen fern vom Gleichgewicht, und zwar dem GENERIC-Formalismus GO97A ; GO97B ; Ot05 und dem Fluktuations-Theorem Ev93 ; Ev94 ; Ev02a ; Ja97A ; Ja97B . Ein größerer Teil dieser Arbeit widmet sich den Fluktuationen. Die herkömmlichen Darstellungen behandeln die Fluktuationen in linearer Antwort in der Nähe des Gleichgewichts, wobei die Korrelationsfunktionen im thermischen Gleichgewicht berechnet werden KM63 ; Fo75 . In dieser Arbeit jedoch betrachten wir die Hydrodynamik und die Fluktuationen im Nichtgleichgewicht in einer vollständig nichtlinearen Weise. Wir leiten nichtlineare stochastische Differentialgleichungen mit multiplikativem Rauschen her, so dass die Fluktuationen nichtlinear von den hydrodynamischen Variablen abhängen.

Ausgangspunkt in Kapitel II ist die Liouville-von-Neumann-Gleichung für die Dichtematrix ϱ(t)italic-ϱ𝑡\varrho(t) des Quantensystems. Mittels Projektionsoperatoren Gr82 werden die Freiheitsgrade des Vielteilchensystems unterteilt in relevante, welche die hydrodynamischen Eigenschaften auf makroskopischer Ebene beschreiben, und restliche irrelevante. Eine relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) wird definiert durch Maximieren der Entropie unter der Nebenbedingung, dass die relevanten Variablen die exakten Erwartungswerte haben.

In Kapitel III werden die restlichen irrelevanten Freiheitsgrade eliminiert. Als Ergebnis erhält man für die relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) eine Mastergleichung mit Gedächtniseffekten und fluktuierenden Termen, welche unter dem Namen Robertson-Gleichung bekannt ist Ro66 . Durch Bildung von Erwartungswerten mit den relevanten Variablen erhält man daraus Bewegungsgleichungen für die makroskopischen Freiheitsgrade, welche ohne irgendeine Näherung bereits die Form von verallgemeinerten hydrodynamischen Gleichungen haben. Wir folgen hier der Darstellung von Fick und Sauermann FS90 . Anschließend zeigen wir, dass die verallgemeinerten hydrodynamischen Gleichungen bereits in ihrer exakten Form ohne Näherung in die Schreibweise des GENERIC-Formalismus von Grmela und Öttinger GO97A ; GO97B ; Ot05 übergeführt werden können, einschließlich aller Nebenbedingungen für die Funktional-Ableitungen von Entropie, Energie, Impuls und Teilchenzahl. An dieser Stelle sind unsere Gleichungen noch etwas allgemeiner als jene von Grmela und Öttinger, weil unsere Gleichungen die Gedächtniseffekte einschließen, die letzteren jedoch nicht.

Für eine korrekte Behandlung der Fluktuationen muss die Dichtematrix einen reinen Zustand darstellen und die Form ϱ(t)=|Ψ(t)Ψ(t)|italic-ϱ𝑡ketΨ𝑡braΨ𝑡\varrho(t)=|\Psi(t)\rangle\langle\Psi(t)| haben, und zwar für alle Zeiten t𝑡t. Der Projektionsoperator-Formalismus liefert eine Formel für die fluktuierenden Kräfte, welche explizit von der Dichtematrix des Anfangszustandes ϱ(t0)italic-ϱsubscript𝑡0\varrho(t_{0}) zur Anfangszeit t0subscript𝑡0t_{0} abhängt. Aus diesem Grunde wählen wir ϱ(t0)=|Ψ0Ψ0|italic-ϱsubscript𝑡0ketsubscriptΨ0brasubscriptΨ0\varrho(t_{0})=|\Psi_{0}\rangle\langle\Psi_{0}| und erhalten somit nichttriviale fluktuierende Kräfte. Andererseits verwenden die konventionellen Theorien Ro66 ; FS90 für den Anfangszustand eine relevante Dichtematrix ϱ(t0)=ϱ~(t0)italic-ϱsubscript𝑡0~italic-ϱsubscript𝑡0\varrho(t_{0})=\tilde{\varrho}(t_{0}). In Folge dessen sind die fluktuierenden Kräfte null für alle Zeiten, so dass die konventionellen Theorien die Fluktuationen gar nicht erst berücksichtigen.

In Kapitel IV werden die Näherungen und Symmetrie-Überlegungen durchgeführt, welche auf die hydrodynamischen Gleichungen mit Fluktuationen in ihrer bekannten Form führen. Zunächst werden alle Gedächtniseffekte weggelassen, und man erhält die hydrodynamischen Gleichungen in der Schreibweise des GENERIC-Formalismus, wie sie ursprünglichen von Grmela und Öttinger GO97A ; GO97B ; Ot05 aufgestellt wurden. Die reversiblen Terme lassen sich durch Poisson-Klammern der Dichten mit der Energie des Systems darstellen wie dies zuvor von Dzyaloshinskii und Volovik DV80 gemacht wurde. Weiterhin werden die dissipativen Terme mit einer lokalen Näherung vereinfacht, und die fluktuierenden Terme werden durch gaußische stochastische Kräfte modelliert. Die Stärke der Dissipationen und der Fluktuationen wird gemäß dem Fluktuations-Dissipations-Theorem durch eine Onsager-Matrix parametrisiert, welche sich aus Symmetriegründen mit nur drei Parameter darstellen läßt, der Scherviskosität η𝜂\eta, der Volumenviskosität ζ𝜁\zeta und der Wärmeleitfähigkeit ϰitalic-ϰ\varkappa. Zwar können die Transportkoeffizienten η𝜂\eta, ζ𝜁\zeta, and ϰitalic-ϰ\varkappa im Prinzip explizit und quantitativ berechnet werden. Wir betrachten sie jedoch als phänomenologische Parameter, die experimentell bestimmt werden müssen. Als Ergebnis erhalten wir schließlich die aus allgemeinen Lehrbüchern bekannten hydrodynamischen Gleichungen einer normalen Flüssigkeit mit Fluktuationen LL06 ; LL09 .

In Kapitel V untersuchen wir die in der Thermodynamik und Hydrodynamik bekannte Brechung der Zeitumkehrinvarianz und den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Zur Überraschung finden wir, dass die Summe der dissipativen und der fluktuierenden Terme die Zeitumkehrinvarianz nicht bricht, zumindest in der exakten Theorie von Kapitel III bevor irgendwelche Näherungen gemacht werden. In Kapitel VI zeigen wir einen Zusammenhang der hydrodynamischen Gleichungen mit stochastischen Langevin-Gleichungen und einer zugehörigen Fokker-Planck-Gleichung. Wir untersuchen die Lösung dieser Gleichungen im thermischen Gleichgewicht und finden eine großkanonische Boltzmann-Verteilung. Weiterhin finden wir, dass im thermischen Gleichgewicht die Entropie im Mittel konstant bleibt, wie es auch sein muss.

In Kapitel VII untersuchen wir, in wie weit das Fluktuations-Theorem von Evans et al. Ev93 ; Ev94 ; Ev02a und die Jarzynski-Gleichung Ja97A ; Ja97B auf eine normale Flüssigkeit anwendbar sind. Zunächst zeigen wir, dass die Herleitung des Fluktuations-Theorems von Crooks Cr98 ; Cr99 ; Cr00 erfolgreich auf den GENERIC-Formalsimus übertragen werden kann. Wir sind jedoch mit dem Ergebnis nicht zufrieden, weil die Variable des Fluktuations-Theorems nicht die Entropie-Änderung der Flüssigkeit ist. Aus diesem Grunde leiten wir aus unserer Theorie ein modifiziertes Fluktuations-Theorem und eine modifiziertes Jarzynski-Gleichung für die Entropie-Änderung her mit einem Zusatzterm. Diesen Zusatzterm berechnen wir explizit und finden eine Ultraviolett-Divergenz für eine normale Flüssigkeit. Nach der Regularisierung mit einer minimalen Längenskala für die räumlichen Variationen der Fluktuationen wird der Zusatzterm zwar endlich, hängt jedoch stark von der Größe dieser minimalen Länge ab. Abschließende Bemerkungen folgen dann in Kapitel VIII.

II Quantenstatistik für Vielteilchensysteme

Wir gehen davon aus, dass eine Flüssigkeit oder ein Gas beschrieben wird durch eine mikroskopische Theorie für ein System von vielen Teilchen, die miteinander über ein Feld wechselwirken. Eine ziemlich allgemeines fundamentales Modell für das System geht aus von den Atomkernen und den Elektronen in der Materie, welche mit einander über ein elektromagnetisches Feld wechselwirken. Im allgemeinsten Fall sind die Teilchen Quarks und Leptonen, die miteinander wechselwirken über Eichfelder für die starke, schwache und elektromagnetische Wechselwirkung.

Die mikroskopische Theorie kann nichtrelativistisch oder relativistisch sein, klassisch oder quantenmechanisch. Welches mikroskopisches Modell für das Vielteilchen-System im Speziellen gewählt wird, ist am Ende für unsere Betrachtungen nicht so wichtig. Das Modell muss nur einige wenige sehr allgemeine Bedingungen erfüllen. Es müssen einige Erhaltungsgrößen vorhanden sein, welche durch Integrale von lokalen Dichten dargestellt werden können. Für eine gewöhnliche nichtrelativistische Flüssigkeit wären dies die Masse, der Impuls und die Energie, definiert durch

M^(t)^𝑀𝑡\displaystyle\hat{M}(t) =\displaystyle= ddrρ^(𝐫,t),superscript𝑑𝑑𝑟^𝜌𝐫𝑡\displaystyle\int d^{d}r\ \hat{\rho}(\mathbf{r},t)\ , (1)
𝐏^(t)^𝐏𝑡\displaystyle\hat{\mathbf{P}}(t) =\displaystyle= ddr𝐣^(𝐫,t),superscript𝑑𝑑𝑟^𝐣𝐫𝑡\displaystyle\int d^{d}r\ \hat{\mathbf{j}}(\mathbf{r},t)\ , (2)
E^(t)^𝐸𝑡\displaystyle\hat{E}(t) =\displaystyle= ddrε^(𝐫,t).superscript𝑑𝑑𝑟^𝜀𝐫𝑡\displaystyle\int d^{d}r\ \hat{\varepsilon}(\mathbf{r},t)\ . (3)

Die Dimension des Raumes bezeichnen wir mit d𝑑d. Um die Formeln so allgemein wie möglich zu halten, lassen wir zunächst beliebige Werte für d𝑑d zu. Es muss jedoch d>2𝑑2d>2 gelten, um das System von einem hydrodynamischer Selbstmord abzuhalten Br89 . Am Ende setzen wir d=3𝑑3d=3 für eine gewöhnliche Flüssigkeit ein. Die Funktionen in den Integralen sind die Massendichte ρ^(𝐫,t)^𝜌𝐫𝑡\hat{\rho}(\mathbf{r},t), die Impulsdichte 𝐣^(𝐫,t)^𝐣𝐫𝑡\hat{\mathbf{j}}(\mathbf{r},t) und die Energiedichte ε^(𝐫,t)^𝜀𝐫𝑡\hat{\varepsilon}(\mathbf{r},t). Die Dächer über den Symbolen in den Gleichungen (1)-(3) zeigen an, dass die physikalischen Größen quantenmechanische Operatoren sind. Im Folgenden gehen wir immer davon aus, dass das mikroskopische Vielteilchen-System durch eine Quanten-Theorie beschrieben wird. Wir treffen diese Wahl, weil in diesem Fall die Formeln einfacher und kompakter sind. Alle nachfolgenden Betrachtungen und Berechnungen können alternativ auch mit einer klassischen Theorie für das mikroskopische System durchgeführt werden.

Erhaltungsgrößen sind nach Definition konstant in der Zeit. Folglich werden sich die Dichten von diesen Erhaltungsgrößen langsam mit der Zeit verändern, wenn man Variationen auf großen Längenskalen betrachtet. Wir schließen daraus, dass sich die Dichten der Erhaltungsgrößen als relevante Variablen eignen, um die physikalischen Eigenschaften auf makroskopischen Skalen, also großen Längenskalen und großen Zeitskalen zu beschreiben. Für eine normale Flüssigkeit sind dies die Massendichte ρ^(𝐫,t)^𝜌𝐫𝑡\hat{\rho}(\mathbf{r},t), die Impulsdichte 𝐣^(𝐫,t)^𝐣𝐫𝑡\hat{\mathbf{j}}(\mathbf{r},t) und die Energiedichte ε^(𝐫,t)^𝜀𝐫𝑡\hat{\varepsilon}(\mathbf{r},t).

Explizite Formeln für die Erhaltungsgrößen (1)-(3) erhält man aus dem Noether-Theorem. Man leitet diese aus den kontinuierlichen Symmetrien des physikalischen Systems her, in dem man die Lagrange-Dichte \mathcal{L} betrachtet. Für unsere Berechnungen und Untersuchungen ist es sehr wichtig, dass die zugrunde liegende mikroskopische Theorie lokal in Raum und Zeit ist. Das Bedeutet, es gibt eine lokale Lagrange-Dichte \mathcal{L}, die über das Noether-Theorem lokale Ausdrücke für die Dichten der Erhaltungsgrößen ρ^(𝐫,t)^𝜌𝐫𝑡\hat{\rho}(\mathbf{r},t), 𝐣^(𝐫,t)^𝐣𝐫𝑡\hat{\mathbf{j}}(\mathbf{r},t) und ε^(𝐫,t)^𝜀𝐫𝑡\hat{\varepsilon}(\mathbf{r},t) liefert. Da die makroskopischen relevanten Variablen als Mittelwerte oder Erwartungswerte dieser Dichten definiert werden, garantiert diese Forderung wohldefinierte hydrodynamische Variablen.

Ein Gegenbeispiel dazu ist die häufig verwendete Theorie für ein System aus vielen Teilchen, die miteinander über ein Zweiteilchen-Potential V(𝐫1𝐫2)𝑉subscript𝐫1subscript𝐫2V(\mathbf{r}_{1}-\mathbf{r}_{2}) wechselwirken. Der zugehörige Hamilton-Operator H^^𝐻\hat{H} ist räumlich nicht lokal. Dies führt zu nichtlokalen Ausdrücken für die Energiedichte ε^(𝐫,t)^𝜀𝐫𝑡\hat{\varepsilon}(\mathbf{r},t). In Folge davon wird es schwierig, wohldefinierte Formeln für die zugehörigen Stromdichten in den Kontinuitätsgleichungen zu finden. In diesem Fall empfehlen wir, das mikroskopische Modell für das physikalisch System so zu erweitern, dass die Wechselwirkung über irgend ein lokales Feld vermittelt wird. Das Feld und die Wechselwirkung sollten so gewählt werden, dass das Zweiteilchen-Potential V(𝐫1𝐫2)𝑉subscript𝐫1subscript𝐫2V(\mathbf{r}_{1}-\mathbf{r}_{2}) als effektive Wechselwirkung herauskommt, wenn man das lokale Feld ausintegriert.

Eine weitere Erhaltungsgröße ist der Drehimpuls

𝐋^(t)=ddr𝐥^(𝐫,t),^𝐋𝑡superscript𝑑𝑑𝑟^𝐥𝐫𝑡\hat{\mathbf{L}}(t)=\int d^{d}r\ \hat{\mathbf{l}}(\mathbf{r},t)\ , (4)

welcher mit der Symmetrie des Systems unter Drehungen zusammenhängt. Die Drehimpuls-Dichte lässt sich in der Form

𝐥^(𝐫,t)=𝐫×𝐣^(𝐫,t)+𝐬^(𝐫,t)^𝐥𝐫𝑡𝐫^𝐣𝐫𝑡^𝐬𝐫𝑡\hat{\mathbf{l}}(\mathbf{r},t)=\mathbf{r}\times\hat{\mathbf{j}}(\mathbf{r},t)+\hat{\mathbf{s}}(\mathbf{r},t) (5)

schreiben, wobei der erste Term den Bahndrehimpuls und der zweite Term den Spindrehimpuls der Teilchen darstellt. Die Formel (5) erhält man aus dem Noether-Theorem, zusammen mit einem expliziten Ausdruck für die Spindichte 𝐬^(𝐫,t)^𝐬𝐫𝑡\hat{\mathbf{s}}(\mathbf{r},t). Wie üblich lässt sich der Bahndrehimpuls durch die Radialkoordinate 𝐫𝐫\mathbf{r} und den linearen Impuls 𝐣^(𝐫,t)^𝐣𝐫𝑡\hat{\mathbf{j}}(\mathbf{r},t) darstellen.

Nach Belinfante Be39 und nach Martin et al. MPP72 können wir die Impulsdichte 𝐣^(𝐫,t)^𝐣𝐫𝑡\hat{\mathbf{j}}(\mathbf{r},t) modifizieren, indem wir einen Beitrag hinzufügen, welcher mit der Spindichte zusammenhängt. Die Impulsdichte bleibt dabei die Dichte einer Erhaltungsgröße. Die zugehörige Drehimpulsdichte wird dann einfach durch die Formel 𝐥^(𝐫,t)=𝐫×𝐣^(𝐫,t)^𝐥𝐫𝑡𝐫^𝐣𝐫𝑡\hat{\mathbf{l}}(\mathbf{r},t)=\mathbf{r}\times\hat{\mathbf{j}}(\mathbf{r},t) gegeben und hängt ausschließlich von der modifizierten linearen Impulsdichte 𝐣^(𝐫,t)^𝐣𝐫𝑡\hat{\mathbf{j}}(\mathbf{r},t) ab. Ursprünglich wurde dieses Konzept von Belinfante Be39 für relativistische Feldtheorien mit einer Lagrange-Dichte \mathcal{L} entwickelt, wobei die Dichten der Erhaltungsgrößen durch das Noether-Theorem definiert werden. Später wurde es von Martin et al. MPP72 auf die Hydrodynamik übertragen. In Folge ist die Drehimpulsdichte 𝐥^(𝐫,t)^𝐥𝐫𝑡\hat{\mathbf{l}}(\mathbf{r},t) keine unabhängige Größe. Aus diesem Grunde werden wir die Drehimpulsdichte im Folgenden dieser Arbeit nicht weiter betrachten.

II.1 Quantendynamik

Nachdem wir die relevanten Variablen für eine normale Flüssigkeit durch einige wenige Dichten von Erhaltungsgrößen identifiziert haben, benötigen wir eine Bewegungsgleichung für die zeitliche Entwicklung dieser Größen. Wenn wir eine solche Dichte allgemein bezeichnen durch den lokalen quantenmechanischen Operator a^(𝐫,t)^𝑎𝐫𝑡\hat{a}(\mathbf{r},t), so wird ihre zeitlichen Entwicklung durch die Heisenberg-Bewegungsgleichung

ita^(𝐫,t)=[a^(𝐫,t),H^(t)]𝑖Planck-constant-over-2-pisubscript𝑡^𝑎𝐫𝑡^𝑎𝐫𝑡^𝐻𝑡i\hbar\,\partial_{t}\,\hat{a}(\mathbf{r},t)=[\hat{a}(\mathbf{r},t),\hat{H}(t)] (6)

beschrieben, wobei der Hamilton-Operator H^(t)=E^(t)^𝐻𝑡^𝐸𝑡\hat{H}(t)=\hat{E}(t) durch die Energie gegeben ist, die in (3) definiert wird. Der quantenphysikalischen Zustand des Systems wird beschrieben durch einen Zustandsvektor im Hilbertraum |ΨketΨ|\Psi\rangle, manchmal auch kurz Wellenfunktion genannt. Der Erwartungswert einer Dichte a^(𝐫,t)^𝑎𝐫𝑡\hat{a}(\mathbf{r},t) wird damit definiert über das Skalarprodukt

a(𝐫)t=Ψ|a^(𝐫,t)|Ψ.subscriptdelimited-⟨⟩𝑎𝐫𝑡quantum-operator-productΨ^𝑎𝐫𝑡Ψ\langle a(\mathbf{r})\rangle_{t}=\langle\Psi|\hat{a}(\mathbf{r},t)|\Psi\rangle\ . (7)

In der Quantenstatistik befindet sich das physikalische System nicht in einem reinen Zustand |ΨketΨ|\Psi\rangle. Vielmehr nimmt man an, dass sich das System in bestimmten zueinander orthogonalen Zuständen |ΨiketsubscriptΨ𝑖|\Psi_{i}\rangle mit Wahrscheinlichkeiten wisubscript𝑤𝑖w_{i} befindet. Der Erwartungswert ist dann gegeben durch

a(𝐫)t=iwiΨi|a^(𝐫,t)|Ψi.subscriptdelimited-⟨⟩𝑎𝐫𝑡subscript𝑖subscript𝑤𝑖quantum-operator-productsubscriptΨ𝑖^𝑎𝐫𝑡subscriptΨ𝑖\langle a(\mathbf{r})\rangle_{t}=\sum_{i}w_{i}\,\langle\Psi_{i}|\hat{a}(\mathbf{r},t)|\Psi_{i}\rangle\ . (8)

Es ist zweckmäßig, die Dichtematrix

ϱ^=iwi|ΨiΨi|^italic-ϱsubscript𝑖subscript𝑤𝑖ketsubscriptΨ𝑖brasubscriptΨ𝑖\hat{\varrho}=\sum_{i}w_{i}\,|\Psi_{i}\rangle\,\langle\Psi_{i}| (9)

einzuführen. Damit bekommt der Erwartungswert die Form

a(𝐫)t=Sp{ϱ^a^(𝐫,t)}.subscriptdelimited-⟨⟩𝑎𝐫𝑡Sp^italic-ϱ^𝑎𝐫𝑡\langle a(\mathbf{r})\rangle_{t}=\mathrm{Sp}\{\hat{\varrho}\,\hat{a}(\mathbf{r},t)\}\ . (10)

Unglücklicherweise werden die Massendichte ρ^^𝜌\hat{\rho} in (1) und die Dichtematrix ϱ^^italic-ϱ\hat{\varrho} in (9) und (10) mit nahezu demselben Buchstaben definiert. Das kann zu Verwechslungen führen. Man muss daher entweder genau hinsehen oder aus dem Kontext schließen, was gerade gemeint ist.

Die Gleichungen (6)-(10) beschreiben die Quantendynamik im Heisenberg-Bild. Hier hängen die Operatoren der beobachtbaren Größen a^(𝐫,t)^𝑎𝐫𝑡\hat{a}(\mathbf{r},t) von der Zeit ab, der Zustandsvektor |ΨketΨ|\Psi\rangle oder die Dichtematrix ϱ^^italic-ϱ\hat{\varrho} sind jedoch konstant. Für unsere Zwecke besser geeignet ist das Schrödinger-Bild. Man erhält es durch die Transformationen

a^(𝐫)^𝑎𝐫\displaystyle\hat{a}(\mathbf{r}) =\displaystyle= exp(iH^t/)a^(𝐫,t)exp(iH^t/),𝑖^𝐻𝑡Planck-constant-over-2-pi^𝑎𝐫𝑡𝑖^𝐻𝑡Planck-constant-over-2-pi\displaystyle\exp(-i\hat{H}t/\hbar)\,\hat{a}(\mathbf{r},t)\,\exp(i\hat{H}t/\hbar)\ , (11)
|Ψ(t)ketΨ𝑡\displaystyle|\Psi(t)\rangle =\displaystyle= exp(iH^t/)|Ψ,𝑖^𝐻𝑡Planck-constant-over-2-piketΨ\displaystyle\exp(-i\hat{H}t/\hbar)\,|\Psi\rangle\ , (12)
ϱ^(t)^italic-ϱ𝑡\displaystyle\hat{\varrho}(t) =\displaystyle= exp(iH^t/)ϱ^exp(iH^t/).𝑖^𝐻𝑡Planck-constant-over-2-pi^italic-ϱ𝑖^𝐻𝑡Planck-constant-over-2-pi\displaystyle\exp(-i\hat{H}t/\hbar)\,\hat{\varrho}\,\exp(i\hat{H}t/\hbar)\ . (13)

Links vom Gleichheitszeichen stehen die Größen im Schrödinger-Bild, rechts im Heisenberg-Bild. Für den Zustandsvektor gilt hier die Schrödinger-Gleichung

it|Ψ(t)=H^|Ψ(t),𝑖Planck-constant-over-2-pisubscript𝑡ketΨ𝑡^𝐻ketΨ𝑡i\hbar\,\partial_{t}|\Psi(t)\rangle=\hat{H}|\Psi(t)\rangle\ , (14)

und für die Dichtematrix die Liouville-von-Neumann-Gleichung

itϱ^(t)=[H^,ϱ^(t)].𝑖Planck-constant-over-2-pisubscript𝑡^italic-ϱ𝑡^𝐻^italic-ϱ𝑡i\hbar\,\partial_{t}\hat{\varrho}(t)=[\hat{H},\hat{\varrho}(t)]\ . (15)

Für die Erwartungswerte schreibt man im Schrödinger-Bild entsprechend

a(𝐫)t=Ψ(t)|a^(𝐫)|Ψ(t)subscriptdelimited-⟨⟩𝑎𝐫𝑡quantum-operator-productΨ𝑡^𝑎𝐫Ψ𝑡\langle a(\mathbf{r})\rangle_{t}=\langle\Psi(t)|\hat{a}(\mathbf{r})|\Psi(t)\rangle (16)

für einen reinen Quantenzustand und

a(𝐫)t=Sp{ϱ^(t)a^(𝐫)}subscriptdelimited-⟨⟩𝑎𝐫𝑡Sp^italic-ϱ𝑡^𝑎𝐫\langle a(\mathbf{r})\rangle_{t}=\mathrm{Sp}\{\hat{\varrho}(t)\,\hat{a}(\mathbf{r})\} (17)

in der Quantenstatistik. Im Folgenden verwenden wir immer das Schrödinger-Bild. Zur Vereinfachung der Schreibweise lassen wir ab jetzt das Dach über einer Variablen zur Kennzeichnung eines Operators weg.

II.2 Quantenstatistik

In der Quantenstatistik definiert man die Entropie durch

S(t)=kBSp{ϱ(t)lnϱ(t)}.𝑆𝑡subscript𝑘𝐵Spitalic-ϱ𝑡italic-ϱ𝑡S(t)=-k_{B}\,\mathrm{Sp}\{\varrho(t)\ln\varrho(t)\}\ . (18)

Hierbei ist kBsubscript𝑘𝐵k_{B} die Boltzmann-Konstante, welche die Einheit der Entropie festlegt. Für einen reinen Quantenzustand ϱ(t)=|Ψ(t)Ψ(t)|italic-ϱ𝑡ketΨ𝑡braΨ𝑡\varrho(t)=|\Psi(t)\rangle\langle\Psi(t)| gilt bekanntlich

S(t)=kBΨ(t)|lnϱ(t)|Ψ(t)=kBln1=0.𝑆𝑡subscript𝑘𝐵quantum-operator-productΨ𝑡italic-ϱ𝑡Ψ𝑡subscript𝑘𝐵10S(t)=-k_{B}\,\langle\Psi(t)|\ln\varrho(t)|\Psi(t)\rangle=-k_{B}\,\ln 1=0\ . (19)

Die Entropie ist also null und konstant für alle Zeiten t𝑡t. Wir greifen eine bestimmte Menge von relevanten Variablen ai(𝐫)subscript𝑎𝑖𝐫a_{i}(\mathbf{r}) heraus, welche die wesentlichen Eigenschaften des physikalischen Systems beschreiben. Für eine normale Flüssigkeit sind das die Dichten von Masse, Impuls und Energie. Wir nehmen an, dass die exakte Lösung der Schrödinger-Gleichung |Ψ(t)ketΨ𝑡|\Psi(t)\rangle und die exakte Lösung der Liouville-von-Neumann-Gleichung ϱ(t)italic-ϱ𝑡\varrho(t) bekannt sind. Dann ist auch die zeitliche Entwicklung der Erwartungswerte der relevanten Variablen

xi(𝐫,t)=ai(𝐫)t=Sp{ϱ(t)ai(𝐫)}subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscriptdelimited-⟨⟩subscript𝑎𝑖𝐫𝑡Spitalic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫x_{i}(\mathbf{r},t)=\langle a_{i}(\mathbf{r})\rangle_{t}=\mathrm{Sp}\{\varrho(t)\,a_{i}(\mathbf{r})\} (20)

exakt bekannt.

In der Quantenstatistik betrachtet man nun einen gemischten Zustand, der durch eine Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) beschrieben wird, welche die Entropie (18) maximiert unter der Nebenbedingung dass die Erwartungswerte der relevanten Variablen die exakten Werte (20) annehmen. Wir bekommen somit eine Maximierungsaufgabe mit Nebenbedingungen

S(t)=kBSp{ϱ~(t)lnϱ~(t)}𝑆𝑡subscript𝑘𝐵Sp~italic-ϱ𝑡~italic-ϱ𝑡\displaystyle S(t)=-k_{B}\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\ln\tilde{\varrho}(t)\} =\displaystyle= maximum,maximum\displaystyle\mathrm{maximum}\ , (21)
Sp{ϱ~(t)ai(𝐫)}Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,a_{i}(\mathbf{r})\} =\displaystyle= xi(𝐫,t),subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle x_{i}(\mathbf{r},t)\ , (22)
Sp{ϱ~(t)}Sp~italic-ϱ𝑡\displaystyle\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\} =\displaystyle= 1.1\displaystyle 1\ . (23)

Die letzte Nebenbedingung garantiert die Normierung der Dichtematrix. Zur Berechnung der Lösung definieren wir das Funktional

Φ[ϱ~(t)]Φdelimited-[]~italic-ϱ𝑡\displaystyle\Phi[\tilde{\varrho}(t)] =\displaystyle= S(t)iddrλi(𝐫,t)xi(𝐫,t)μ(t)1t𝑆𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝜆𝑖𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝜇𝑡subscriptdelimited-⟨⟩1𝑡\displaystyle S(t)-\sum_{i}\int d^{d}r\ \lambda_{i}(\mathbf{r},t)\,x_{i}(\mathbf{r},t)-\mu(t)\,\langle 1\rangle_{t} (24)
=\displaystyle= kBSp{ϱ~(t)lnϱ~(t)}subscript𝑘𝐵Sp~italic-ϱ𝑡~italic-ϱ𝑡\displaystyle-k_{B}\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\ln\tilde{\varrho}(t)\}
iddrλi(𝐫,t)Sp{ϱ~(t)ai(𝐫)}subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝜆𝑖𝐫𝑡Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle-\sum_{i}\int d^{d}r\ \lambda_{i}(\mathbf{r},t)\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,a_{i}(\mathbf{r})\}
μ(t)Sp{ϱ~(t)}𝜇𝑡Sp~italic-ϱ𝑡\displaystyle-\mu(t)\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\}

mit den Langrange-Parametern λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t) und μ(t)𝜇𝑡\mu(t). Als notwendige Bedingung für das Maximum muss die Variation dieses Funktional null ergeben, also

δΦ[ϱ~(t)]𝛿Φdelimited-[]~italic-ϱ𝑡\displaystyle\delta\Phi[\tilde{\varrho}(t)] =\displaystyle= Sp{δϱ~(t)[kB(lnϱ~(t)+1)\displaystyle-\mathrm{Sp}\biggl{\{}\delta\tilde{\varrho}(t)\,\biggl{[}k_{B}(\ln\tilde{\varrho}(t)+1) (25)
+ddrλi(𝐫,t)ai(𝐫)+μ(t)]}=0.\displaystyle+\int d^{d}r\ \lambda_{i}(\mathbf{r},t)\,a_{i}(\mathbf{r})+\mu(t)\biggr{]}\biggr{\}}=0\ .\quad

Die Lösung dieser Gleichung ist die relevante Dichtematrix

ϱ~(t)=[Z(t)]1exp(kB1iddrλi(𝐫,t)ai(𝐫)).~italic-ϱ𝑡superscriptdelimited-[]𝑍𝑡1superscriptsubscript𝑘𝐵1subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝜆𝑖𝐫𝑡subscript𝑎𝑖𝐫\tilde{\varrho}(t)=[Z(t)]^{-1}\,\exp\left(-k_{B}^{-1}\sum_{i}\int d^{d}r\ \lambda_{i}(\mathbf{r},t)\,a_{i}(\mathbf{r})\right)\ . (26)

Anstelle des Lagrange-Parameters μ(t)𝜇𝑡\mu(t) verwenden wir den Normierungsfaktor Z(t)=exp(1+kB1μ(t))𝑍𝑡1superscriptsubscript𝑘𝐵1𝜇𝑡Z(t)=\exp(1+k_{B}^{-1}\mu(t)). Die Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t) und der Normierungsfaktor Z(t)𝑍𝑡Z(t) werden durch Einsetzen von (26) in die Nebenbedingungen (22) und (23) bestimmt.

Die einzigen Parameter, welche in die Maximierungsaufgabe (21)-(23) eingehen, sind die Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t). Folglich definiert die Formel (26) die relevante Dichtematrix in Abhängigkeit der Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t). Diese Abhängigkeit ist jedoch implizit über die Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t) und den Normierungsfaktor Z(t)𝑍𝑡Z(t).

II.3 Thermisches Gleichgewicht

Im thermischen Gleichgewicht ist eine Flüssigkeit räumlich und zeitlich homogen. Folglich sind alle Erwartungswerte der Dichten xi(𝐫,t)=xisubscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑥𝑖x_{i}(\mathbf{r},t)=x_{i}, die Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)=λisubscript𝜆𝑖𝐫𝑡subscript𝜆𝑖\lambda_{i}(\mathbf{r},t)=\lambda_{i} und der Normierungsfaktor Z(t)=Z𝑍𝑡𝑍Z(t)=Z räumlich und zeitlich konstant. Die relevante Dichtematrix (26) vereinfacht sich somit auf

ϱ~eq=Z1exp(kB1iλiddrai(𝐫)).subscript~italic-ϱeqsuperscript𝑍1superscriptsubscript𝑘𝐵1subscript𝑖subscript𝜆𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑎𝑖𝐫\tilde{\varrho}_{\mathrm{eq}}=Z^{-1}\,\exp\left(-k_{B}^{-1}\sum_{i}\lambda_{i}\int d^{d}r\ a_{i}(\mathbf{r})\right)\ . (27)

Setzen wir für ai(𝐫)subscript𝑎𝑖𝐫a_{i}(\mathbf{r}) die Massendichte ρ(𝐫)𝜌𝐫\rho(\mathbf{r}), die Impulsdichte 𝐣(𝐫)𝐣𝐫\mathbf{j}(\mathbf{r}) und die Energiedichte ε(𝐫)𝜀𝐫\varepsilon(\mathbf{r}) ein und verwenden wir die integralen Erhaltungsgrößen (1)-(3), so folgt

ϱ~eq=Z1exp(kB1[λρM+𝝀j𝐏+λεE]).subscript~italic-ϱeqsuperscript𝑍1superscriptsubscript𝑘𝐵1delimited-[]subscript𝜆𝜌𝑀subscript𝝀𝑗𝐏subscript𝜆𝜀𝐸\tilde{\varrho}_{\mathrm{eq}}=Z^{-1}\,\exp\left(-k_{B}^{-1}[\lambda_{\rho}M+\bm{\lambda}_{j}\cdot\mathbf{P}+\lambda_{\varepsilon}E]\right)\ . (28)

Wir führen die neuen Lagrange-Parameter Temperatur T𝑇T, chemisches Potential μ𝜇\mu und Geschwindigkeit 𝐯𝐯\mathbf{v} ein über die Beziehungen

λρ=μ/mT,𝝀j=𝐯/T,λε=1/Tformulae-sequencesubscript𝜆𝜌𝜇𝑚𝑇formulae-sequencesubscript𝝀𝑗𝐯𝑇subscript𝜆𝜀1𝑇\lambda_{\rho}=-\mu/mT\ ,\quad\bm{\lambda}_{j}=-\mathbf{v}/T\ ,\quad\lambda_{\varepsilon}=1/T (29)

und definieren den Teilchenzahloperator N=M/m𝑁𝑀𝑚N=M/m, wobei m𝑚m die Masse eines einzelnen Teilchens ist. Dann finden wir im Ergebnis die großkanonische Boltzmann-Verteilung für eine mit konstanter Geschwindigkeit 𝐯𝐯\mathbf{v} bewegte Flüssigkeit

ϱ~eq=Z1exp((kBT)1[H𝐯𝐏μN]).subscript~italic-ϱeqsuperscript𝑍1superscriptsubscript𝑘𝐵𝑇1delimited-[]𝐻𝐯𝐏𝜇𝑁\tilde{\varrho}_{\mathrm{eq}}=Z^{-1}\,\exp\left(-(k_{B}T)^{-1}[H-\mathbf{v}\cdot\mathbf{P}-\mu N]\right)\ . (30)

Wir schließen daraus, dass die in (26) definierte relevante Dichtematrix kompatibel mit der Quantenstatistik des thermischen Gleichgewichts ist.

Die Energie H𝐻H, der Impuls 𝐏𝐏\mathbf{P} und die Teilchenzahl N𝑁N sind Erhaltungsgrößen einer normalen Flüssigkeit. Sie vertauschen daher mit dem Hamilton-Operator H𝐻H. Folglich vertauscht die Dichtematrix des thermischen Gleichgewichts (30) ebenfalls mit dem Hamilton-Operator, also [H,ϱ~eq]=0𝐻subscript~italic-ϱeq0[H,\tilde{\varrho}_{\mathrm{eq}}]=0. Weil die Dichtematrix ϱ~eqsubscript~italic-ϱeq\tilde{\varrho}_{\mathrm{eq}} nicht von der Zeit t𝑡t abhängt, erfüllt sie offenbar die Liouville-von-Neumann-Gleichung (15) und ist somit eine exakte Lösung.

II.4 Thermodynamische Potentiale im Nichtgleichgewicht

Die relevante Dichtematrix (26) hat die Struktur einer verallgemeinerten Boltzmann-Verteilung, wobei die Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t) vom Ort 𝐫𝐫\mathbf{r} und von der Zeit t𝑡t abhängen. Wenn immer diese Lagrange-Parameter nur langsam mit dem Ort und der Zeit variieren, dann beschreibt die relevante Dichtematrix (26) ein lokales thermisches Gleichgewicht. Auf diese Weise wird die grundlegende Annahme der Hydrodynamik einer normalen Flüssigkeit vorweg genommen. Das System ist global im Nichtgleichgewicht aber lokal im Gleichgewicht. Nichtsdestotrotz, wenn immer die Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t) nicht konstant sind sondern von Ort und Zeit abhängen, ist der Zustand grundsätzlich ein Nichtgleichgewicht.

Somit kommen wir zu dem Schluss: Die relevante Dichtematrix (26) eignet sich für die Definition von thermodynamischen Potentialen des Nichtgleichgewichts. Aus der Normierungsbedingung (23) erhalten wir die Zustandssumme

Z(t)=Sp{exp(kB1iddrλi(𝐫,t)ai(𝐫))}.𝑍𝑡Spsuperscriptsubscript𝑘𝐵1subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝜆𝑖𝐫𝑡subscript𝑎𝑖𝐫Z(t)=\mathrm{Sp}\left\{\exp\left(-k_{B}^{-1}\sum_{i}\int d^{d}r\ \lambda_{i}(\mathbf{r},t)\,a_{i}(\mathbf{r})\right)\right\}\ . (31)

Sie ist offensichtlich ein Funktional Z(t)=Z[λ(t)]𝑍𝑡𝑍delimited-[]𝜆𝑡Z(t)=Z[\lambda(t)] der Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t). Die Abhängigkeit von der Zeit t𝑡t ist hier nur implizit und spielt daher eine untergeordnete Rolle. Wie in der Thermodynamik üblich definieren wir über den Logarithmus das thermodynamische Potential

F[λ(t)]=kBlnZ[λ(t)].𝐹delimited-[]𝜆𝑡subscript𝑘𝐵𝑍delimited-[]𝜆𝑡F[\lambda(t)]=-k_{B}\ln Z[\lambda(t)]\ . (32)

Bis auf einen Faktor Temperatur T𝑇T ist das die Verallgemeinerung des großkanonischen thermodynamischen Potentials auf das Nichtgleichgewicht. Wir bilden die Variation

δF[λ(t)]𝛿𝐹delimited-[]𝜆𝑡\displaystyle\delta F[\lambda(t)] =\displaystyle= kB(Z[λ(t)])1δZ[λ(t)]subscript𝑘𝐵superscript𝑍delimited-[]𝜆𝑡1𝛿𝑍delimited-[]𝜆𝑡\displaystyle-k_{B}(Z[\lambda(t)])^{-1}\delta Z[\lambda(t)] (33)
=\displaystyle= Sp{ϱ~(t)(iddrδλi(𝐫,t)ai(𝐫))}Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝛿subscript𝜆𝑖𝐫𝑡subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle\mathrm{Sp}\left\{\tilde{\varrho}(t)\left(\sum_{i}\int d^{d}r\ \delta\lambda_{i}(\mathbf{r},t)\,a_{i}(\mathbf{r})\right)\right\}
=\displaystyle= iddrδλi(𝐫,t)Sp{ϱ~(t)ai(𝐫)}subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝛿subscript𝜆𝑖𝐫𝑡Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle\sum_{i}\int d^{d}r\ \delta\lambda_{i}(\mathbf{r},t)\,\mathrm{Sp}\left\{\tilde{\varrho}(t)\,a_{i}(\mathbf{r})\right\}
=\displaystyle= iddrδλi(𝐫,t)xi(𝐫,t)subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝛿subscript𝜆𝑖𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\sum_{i}\int d^{d}r\ \delta\lambda_{i}(\mathbf{r},t)\,x_{i}(\mathbf{r},t)

und finden die Erwartungswerte der relevanten Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) als Funktional-Ableitung

δF[λ(t)]δλi(𝐫,t)=xi(𝐫,t).𝛿𝐹delimited-[]𝜆𝑡𝛿subscript𝜆𝑖𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\frac{\delta F[\lambda(t)]}{\delta\lambda_{i}(\mathbf{r},t)}=x_{i}(\mathbf{r},t)\ . (34)

Man beachte, dass bei der Definition der Funktional-Ableitung in (33) nur über den Index i𝑖i summiert und die Ortsvariable 𝐫𝐫\mathbf{r} integriert wird. Die Zeit t𝑡t spielt eine untergeordnete Rolle als impliziter konstanter Parameter.

Als nächstes setzen wir die relevante Dichtematrix (26) in die Formel für die Entropie (18) ein. Wegen

lnϱ~(t)=kB1(F[λ(t)]iddrλi(𝐫,t)ai(𝐫))~italic-ϱ𝑡superscriptsubscript𝑘𝐵1𝐹delimited-[]𝜆𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝜆𝑖𝐫𝑡subscript𝑎𝑖𝐫\ln\tilde{\varrho}(t)=k_{B}^{-1}\left(F[\lambda(t)]-\sum_{i}\int d^{d}r\ \lambda_{i}(\mathbf{r},t)\,a_{i}(\mathbf{r})\right) (35)

folgt

S[x(t)]𝑆delimited-[]𝑥𝑡\displaystyle S[x(t)] =\displaystyle= F[λ(t)]+iddrλi(𝐫,t)Sp{ϱ~(t)ai(𝐫)}𝐹delimited-[]𝜆𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝜆𝑖𝐫𝑡Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle-F[\lambda(t)]+\sum_{i}\int d^{d}r\ \lambda_{i}(\mathbf{r},t)\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,a_{i}(\mathbf{r})\} (36)
=\displaystyle= F[λ(t)]+iddrλi(𝐫,t)xi(𝐫,t).𝐹delimited-[]𝜆𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝜆𝑖𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle-F[\lambda(t)]+\sum_{i}\int d^{d}r\ \lambda_{i}(\mathbf{r},t)\,x_{i}(\mathbf{r},t)\ .

Dies ist die klassische Formel einer Legendre-Transformation. Folglich ist die Entropie S(t)=S[x(t)]𝑆𝑡𝑆delimited-[]𝑥𝑡S(t)=S[x(t)] ein Funktional der Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t). Die Zeitabhängigkeit ist wiederum implizit. Aus der Variation

δS[x(t)]=iddrλi(𝐫,t)δxi(𝐫,t)𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝜆𝑖𝐫𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\delta S[x(t)]=\sum_{i}\int d^{d}r\ \lambda_{i}(\mathbf{r},t)\,\delta x_{i}(\mathbf{r},t) (37)

erhalten wir die Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t) als Funktional-Ableitung

δS[x(t)]δxi(𝐫,t)=λi(𝐫,t).𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}=\lambda_{i}(\mathbf{r},t)\ . (38)

Aus den Überlegungen schließen wir, dass die Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) und die Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t) im Sinne einer Legendre-Transformation zueinander konjugierte Variablen sind.

Ein weiteres Funktional, das wir im Folgenden benötigen, ist die Energie des Systems

E(t)=E[x(t)]=Sp{ϱ~(t)H}=Ht.𝐸𝑡𝐸delimited-[]𝑥𝑡Sp~italic-ϱ𝑡𝐻subscriptdelimited-⟨⟩𝐻𝑡E(t)=E[x(t)]=\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)H\}=\langle H\rangle_{t}\ . (39)

Sie setzt sich zusammen aus der inneren Energie und der kinetischen Energie des Systems. Wegen der Definition der relevanten Dichtematrix (26) ist die Energie E(t)=E[λ(t)]𝐸𝑡𝐸delimited-[]𝜆𝑡E(t)=E[\lambda(t)] eigentlich ein Funktional der Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t). Die Legendre-Transformation liefert jedoch eine umkehrbare Abbildung zwischen den Variablen λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t) und xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t). Daher ist es möglich, die Energie E(t)=E[x(t)]𝐸𝑡𝐸delimited-[]𝑥𝑡E(t)=E[x(t)] alternativ als Funktional der Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) darzustellen. Letzteres Funktional werden wir später verwenden.

II.5 Projektionsoperatoren

Für einen reinen Quantenzustand ist die Dichtematrix gegeben durch ϱ(t)=|Ψ(t)Ψ(t)|italic-ϱ𝑡ketΨ𝑡braΨ𝑡\varrho(t)=|\Psi(t)\rangle\langle\Psi(t)| wobei |Ψ(t)ketΨ𝑡|\Psi(t)\rangle eine Lösung der Schrödinger-Gleichung (14) ist. Folglich ist ϱ(t)italic-ϱ𝑡\varrho(t) eine Lösung der Liouville-von-Neumann-Gleichung (15). Wenn die exakte Lösung bekannt ist, können wir sagen, die Dichtematrix ϱ(t)italic-ϱ𝑡\varrho(t) ist exakt.

Demgegenüber ist die relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) definiert in (26) eine Näherung. Sie ist jedoch exakt im Unterraum der relevanten Variablen ai(𝐫)subscript𝑎𝑖𝐫a_{i}(\mathbf{r}) und der 111 in dem Sinne dass die Erwartungswerte xi(𝐫,t)=Sp{ϱ~(t)ai(𝐫)}subscript𝑥𝑖𝐫𝑡Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫x_{i}(\mathbf{r},t)=\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)a_{i}(\mathbf{r})\} und 1t=Sp{ϱ~(t)}subscriptdelimited-⟨⟩1𝑡Sp~italic-ϱ𝑡\langle 1\rangle_{t}=\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\} die exakten Werte haben, denn es gilt

Sp{ϱ~(t)ai(𝐫)}Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)a_{i}(\mathbf{r})\} =\displaystyle= xi(𝐫,t)=Sp{ϱ(t)ai(𝐫)},subscript𝑥𝑖𝐫𝑡Spitalic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle x_{i}(\mathbf{r},t)\ =\ \mathrm{Sp}\{\varrho(t)a_{i}(\mathbf{r})\}\ ,\qquad (40)
Sp{ϱ~(t)}Sp~italic-ϱ𝑡\displaystyle\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\} =\displaystyle= 1=Sp{ϱ(t)}.1Spitalic-ϱ𝑡\displaystyle 1\ =\ \mathrm{Sp}\{\varrho(t)\}\ . (41)

Der Übergang von der exakten Dichtematrix ϱ(t)italic-ϱ𝑡\varrho(t) zur relevanten Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) stellt eine Abbildung dar, welche sich schreiben lässt als

ϱ~(t)=f[ϱ(t)].~italic-ϱ𝑡𝑓delimited-[]italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t)=f[\varrho(t)]\ . (42)

Man kann sich leicht davon überzeugen, dass die Abbildung eine Projektion ist. Weil das Bild, die relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t), nur von den Erwartungswerten xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) abhängt. Bei zweimaliger Anwendung der Abbildung kommt also wieder die relevante Dichtematrix heraus. Es gilt also

f[f[ϱ(t)]]=f[ϱ(t)]=ϱ~(t).𝑓delimited-[]𝑓delimited-[]italic-ϱ𝑡𝑓delimited-[]italic-ϱ𝑡~italic-ϱ𝑡f[f[\varrho(t)]]=f[\varrho(t)]=\tilde{\varrho}(t)\ . (43)

Die Abbildung (42) ist zunächst nichtlinear. Durch infinitesimale Variation lässt sich daraus ein linearer Projektionsoperator 𝖯[x(t)]𝖯delimited-[]𝑥𝑡\mathsf{P}[x(t)] ableiten. Die Abbildung (42) und der zugehörige lineare Projektionsoperator wurde von Robertson Ro66 verwendet, um eine Mastergleichung für die relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) und eine Bewegungsgleichung für die Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) herzuleiten. Eine detaillierte Beschreibung dieser Herleitung findet man in den Kapiteln 17 und 18 des Buches von Fick und Sauermann FS90 .

Wir wollen hier einen etwas anderen Projektionsoperator verwenden, der auf Grabert Gr82 zurückgeht. Dieser wirkt nicht auf die Dichtematrix sondern auf die relevanten Variablen und ist für eine beliebige Variable Y𝑌Y definiert durch

𝖯[x(t)]Y𝖯delimited-[]𝑥𝑡𝑌\displaystyle\mathsf{P}[x(t)]\,Y =\displaystyle= (1+iddr[ai(𝐫)xi(𝐫,t)]δδxi(𝐫,t))1subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟delimited-[]subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝛿𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\left(1+\sum_{i}\int d^{d}r\,[a_{i}(\mathbf{r})-x_{i}(\mathbf{r},t)]\,\frac{\delta}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\right) (44)
×Sp{ϱ~(t)Y}.absentSp~italic-ϱ𝑡𝑌\displaystyle\times\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,Y\}\ .

Man kann diesen Projektionsoperator betrachten als eine Taylorreihen-Entwicklung nach Potenzen in den Fluktuationen der relevanten Variablen [ai(𝐫)xi(𝐫,t)]delimited-[]subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑥𝑖𝐫𝑡[a_{i}(\mathbf{r})-x_{i}(\mathbf{r},t)] bis zur linearen Ordnung. Wir stellen fest, dass wegen (40) und (41) der Erwartungswert dieser Fluktuationen sowohl mit der exakten Dichtematrix ϱ(t)italic-ϱ𝑡\varrho(t) als auch mit der relevanten Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) null ergibt gemäß

Sp{ϱ(t)[ai(𝐫)xi(𝐫,t)]}=Spitalic-ϱ𝑡delimited-[]subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑥𝑖𝐫𝑡absent\displaystyle\mathrm{Sp}\{\varrho(t)\,[a_{i}(\mathbf{r})-x_{i}(\mathbf{r},t)]\}=
=Sp{ϱ~(t)[ai(𝐫)xi(𝐫,t)]}=0.absentSp~italic-ϱ𝑡delimited-[]subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑥𝑖𝐫𝑡0\displaystyle=\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[a_{i}(\mathbf{r})-x_{i}(\mathbf{r},t)]\}=0\ . (45)

Wenn wir also den Erwartungswert von der Gleichung (44) mit der exakten Dichtematrix bilden, dann vereinfacht sich diese auf

Sp{ϱ(t)𝖯[x(t)]Y}=Sp{ϱ~(t)Y}=Sp{f[ϱ(t)]Y}.Spitalic-ϱ𝑡𝖯delimited-[]𝑥𝑡𝑌Sp~italic-ϱ𝑡𝑌Sp𝑓delimited-[]italic-ϱ𝑡𝑌\mathrm{Sp}\{\varrho(t)\,\mathsf{P}[x(t)]\,Y\}=\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,Y\}=\mathrm{Sp}\{f[\varrho(t)]\,Y\}\ . (46)

Wenden wir hier zusätzlich (42) an, um das zweite Gleichheitszeichen und den Term auf der rechten Seite zu erklären, so kommen wir zu der Erkenntnis, dass bei der Berechnung des Erwartungswertes einer beliebigen Variablen Y𝑌Y der Projektionsoperator von Grabert (44) äquivalent ist zu der nichtlinearen Projektion der Dichtematrix (42).

Der Projektionsoperator (44) ist so definiert, dass er nach rechts auf eine physikalische Variable Y𝑌Y wirkt. Es ist auch möglich eine andere Variante des Projektionsoperators zu definieren, der nach links auf eine Dichtematrix wirkt. Diese Variante ist bekannt unter dem Namen Kawasaki-Gunton-Projektionsoperator KG73 und führt zu denselben Ergebnissen.

Die rechte Seite von (44) ist eine Linearkombination der relevanten Variablen ai(𝐫)subscript𝑎𝑖𝐫a_{i}(\mathbf{r}) und der 111. Folglich projiziert der Operator 𝖯[x(t)]𝖯delimited-[]𝑥𝑡\mathsf{P}[x(t)] eine beliebige Variable Y𝑌Y in der Unterraum der relevanten Variablen ai(𝐫)subscript𝑎𝑖𝐫a_{i}(\mathbf{r}) und der 111. Speziell gilt

𝖯[x(t)]ai(𝐫)=ai(𝐫),𝖯[x(t)] 1=1.formulae-sequence𝖯delimited-[]𝑥𝑡subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑎𝑖𝐫𝖯delimited-[]𝑥𝑡11\mathsf{P}[x(t)]\,a_{i}(\mathbf{r})=a_{i}(\mathbf{r})\ ,\qquad\mathsf{P}[x(t)]\,1=1\ . (47)

Man kann dies explizit nachprüfen durch Einsetzen in die Formel (44). Der Projektionsoperator 𝖯[x(t)]𝖯delimited-[]𝑥𝑡\mathsf{P}[x(t)] ist weiterhin linear. Ist Ysuperscript𝑌Y^{\prime} eine beliebige Linearkombination der relevanten Variablen ai(𝐫)subscript𝑎𝑖𝐫a_{i}(\mathbf{r}) und der 111, so folgt 𝖯[x(t)]Y=Y𝖯delimited-[]𝑥𝑡superscript𝑌superscript𝑌\mathsf{P}[x(t)]\,Y^{\prime}=Y^{\prime}. Wählen wir speziell Y=𝖯[x(t)]Ysuperscript𝑌𝖯delimited-[]𝑥superscript𝑡𝑌Y^{\prime}=\mathsf{P}[x(t^{\prime})]\,Y, so finden wir

𝖯[x(t)]𝖯[x(t)]Y=𝖯[x(t)]Y.𝖯delimited-[]𝑥𝑡𝖯delimited-[]𝑥superscript𝑡𝑌𝖯delimited-[]𝑥superscript𝑡𝑌\mathsf{P}[x(t)]\,\mathsf{P}[x(t^{\prime})]\,Y=\mathsf{P}[x(t^{\prime})]\,Y\ . (48)

Da die Variable Y𝑌Y beliebig ist, können wir diese auch weglassen und finden formal einfach

𝖯[x(t)]𝖯[x(t)]=𝖯[x(t)].𝖯delimited-[]𝑥𝑡𝖯delimited-[]𝑥superscript𝑡𝖯delimited-[]𝑥superscript𝑡\mathsf{P}[x(t)]\,\mathsf{P}[x(t^{\prime})]=\mathsf{P}[x(t^{\prime})]\ . (49)

Diese Gleichung ist eine Verallgemeinerung der Eigenschaft eines Projektionsoperators, dass zweimaliges Anwenden hintereinander nichts Neues bewirkt. Die Verallgemeinerung besteht darin, dass die Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) und xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫superscript𝑡x_{i}(\mathbf{r},t^{\prime}) zu unterschiedlichen Zeiten t𝑡t und tsuperscript𝑡t^{\prime} genommen werden dürfen.

Während der Operator 𝖯[x(t)]𝖯delimited-[]𝑥𝑡\mathsf{P}[x(t)] die relevanten Variablen heraus projiziert, ist es zweckmäßig, den orthogonalen Operator

𝖰[x(t)]=1𝖯[x(t)]𝖰delimited-[]𝑥𝑡1𝖯delimited-[]𝑥𝑡\mathsf{Q}[x(t)]=1-\mathsf{P}[x(t)] (50)

zu definieren, welcher alle übrigen nicht relevanten Variablen heraus projiziert. Durch zweimaliges Anwenden dieses Projektionsoperators zu unterschiedlichen Zeiten t𝑡t und tsuperscript𝑡t^{\prime} und explizites Nachrechnen unter Verwendung von (50) und (49) finden wir

𝖰[x(t)]𝖰[x(t)]=𝖰[x(t)].𝖰delimited-[]𝑥𝑡𝖰delimited-[]𝑥superscript𝑡𝖰delimited-[]𝑥𝑡\mathsf{Q}[x(t)]\,\mathsf{Q}[x(t^{\prime})]=\mathsf{Q}[x(t)]\ . (51)

Die Gleichungen (49) und (51) sind ähnlich zueinander. Man beachte jedoch auf der rechten Seite den Unterschied in der Abhängigkeit von den Zeiten tsuperscript𝑡t^{\prime} und t𝑡t.

Da der Projektionsoperator 𝖯[x(t)]𝖯delimited-[]𝑥𝑡\mathsf{P}[x(t)] über die Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) implizit von der Zeit t𝑡t abhängt, kann man erwarten, dass bei der Herleitung der Mastergleichung die Zeitableitungen t𝖯[x(t)]subscript𝑡𝖯delimited-[]𝑥𝑡\partial_{t}\mathsf{P}[x(t)] des Projektionsoperators auftreten. Man kann jedoch zeigen dass solche Terme in der Mastergleichung null sind und folglich herausfallen. Dazu berechnen wir den Erwartungswert einer beliebigen Variablen Y𝑌Y mit der exakten Dichtematrix ϱ(t)italic-ϱ𝑡\varrho(t) unter Anwendung des zeitlich abgeleiteten Projektionsoperators t𝖯[x(t)]subscript𝑡𝖯delimited-[]𝑥𝑡\partial_{t}\mathsf{P}[x(t)]. Wir finden

Sp{ϱ(t)t𝖯[x(t)]Y}Spitalic-ϱ𝑡subscript𝑡𝖯delimited-[]𝑥𝑡𝑌\displaystyle\mathrm{Sp}\{\varrho(t)\,\partial_{t}\mathsf{P}[x(t)]\,Y\} =\displaystyle= Sp{ϱ(t)t(1+iddr[ai(𝐫)xi(𝐫,t)]δδxi(𝐫,t))Sp{ϱ~(t)Y}}Spitalic-ϱ𝑡subscript𝑡1subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟delimited-[]subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝛿𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡Sp~italic-ϱ𝑡𝑌\displaystyle\mathrm{Sp}\left\{\varrho(t)\,\partial_{t}\left(1+\sum_{i}\int d^{d}r\,[a_{i}(\mathbf{r})-x_{i}(\mathbf{r},t)]\,\frac{\delta}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\right)\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,Y\}\right\} (52)
=\displaystyle= tSp{ϱ~(t)Y}iddr(txi(𝐫,t))δδxi(𝐫,t)Sp{ϱ~(t)Y}subscript𝑡Sp~italic-ϱ𝑡𝑌subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝛿𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡Sp~italic-ϱ𝑡𝑌\displaystyle\partial_{t}\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,Y\}-\sum_{i}\int d^{d}r\,(\partial_{t}x_{i}(\mathbf{r},t))\,\frac{\delta}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,Y\}
=\displaystyle= tSp{ϱ~(t)Y}tSp{ϱ~(t)Y}=0.subscript𝑡Sp~italic-ϱ𝑡𝑌subscript𝑡Sp~italic-ϱ𝑡𝑌0\displaystyle\partial_{t}\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,Y\}-\partial_{t}\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,Y\}=0\ .

Das vorletzte Gleichheitszeichen folgt aus der Kettenregel der Differentialrechnung, weil die relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) implizit über die Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) von der Zeit t𝑡t abhängt. Die Gleichung (52) wurde für eine beliebige Variable Y𝑌Y hergeleitet. Wir dürfen daher Y𝑌Y und die Spur weglassen, und es gilt ebenso

ϱ(t)t𝖯[x(t)]=0.italic-ϱ𝑡subscript𝑡𝖯delimited-[]𝑥𝑡0\varrho(t)\,\partial_{t}\mathsf{P}[x(t)]=0\ . (53)

Diese Gleichung werden wir später verwenden um zu zeigen, dass die Zeitableitung des Projektionsoperators t𝖯[x(t)]subscript𝑡𝖯delimited-[]𝑥𝑡\partial_{t}\mathsf{P}[x(t)] aus der Mastergleichung herausfällt.

III Mastergleichung

Unser Ziel ist die Herleitung von hydrodynamischen Gleichungen für die Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t). Mit Hilfe der Definition (20) und der Liouville-von-Neumann-Gleichung (15) finden wir

txi(𝐫,t)subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\partial_{t}x_{i}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= Sp{tϱ(t)ai(𝐫)}Spsubscript𝑡italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle\mathrm{Sp}\{\partial_{t}\varrho(t)\,a_{i}(\mathbf{r})\} (54)
=\displaystyle= (i)1Sp{[H,ϱ(t)]ai(𝐫)}superscript𝑖Planck-constant-over-2-pi1Sp𝐻italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle(i\hbar)^{-1}\,\mathrm{Sp}\{[H,\varrho(t)]\,a_{i}(\mathbf{r})\}
=\displaystyle= (i)1Sp{Hϱ(t)ai(𝐫)ϱ(t)Hai(𝐫)}superscript𝑖Planck-constant-over-2-pi1Sp𝐻italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫italic-ϱ𝑡𝐻subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle(i\hbar)^{-1}\,\mathrm{Sp}\{H\,\varrho(t)\,a_{i}(\mathbf{r})-\varrho(t)\,H\,a_{i}(\mathbf{r})\}
=\displaystyle= (i/)Sp{ϱ(t)Hai(𝐫)ϱ(t)ai(𝐫)H}𝑖Planck-constant-over-2-piSpitalic-ϱ𝑡𝐻subscript𝑎𝑖𝐫italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫𝐻\displaystyle(i/\hbar)\ \mathrm{Sp}\{\varrho(t)\,H\,a_{i}(\mathbf{r})-\varrho(t)\,a_{i}(\mathbf{r})\,H\}
=\displaystyle= (i/)Sp{ϱ(t)[H,ai(𝐫)]}𝑖Planck-constant-over-2-piSpitalic-ϱ𝑡𝐻subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle(i/\hbar)\ \mathrm{Sp}\{\varrho(t)\,[H,a_{i}(\mathbf{r})]\}
=\displaystyle= iSp{ϱ(t)𝖫ai(𝐫)}.𝑖Spitalic-ϱ𝑡𝖫subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle i\ \mathrm{Sp}\{\varrho(t)\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\}\ .

Zur Vereinfachung der Schreibweise definieren wir den Liouville-Operator 𝖫𝖫\mathsf{L}, der auf eine beliebige Variable Y𝑌Y wirkt, durch

𝖫Y=1[H,Y].𝖫𝑌superscriptPlanck-constant-over-2-pi1𝐻𝑌\mathsf{L}\,Y=\hbar^{-1}\,[H,Y]\ . (55)

Vergleichen wir miteinander die erste und letzte Zeile von (54), so finden wir, dass sich die Liouville-von-Neumann-Gleichung formal schreiben lässt als

tϱ(t)=ϱ(t)i𝖫.subscript𝑡italic-ϱ𝑡italic-ϱ𝑡𝑖𝖫\partial_{t}\varrho(t)=\varrho(t)\,i\,\mathsf{L}\ . (56)

Die Bewegungsgleichung für die Erwartungswerte (54) wollen wir auf eine geschlossene Form bringen, so dass die rechte Seite möglichst ein Funktional von den xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) ist. In der letzten Zeile von (54) ist das leider nicht erkennbar. Wir wissen jedoch, dass die relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) über die Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t) ein Funktional von den Erwartungswerten xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) ist. Schreiben wir die Erwartungswerte in der Form mit der relevanten Dichtematrix, wie auf der linken Seite von (40) dargestellt, so kommen wir dem Ziel schon näher mit

txi(𝐫,t)=Sp{tϱ~(t)ai(𝐫)}.subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡Spsubscript𝑡~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫\partial_{t}x_{i}(\mathbf{r},t)=\mathrm{Sp}\{\partial_{t}\tilde{\varrho}(t)\,a_{i}(\mathbf{r})\}\ . (57)

Wir benötigen dazu eine Bewegungsgleichung für die relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t), welche der Liouville-von-Neumann-Gleichung äquivalent ist. Eine solche Gleichung heißt Mastergleichung. Wir wollen sie im Folgenden herleiten.

III.1 Mastergleichung für die relevante Dichtematrix

Mit den Projektionsoperatoren

𝖯(t)=𝖯[x(t)],𝖰(t)=𝖰[x(t)]formulae-sequence𝖯𝑡𝖯delimited-[]𝑥𝑡𝖰𝑡𝖰delimited-[]𝑥𝑡\mathsf{P}(t)=\mathsf{P}[x(t)]\ ,\quad\mathsf{Q}(t)=\mathsf{Q}[x(t)] (58)

zerlegen wir die exakte Dichtematrix ϱ(t)italic-ϱ𝑡\varrho(t) in einen relevanten Anteil ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) und einen Restanteil ϱ(t)superscriptitalic-ϱ𝑡\varrho^{\prime}(t) gemäß

ϱ(t)italic-ϱ𝑡\displaystyle\varrho(t) =\displaystyle= ϱ(t)[𝖯(t)+𝖰(t)]italic-ϱ𝑡delimited-[]𝖯𝑡𝖰𝑡\displaystyle\varrho(t)\,[\mathsf{P}(t)+\mathsf{Q}(t)] (59)
=\displaystyle= ϱ(t)𝖯(t)+ϱ(t)𝖰(t)italic-ϱ𝑡𝖯𝑡italic-ϱ𝑡𝖰𝑡\displaystyle\varrho(t)\,\mathsf{P}(t)+\varrho(t)\,\mathsf{Q}(t)
=\displaystyle= ϱ~(t)+ϱ(t),~italic-ϱ𝑡superscriptitalic-ϱ𝑡\displaystyle\tilde{\varrho}(t)+\varrho^{\prime}(t)\ ,

so dass

ϱ~(t)=ϱ(t)𝖯(t),ϱ(t)=ϱ(t)𝖰(t).formulae-sequence~italic-ϱ𝑡italic-ϱ𝑡𝖯𝑡superscriptitalic-ϱ𝑡italic-ϱ𝑡𝖰𝑡\tilde{\varrho}(t)=\varrho(t)\,\mathsf{P}(t)\ ,\quad\varrho^{\prime}(t)=\varrho(t)\,\mathsf{Q}(t)\ . (60)

Für die relevante Dichtematrix finden wir dann mit (56) die Bewegungsgleichung

tϱ~(t)subscript𝑡~italic-ϱ𝑡\displaystyle\partial_{t}\tilde{\varrho}(t) =\displaystyle= t(ϱ(t)𝖯(t))subscript𝑡italic-ϱ𝑡𝖯𝑡\displaystyle\partial_{t}(\varrho(t)\,\mathsf{P}(t)) (61)
=\displaystyle= (tϱ(t))𝖯(t)+ϱ(t)(t𝖯(t))subscript𝑡italic-ϱ𝑡𝖯𝑡italic-ϱ𝑡subscript𝑡𝖯𝑡\displaystyle(\partial_{t}\varrho(t))\,\mathsf{P}(t)+\varrho(t)\,(\partial_{t}\mathsf{P}(t))
=\displaystyle= ϱ(t)i𝖫𝖯(t)+ϱ(t)(t𝖯(t)).italic-ϱ𝑡𝑖𝖫𝖯𝑡italic-ϱ𝑡subscript𝑡𝖯𝑡\displaystyle\varrho(t)\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{P}(t)+\varrho(t)\,(\partial_{t}\mathsf{P}(t))\ .

Analog finden wir für den Restanteil der Dichtematrix die Bewegungsgleichung

tϱ(t)subscript𝑡superscriptitalic-ϱ𝑡\displaystyle\partial_{t}\varrho^{\prime}(t) =\displaystyle= t(ϱ(t)𝖰(t))subscript𝑡italic-ϱ𝑡𝖰𝑡\displaystyle\partial_{t}(\varrho(t)\,\mathsf{Q}(t)) (62)
=\displaystyle= (tϱ(t))𝖰(t)+ϱ(t)(t𝖰(t))subscript𝑡italic-ϱ𝑡𝖰𝑡italic-ϱ𝑡subscript𝑡𝖰𝑡\displaystyle(\partial_{t}\varrho(t))\,\mathsf{Q}(t)+\varrho(t)\,(\partial_{t}\mathsf{Q}(t))
=\displaystyle= ϱ(t)i𝖫𝖰(t)ϱ(t)(t𝖯(t)).italic-ϱ𝑡𝑖𝖫𝖰𝑡italic-ϱ𝑡subscript𝑡𝖯𝑡\displaystyle\varrho(t)\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{Q}(t)-\varrho(t)\,(\partial_{t}\mathsf{P}(t))\ .

Die zweiten Terme in den beiden Gleichungen mit der Zeitableitung des Projektionsoperators t𝖯(t)subscript𝑡𝖯𝑡\partial_{t}\mathsf{P}(t) fallen offensichtlich weg wegen (53). In den ersten Termen setzen wir die Zerlegung (59) ein. Wir erhalten dann zwei gekoppelte Gleichungen

tϱ~(t)subscript𝑡~italic-ϱ𝑡\displaystyle\partial_{t}\tilde{\varrho}(t) =\displaystyle= ϱ~(t)i𝖫𝖯(t)+ϱ(t)i𝖫𝖯(t),~italic-ϱ𝑡𝑖𝖫𝖯𝑡superscriptitalic-ϱ𝑡𝑖𝖫𝖯𝑡\displaystyle\tilde{\varrho}(t)\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{P}(t)+\varrho^{\prime}(t)\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{P}(t)\ , (63)
tϱ(t)subscript𝑡superscriptitalic-ϱ𝑡\displaystyle\partial_{t}\varrho^{\prime}(t) =\displaystyle= ϱ~(t)i𝖫𝖰(t)+ϱ(t)i𝖫𝖰(t)~italic-ϱ𝑡𝑖𝖫𝖰𝑡superscriptitalic-ϱ𝑡𝑖𝖫𝖰𝑡\displaystyle\tilde{\varrho}(t)\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{Q}(t)+\varrho^{\prime}(t)\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{Q}(t) (64)

für die zwei Anteile der Dichtematrix. Die Mastergleichung für die relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) bekommen wir nun, indem wir den Restanteil ϱ(t)superscriptitalic-ϱ𝑡\varrho^{\prime}(t) eliminieren. Dazu lösen wir formal die zweite Gleichung. Diese ist eine inhomogene Differentialgleichung für ϱ(t)superscriptitalic-ϱ𝑡\varrho^{\prime}(t). Daher lösen wir zuerst den homogenen Anteil der Gleichung

tU(t0,t)=U(t0,t)i𝖫𝖰(t)subscript𝑡𝑈subscript𝑡0𝑡𝑈subscript𝑡0𝑡𝑖𝖫𝖰𝑡\partial_{t}U(t_{0},t)=U(t_{0},t)\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{Q}(t) (65)

mit der Anfangsbedingung U(t0,t0)=1𝑈subscript𝑡0subscript𝑡01U(t_{0},t_{0})=1. Wir finden

U(t0,t)=𝖳exp{it0t𝑑t𝖫𝖰(t)}.𝑈subscript𝑡0𝑡𝖳𝑖superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡𝖫𝖰superscript𝑡U(t_{0},t)=\mathsf{T}\,\exp\left\{i\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ \mathsf{L}\,\mathsf{Q}(t^{\prime})\right\}\ . (66)

Hierbei ist 𝖳𝖳\mathsf{T} der aus der Quantenfeldtheorie bekannte Zeitordnungs-Operator. Für t>t0𝑡subscript𝑡0t>t_{0} ordnet er die Zeiten aufsteigend von links nach rechts, das ist hier genau umgekehrt wie sonst in der Quantenfeldtheorie. Mit einem geeigneten Ansatz berechnen wir darauf folgend auch die Lösung der inhomogenen Gleichung und bekommen den Restanteil der Dichtematrix

ϱ(t)=ϱ(t0)U(t0,t)+t0t𝑑tϱ~(t)i𝖫𝖰(t)U(t,t).superscriptitalic-ϱ𝑡superscriptitalic-ϱsubscript𝑡0𝑈subscript𝑡0𝑡superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡~italic-ϱsuperscript𝑡𝑖𝖫𝖰superscript𝑡𝑈superscript𝑡𝑡\varrho^{\prime}(t)=\varrho^{\prime}(t_{0})\,U(t_{0},t)+\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ \tilde{\varrho}(t^{\prime})\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{Q}(t^{\prime})\,U(t^{\prime},t)\ . (67)

Wir setzen nun diese Formel in die Bewegungsgleichung für die relevante Dichtematrix (63) ein, ersetzen ϱ(t0)=ϱ(t0)𝖰(t0)superscriptitalic-ϱsubscript𝑡0italic-ϱsubscript𝑡0𝖰subscript𝑡0\varrho^{\prime}(t_{0})=\varrho(t_{0})\,\mathsf{Q}(t_{0}) mit Hilfe von (60) und ordnen die Reihenfolge einiger Terme um. Als Ergebnis erhalten wir die Mastergleichung für die relevante Dichtematrix

tϱ~(t)subscript𝑡~italic-ϱ𝑡\displaystyle\partial_{t}\tilde{\varrho}(t) =\displaystyle= ϱ~(t)i𝖫𝖯(t)~italic-ϱ𝑡𝑖𝖫𝖯𝑡\displaystyle\tilde{\varrho}(t)\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{P}(t) (68)
+t0t𝑑tϱ~(t)i𝖫𝖰(t)U(t,t)i𝖫𝖯(t)superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡~italic-ϱsuperscript𝑡𝑖𝖫𝖰superscript𝑡𝑈superscript𝑡𝑡𝑖𝖫𝖯𝑡\displaystyle+\,\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ \tilde{\varrho}(t^{\prime})\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{Q}(t^{\prime})\,U(t^{\prime},t)\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{P}(t)
+ϱ(t0)𝖰(t0)U(t0,t)i𝖫𝖯(t).italic-ϱsubscript𝑡0𝖰subscript𝑡0𝑈subscript𝑡0𝑡𝑖𝖫𝖯𝑡\displaystyle+\,\varrho(t_{0})\,\mathsf{Q}(t_{0})\,U(t_{0},t)\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{P}(t)\ .

Diese Gleichung ist das zentrale Ergebnis von diesem Abschnitt. Man beachte, dass die relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) und die Projektionsoperatoren 𝖯(t)𝖯𝑡\mathsf{P}(t) und 𝖰(t)𝖰𝑡\mathsf{Q}(t) eine spezielle Form haben. Sie sind definiert durch (26), (44) und (50). Die Mastergleichung in der speziellen Form (68) wurde zuerst von Robertson Ro66 hergeleitet und ist bekannt unter dem Namen Robertson-Gleichung.

Eine einfachere Version der Mastergleichung wurde zuvor von Nakajima und Zwanzig Na58 ; Zw60 hergeleitet, wobei die Projektionsoperatoren 𝖯𝖯\mathsf{P} und 𝖰𝖰\mathsf{Q} konstant in der Zeit sind. In diesem Fall ist die Projektion ϱ~(t)=ϱ(t)𝖯~italic-ϱ𝑡italic-ϱ𝑡𝖯\tilde{\varrho}(t)=\varrho(t)\,\mathsf{P} eine lineare Abbildung im Raum der Quanten-Operatoren oder im Raum der Funktionen im klassischen Phasenraum. Folglich darf in der Gleichung (66) der Zeitordnungs-Operator weggelassen werden, so dass die Zeitentwicklung durch eine einfache operatorwertige Exponentialfunktion U(t0,t)=exp{i𝖫𝖰(tt0)}𝑈subscript𝑡0𝑡𝑖𝖫𝖰𝑡subscript𝑡0U(t_{0},t)=\exp\{i\mathsf{L}\mathsf{Q}(t-t_{0})\} beschrieben wird. Im Ergebnis wurde eine lineare Antworttheorie hergeleitet, um kleine Abweichungen vom thermischen Gleichgewicht zu beschreiben. Diese Theorie ist wohl bekannt unter dem Namen Zwanzig-Mori-Formalismus Zw60 ; Zw61 ; Zw01 ; Mo65a ; Mo65b . In der vorliegenden Arbeit wollen wir jedoch Nichtgleichgewichtszustände weit entfernt vom Gleichgewicht in einer vollständig nichtlinearen Weise betrachten. In der Robertson-Gleichung (68) hängen die Projektionsoperatoren (58) nichtlinear von den hydrodynamischen Variablen xi(t)subscript𝑥𝑖𝑡x_{i}(t) und folglich implizit auch von der Zeit t𝑡t ab.

Die einzelnen Zeilen der Formel (68) lassen sich folgendermaßen interpretieren. Die erste Zeile ist der Beitrag zur Dynamik von den relevanten Variablen. Die zweite Zeile enthält die Gedächtniseffekte, welche dadurch entstehen, dass die irrelevanten Variablen eliminiert werden. Die dritte Zeile enthält die restlichen Effekte der irrelevanten Variablen. Hier handelt es sich um fluktuierende Kräfte, die im wesentlichen Rauschen darstellen.

III.2 Bewegungsgleichungen für die Erwartungswerte

Für die Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) ist die Bewegungsgleichung definiert durch (57). Auf der rechten Seite dieser Gleichung setzen wir die Mastergleichung (68) für die Zeitableitung der relevanten Dichtematrix ein. Weil die rechtesten Projektionsoperatoren in den einzelnen Termen von (68) nun immer auf die relevante Variable ai(𝐫)subscript𝑎𝑖𝐫a_{i}(\mathbf{r}) wirken, bewirkt (47) das wir diese Projektionsoperatoren weglassen dürfen. Wir erhalten also

txi(𝐫,t)subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\partial_{t}x_{i}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= Sp{ϱ~(t)i𝖫ai(𝐫)}Sp~italic-ϱ𝑡𝑖𝖫subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,i\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\} (69)
+t0t𝑑tSp{ϱ~(t)i𝖫𝖰(t)U(t,t)i𝖫ai(𝐫)}superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡Sp~italic-ϱsuperscript𝑡𝑖𝖫𝖰superscript𝑡𝑈superscript𝑡𝑡𝑖𝖫subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle+\,\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t^{\prime})\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{Q}(t^{\prime})\,U(t^{\prime},t)\,i\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\}
+Sp{ϱ(t0)𝖰(t0)U(t0,t)i𝖫ai(𝐫)}.Spitalic-ϱsubscript𝑡0𝖰subscript𝑡0𝑈subscript𝑡0𝑡𝑖𝖫subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle+\,\mathrm{Sp}\{\varrho(t_{0})\,\mathsf{Q}(t_{0})\,U(t_{0},t)\,i\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\}\ .

Der Liouville-Operator 𝖫𝖫\mathsf{L} wurde in (55) so definiert, dass er nach rechts auf eine Variable Y𝑌Y wirkt. Betrachtet man die Umformungen in (54) genauer, so stellt man fest, dass man den Liouville-Operator auch nach links auf die Dichtematrix wirken lassen kann. Wir finden also

ϱ~(t)i𝖫~italic-ϱ𝑡𝑖𝖫\displaystyle\tilde{\varrho}(t)\,i\,\mathsf{L} =\displaystyle= (i)1[H,ϱ~(t)]superscript𝑖Planck-constant-over-2-pi1𝐻~italic-ϱ𝑡\displaystyle(i\hbar)^{-1}[H,\tilde{\varrho}(t)] (70)
=\displaystyle= (i)101𝑑α(ϱ~(t))α[H,kB1kddrλk(𝐫,t)ak(𝐫)](ϱ~(t))1αsuperscript𝑖Planck-constant-over-2-pi1superscriptsubscript01differential-d𝛼superscript~italic-ϱ𝑡𝛼𝐻superscriptsubscript𝑘𝐵1subscript𝑘superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝜆𝑘𝐫𝑡subscript𝑎𝑘𝐫superscript~italic-ϱ𝑡1𝛼\displaystyle(i\hbar)^{-1}\int_{0}^{1}d\alpha\ (\tilde{\varrho}(t))^{\alpha}\,\biggl{[}H,-k_{B}^{-1}\sum_{k}\int d^{d}r\ \lambda_{k}(\mathbf{r},t)\,a_{k}(\mathbf{r})\biggr{]}\,(\tilde{\varrho}(t))^{1-\alpha}
=\displaystyle= kB1kddrλk(𝐫,t)01𝑑α(ϱ~(t))α(i)1[H,ak(𝐫)](ϱ~(t))1αsuperscriptsubscript𝑘𝐵1subscript𝑘superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝜆𝑘𝐫𝑡superscriptsubscript01differential-d𝛼superscript~italic-ϱ𝑡𝛼superscript𝑖Planck-constant-over-2-pi1𝐻subscript𝑎𝑘𝐫superscript~italic-ϱ𝑡1𝛼\displaystyle-k_{B}^{-1}\sum_{k}\int d^{d}r\ \lambda_{k}(\mathbf{r},t)\,\int_{0}^{1}d\alpha\ (\tilde{\varrho}(t))^{\alpha}\,(i\hbar)^{-1}[H,a_{k}(\mathbf{r})]\,(\tilde{\varrho}(t))^{1-\alpha}
=\displaystyle= kB1kddrλk(𝐫,t)01𝑑α(ϱ~(t))α(i𝖫ak(𝐫))(ϱ~(t))1α.superscriptsubscript𝑘𝐵1subscript𝑘superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝜆𝑘𝐫𝑡superscriptsubscript01differential-d𝛼superscript~italic-ϱ𝑡𝛼𝑖𝖫subscript𝑎𝑘𝐫superscript~italic-ϱ𝑡1𝛼\displaystyle k_{B}^{-1}\sum_{k}\int d^{d}r\ \lambda_{k}(\mathbf{r},t)\,\int_{0}^{1}d\alpha\ (\tilde{\varrho}(t))^{\alpha}\,(i\,\mathsf{L}\,a_{k}(\mathbf{r}))\,(\tilde{\varrho}(t))^{1-\alpha}\ .

Der Kommutator auf der rechten Seite von der ersten Zeile lässt sich auswerten, indem wir für die relevante Dichtematrix die Formel (26) einsetzen und die Exponentialfunktion durch die entsprechende Produktentwicklung ersetzen. Auf diese Weise erhalten wir die Integralformel mit dem Kommutator in der zweiten Zeile. Mit dem Ergebnis von (70) lassen sich die ersten beiden Terme in der Bewegungsgleichung (69) umformen. Definieren wir die Frequenzmatrix

Ωik(𝐫,𝐫;t)=kB101𝑑αSp{(ϱ~(t))α(i𝖫ak(𝐫))(ϱ~(t))1αai(𝐫)},subscriptΩ𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡superscriptsubscript𝑘𝐵1superscriptsubscript01differential-d𝛼Spsuperscript~italic-ϱ𝑡𝛼𝑖𝖫subscript𝑎𝑘superscript𝐫superscript~italic-ϱ𝑡1𝛼subscript𝑎𝑖𝐫\Omega_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)=k_{B}^{-1}\int_{0}^{1}d\alpha\ \mathrm{Sp}\{(\tilde{\varrho}(t))^{\alpha}\,(i\,\mathsf{L}\,a_{k}(\mathbf{r}^{\prime}))\,(\tilde{\varrho}(t))^{1-\alpha}\,a_{i}(\mathbf{r})\}\ , (71)

die Gedächtnismatrix

Mik(𝐫,t;𝐫,t)=kB101𝑑αSp{(ϱ~(t))α(i𝖫ak(𝐫))(ϱ~(t))1α𝖰(t)U(t,t)(i𝖫ai(𝐫))}subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡superscriptsubscript𝑘𝐵1superscriptsubscript01differential-d𝛼Spsuperscript~italic-ϱsuperscript𝑡𝛼𝑖𝖫subscript𝑎𝑘superscript𝐫superscript~italic-ϱsuperscript𝑡1𝛼𝖰superscript𝑡𝑈superscript𝑡𝑡𝑖𝖫subscript𝑎𝑖𝐫M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})=k_{B}^{-1}\int_{0}^{1}d\alpha\ \mathrm{Sp}\{(\tilde{\varrho}(t^{\prime}))^{\alpha}\,(i\,\mathsf{L}\,a_{k}(\mathbf{r}^{\prime}))\,(\tilde{\varrho}(t^{\prime}))^{1-\alpha}\,\mathsf{Q}(t^{\prime})\,U(t^{\prime},t)\,(i\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r}))\} (72)

und die fluktuierende Kraft

fi(𝐫,t)=Sp{ϱ(t0)𝖰(t0)U(t0,t)i𝖫ai(𝐫)},subscript𝑓𝑖𝐫𝑡Spitalic-ϱsubscript𝑡0𝖰subscript𝑡0𝑈subscript𝑡0𝑡𝑖𝖫subscript𝑎𝑖𝐫f_{i}(\mathbf{r},t)=\mathrm{Sp}\{\varrho(t_{0})\,\mathsf{Q}(t_{0})\,U(t_{0},t)\,i\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\}\ , (73)

so erhalten wir die Bewegungsgleichung

txi(𝐫,t)subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\partial_{t}x_{i}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= kddrΩik(𝐫,𝐫;t)λk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscriptΩ𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡subscript𝜆𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ \Omega_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\lambda_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t) (74)
+kddrt0t𝑑tMik(𝐫,t;𝐫,t)λk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡subscript𝜆𝑘superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle+\,\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\,\lambda_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})
+fi(𝐫,t).subscript𝑓𝑖𝐫𝑡\displaystyle+\,f_{i}(\mathbf{r},t)\ .

Man beachte, dass die ersten beiden Terme auf der rechten Seite die Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t) enthalten. Die drei Terme auf der rechten Seite kann man folgendermaßen interpretieren. Der erste Term beschreibt die Kopplungen innerhalb des Unterraums der relevanten Variablen. Der zweite Term beschreibt die Gedächtniseffekte, die entstehen, wenn die relevanten Variablen mit den restlichen ausintegrierten Variablen wechselwirken. Der letzte Term enthält die restlichen Kräfte der ausintegrierten Variablen. Diese sind meist Fluktuationen auf kurzen räumlichen und zeitlichen Skalen.

Wählt man zum Anfangszeitpunkt die Dichtematrix ϱ(t0)=ϱ~(t0)italic-ϱsubscript𝑡0~italic-ϱsubscript𝑡0\varrho(t_{0})=\tilde{\varrho}(t_{0}), so gilt

ϱ(t0)𝖰(t0)=ϱ~(t0)𝖰(t0)=ϱ~(t0)ϱ~(t0)𝖯(t0)=0,italic-ϱsubscript𝑡0𝖰subscript𝑡0~italic-ϱsubscript𝑡0𝖰subscript𝑡0~italic-ϱsubscript𝑡0~italic-ϱsubscript𝑡0𝖯subscript𝑡00\varrho(t_{0})\,\mathsf{Q}(t_{0})=\tilde{\varrho}(t_{0})\,\mathsf{Q}(t_{0})=\tilde{\varrho}(t_{0})-\tilde{\varrho}(t_{0})\,\mathsf{P}(t_{0})=0\ , (75)

und die fluktuierende Kraft (73) ist fi(𝐫,t)=0subscript𝑓𝑖𝐫𝑡0f_{i}(\mathbf{r},t)=0. Die Bewegungsgleichung (74) zusammen mit der Frequenzmatrix (71) und der Gedächtnismatrix (72) jedoch ohne die fluktuierende Kraft (73) wurde bereits von Robertson Ro66 hergeleitet und ist beschrieben in Kapitel 18 im Buch von Fick und Sauermann FS90 .

III.3 Mori-Skalarprodukt

Das Mori-Skalarprodukt ist ein hermitesches Skalarprodukt für zwei quantenmechanische Variablen Y1subscript𝑌1Y_{1} und Y2subscript𝑌2Y_{2}, mit dem sich die Formeln für die Frequenzmatrix (71) und die Gedächtnismatrix (72) vereinfachen lassen. Ursprünglich Mo65a ; Mo65b wurde es für das thermische Gleichgewicht mit einer Dichtematrix ϱ~eqsubscript~italic-ϱeq\tilde{\varrho}_{\mathrm{eq}} definiert, welche eine Boltzmannstruktur wie (30) hat. Man kann es jedoch auch allgemeiner definieren für das Nichtgleichgewicht, in dem man die relevante Dichtematrix (26) einsetzt. Wir verwenden hier das verallgemeinerte Mori-Skalarprodukt in der Form

(Y1|Y2)t=01𝑑αSp{(ϱ~(t))αY1+(ϱ~(t))1αY2}.subscriptconditionalsubscript𝑌1subscript𝑌2𝑡superscriptsubscript01differential-d𝛼Spsuperscript~italic-ϱ𝑡𝛼superscriptsubscript𝑌1superscript~italic-ϱ𝑡1𝛼subscript𝑌2(Y_{1}|Y_{2})_{t}=\int_{0}^{1}d\alpha\ \mathrm{Sp}\{(\tilde{\varrho}(t))^{\alpha}\,Y_{1}^{+}\,(\tilde{\varrho}(t))^{1-\alpha}\,Y_{2}\}\ . (76)

Weil die relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) über die Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) implizit von der Zeit abhängt, gilt dasselbe ebenso für das Mori-Skalarprodukt. Es gelten die üblichen Regeln für Skalarprodukte, welche in der Quantentheorie verwendete werden. Es ist bilinear, positiv definit und hermitesch. Letztere Eigenschaft bewirkt z.B. die Gleichung (Y1|Y2)t=(Y2|Y1)tsubscriptconditionalsubscript𝑌1subscript𝑌2𝑡superscriptsubscriptconditionalsubscript𝑌2subscript𝑌1𝑡(Y_{1}|Y_{2})_{t}=(Y_{2}|Y_{1})_{t}^{*}.

Wir haben bisher drei Operatoren definiert, welche auf die Variablen Y𝑌Y wirken. Dies sind die Projektionsoperatoren 𝖯(t)𝖯𝑡\mathsf{P}(t), 𝖰(t)𝖰𝑡\mathsf{Q}(t) und der Liouville-Operator 𝖫𝖫\mathsf{L}, definiert in (44), (50) und (55). Wir wollen untersuchen, in wieweit diese Operatoren selbstadjungiert oder hermitesch sind bezüglich dem Mori-Skalarprodukt. Setzen wir den Projektionsoperator (44) einmal hinten und einmal vorne in das Mori-Skalarprodukt ein, so finden wir nach einigen Umformungen die symmetrische Formel

(Y1|𝖯(t)|Y2)tsubscriptsubscript𝑌1𝖯𝑡subscript𝑌2𝑡\displaystyle(Y_{1}|\mathsf{P}(t)|Y_{2})_{t} =\displaystyle= (Y1|𝖯(t)Y2)t=(𝖯(t)Y1|Y2)tsubscriptconditionalsubscript𝑌1𝖯𝑡subscript𝑌2𝑡subscriptconditional𝖯𝑡subscript𝑌1subscript𝑌2𝑡\displaystyle(Y_{1}|\mathsf{P}(t)Y_{2})_{t}=(\mathsf{P}(t)Y_{1}|Y_{2})_{t} (77)
=\displaystyle= Sp{(ϱ~(t)Y1+}Sp{(ϱ~(t)Y2}ikddrddr(δδxi(𝐫,t)Sp{(ϱ~(t)Y1+})\displaystyle\mathrm{Sp}\{(\tilde{\varrho}(t)Y_{1}^{+}\}\,\mathrm{Sp}\{(\tilde{\varrho}(t)Y_{2}\}-\sum_{ik}\int d^{d}r\int d^{d}r^{\prime}\left(\frac{\delta}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\mathrm{Sp}\{(\tilde{\varrho}(t)Y_{1}^{+}\}\right)
×χik(𝐫,𝐫;t)(δδxk(𝐫,t)Sp{(ϱ~(t)Y2})\displaystyle\hskip 142.26378pt\times\chi_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\left(\frac{\delta}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}\mathrm{Sp}\{(\tilde{\varrho}(t)Y_{2}\}\right)

mit der Suszeptibilität

χik(𝐫,𝐫;t)=δxi(𝐫,t)δλk(𝐫,t)=δxk(𝐫,t)δλi(𝐫,t)=δ2F[λ(t)]δλi(𝐫,t)δλk(𝐫,t).subscript𝜒𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝛿subscript𝜆𝑘superscript𝐫𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡𝛿subscript𝜆𝑖𝐫𝑡superscript𝛿2𝐹delimited-[]𝜆𝑡𝛿subscript𝜆𝑖𝐫𝑡𝛿subscript𝜆𝑘superscript𝐫𝑡\chi_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)=\frac{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}{\delta\lambda_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}=\frac{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}{\delta\lambda_{i}(\mathbf{r},t)}=\frac{\delta^{2}F[\lambda(t)]}{\delta\lambda_{i}(\mathbf{r},t)\,\delta\lambda_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}\ . (78)

Eine analoge Formel finden wir ebenso für den orthogonalen Projektionsoperator (50), nämlich

(Y1|𝖰(t)|Y2)t=(Y1|𝖰(t)Y2)t=(𝖰(t)Y1|Y2)t.subscriptsubscript𝑌1𝖰𝑡subscript𝑌2𝑡subscriptconditionalsubscript𝑌1𝖰𝑡subscript𝑌2𝑡subscriptconditional𝖰𝑡subscript𝑌1subscript𝑌2𝑡(Y_{1}|\mathsf{Q}(t)|Y_{2})_{t}=(Y_{1}|\mathsf{Q}(t)Y_{2})_{t}=(\mathsf{Q}(t)Y_{1}|Y_{2})_{t}\ . (79)

Wir stellen somit fest, dass die Projektionsoperatoren 𝖯(t)𝖯𝑡\mathsf{P}(t) und 𝖰(t)𝖰𝑡\mathsf{Q}(t) beide selbstadjungiert oder hermitesch sind. Diese Eigenschaft garantiert, dass die Projektionsoperatoren in einem besonderen Sinne kompatibel mit dem Mori-Skalarprodukt sind.

Anders verhält sich der Liouville-Operator 𝖫𝖫\mathsf{L}. Setzen wir diesen hinten und vorne in das Mori-Skalarprodukt ein, so finden wir

(Y1|𝖫Y2)t=(𝖫Y1|Y2)t[ϱ~(t),H]=0.formulae-sequencesubscriptconditionalsubscript𝑌1𝖫subscript𝑌2𝑡subscriptconditional𝖫subscript𝑌1subscript𝑌2𝑡~italic-ϱ𝑡𝐻0(Y_{1}|\mathsf{L}Y_{2})_{t}=(\mathsf{L}Y_{1}|Y_{2})_{t}\quad\Longleftrightarrow\quad[\tilde{\varrho}(t),H]=0\ . (80)

Das bedeutet, der Liouville-Operator 𝖫𝖫\mathsf{L} ist dann und nur dann hermitesch, wenn die relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) mit dem Hamilton-Operator H𝐻H vertauscht. Dies ist im thermischen Gleichgewicht für die Dichtematrix (30) des großkanonischen Ensembles erfüllt, weil der Impuls 𝐏𝐏\mathbf{P} und die Teilchenzahl N𝑁N Erhaltungsgrößen sind. Im Nichtgleichgewicht gilt das jedoch im allgemeinen nicht. Der Liouville-Operator 𝖫𝖫\mathsf{L} ist also im allgemeinen nicht selbstadjungiert oder hermitesch.

Wir schreiben nun die Frequenzmatrix (71) mit dem Mori-Skalarprodukt um und erhalten

Ωik(𝐫,𝐫;t)=ikB1(𝖫ak(𝐫)|ai(𝐫))t.subscriptΩ𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝑖superscriptsubscript𝑘𝐵1subscriptconditional𝖫subscript𝑎𝑘superscript𝐫subscript𝑎𝑖𝐫𝑡\Omega_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)=-i\,k_{B}^{-1}(\mathsf{L}\,a_{k}(\mathbf{r}^{\prime})|a_{i}(\mathbf{r}))_{t}\ . (81)

Ebenso schreiben wir die Gedächtnismatrix (72) um und erhalten

Mik(𝐫,t;𝐫,t)=kB1(𝖫ak(𝐫)|𝖰(t)U(t,t)𝖫ai(𝐫))t.subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡superscriptsubscript𝑘𝐵1subscriptconditional𝖫subscript𝑎𝑘superscript𝐫𝖰superscript𝑡𝑈superscript𝑡𝑡𝖫subscript𝑎𝑖𝐫superscript𝑡M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})=k_{B}^{-1}(\mathsf{L}\,a_{k}(\mathbf{r}^{\prime})|\mathsf{Q}(t^{\prime})\,U(t^{\prime},t)\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r}))_{t^{\prime}}\ . (82)

Die imaginären Faktoren i𝑖i haben wir aus dem Mori-Skalarprodukt nach vorne herausgezogen. Die neuen Formeln (81) und (82) haben eine erheblich einfachere Struktur. Sie sehen jedoch nicht gerade symmetrisch aus.

Eine Symmetrisierung bezügliche dem orthogonalen Projektionsoperator 𝖰(t)𝖰𝑡\mathsf{Q}(t) ist möglich, weil dieser gemäß (79) hermitesch ist und die allgemeine Formel (51) erfüllt. Wir stellen fest, dass der Zeitentwicklungsoperator U(t0,t)𝑈subscript𝑡0𝑡U(t_{0},t), definiert in (66), immer nur mit einem vorangestelltem Projektionsoperator 𝖰(t0)𝖰subscript𝑡0\mathsf{Q}(t_{0}) auftritt. Wegen (51) dürfen wir daher zwei Dinge tun. Zum einen gilt

𝖰(t0)U(t0,t)=𝖰(t0)U(t0,t)𝖰(t),𝖰subscript𝑡0𝑈subscript𝑡0𝑡𝖰subscript𝑡0𝑈subscript𝑡0𝑡𝖰𝑡\mathsf{Q}(t_{0})\,U(t_{0},t)=\mathsf{Q}(t_{0})\,U(t_{0},t)\,\mathsf{Q}(t)\ , (83)

und zum anderen dürfen wir den Zeitentwicklungsoperator durch einen Ausdruck mit symmetrischem Exponenten und zwei orthogonalen Projektionsoperatoren darin ersetzen gemäß

U(t0,t)=𝖳exp{it0t𝑑t𝖰(t)𝖫𝖰(t)}.𝑈subscript𝑡0𝑡𝖳𝑖superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡𝖰superscript𝑡𝖫𝖰superscript𝑡U(t_{0},t)=\mathsf{T}\,\exp\left\{i\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ \mathsf{Q}(t^{\prime})\,\mathsf{L}\,\mathsf{Q}(t^{\prime})\right\}\ . (84)

Setzen wir nun (83) in (82) ein und verwenden wir die Hermitezität des orthogonalen Projektionsoperators (79), so bekommen wir die Gedächtnismatrix

Mik(𝐫,t;𝐫,t)=kB1(𝖰(t)𝖫ak(𝐫)|U(t,t)𝖰(t)𝖫ai(𝐫))t.subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡superscriptsubscript𝑘𝐵1subscriptconditional𝖰superscript𝑡𝖫subscript𝑎𝑘superscript𝐫𝑈superscript𝑡𝑡𝖰𝑡𝖫subscript𝑎𝑖𝐫superscript𝑡M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})=k_{B}^{-1}(\mathsf{Q}(t^{\prime})\,\mathsf{L}\,a_{k}(\mathbf{r}^{\prime})|U(t^{\prime},t)\,\mathsf{Q}(t)\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r}))_{t^{\prime}}\ . (85)

Diese Formel ist symmetrisch bis auf die Position des Zeitentwicklungsoperators U(t,t)𝑈superscript𝑡𝑡U(t^{\prime},t).

Eine weitere Symmetrisierung von Frequenzmatrix (81) und Gedächtnismatrix (85) ist nur möglich, wenn auch der Liouville-Operator 𝖫𝖫\mathsf{L} hermitesch ist. Dies ist im thermischen Gleichgewicht der Fall. Hier finden wir für die Frequenzmatrix die symmetrische Formel

Ωik(eq)(𝐫,𝐫)=ikB1(ak(𝐫))|𝖫|ai(𝐫))eq.\Omega^{(\mathrm{eq})}_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime})=-i\,k_{B}^{-1}(a_{k}(\mathbf{r}^{\prime}))\,|\,\mathsf{L}\,|\,a_{i}(\mathbf{r}))_{\mathrm{eq}}\ . (86)

Ebenso finden wir für die Gedächtnismatrix die symmetrische Formel

Mik(eq)(𝐫,t;𝐫,t)subscriptsuperscript𝑀eq𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle M^{(\mathrm{eq})}_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime}) =\displaystyle= kB1(𝖰(t)𝖫ak(𝐫)|\displaystyle k_{B}^{-1}(\mathsf{Q}(t^{\prime})\,\mathsf{L}\,a_{k}(\mathbf{r}^{\prime})\,| (87)
×U(t,t)|𝖰(t)𝖫ai(𝐫))eq.\displaystyle\times\,U(t^{\prime},t)\,|\,\mathsf{Q}(t)\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r}))_{\mathrm{eq}}\ .\hskip 28.45274pt

Weil wir im thermischen Gleichgewicht den Liouville-Operator 𝖫𝖫\mathsf{L} und den Zeitentwicklungsoperator U𝑈U entweder vorne oder hinten in das Mori-Skalarprodukt schreiben dürfen, setzen wir diese in die Mitte zwischen zwei senkrechte Striche.

Wir stellen fest, dass die Indizes, die Ortsvariablen und die Zeitvariablen auf den linken Seiten der Gleichungen für die Frequenzmatrix und die Gedächtnismatrix die umgekehrte Reihenfolge haben als auf den rechten Seiten. Das liegt an unserer Definition der Erwartungswerte (17), wo die Dichtematrix links und die physikalische Variable rechts stehen. Ebenso liegt das an unserer Definition des Projektionsoperators (44), der nach rechts auf die physikalische Variable wirkt. Man kann die Faktoren in den Spuren auch umordnen und die Richtungen und Reihenfolgen umkehren. Dann erhält man für die Frequenzmatrix und die Gedächtnismatrix Ergebnisse mit gleichen Reihenfolgen von Indizes, Ortsvariablen und Zeitvariablen auf beiden Seiten der Gleichungen. Der Unterschied zwischen unserer und letzter Schreibweise ist jedoch nur formaler Natur. Im Ergebnis gibt es keinen Unterschied.

III.4 GENERIC Formalismus

Unsere Herleitung der Bewegungsgleichungen (74) mit der Frequenzmatrix (81), der Gedächtnismatrix (85) und den fluktuierenden Kräften (73) folgte der Originalarbeit von Robertson Ro66 und der Darstellung von Fick und Sauermann FS90 . Eine alternative Formulierung von solchen Bewegungsgleichungen wurde von Öttinger und Grmela GO97A ; GO97B ; Ot05 gegeben im Rahmen eines allgemeinen Konzeptes, das GENERIC-Formalismus genannt wird. Wenn wir unsere Bewegungsgleichung (74) in die GENERIC-Form umschreiben wollen, dann muss diese eine Struktur haben wie

txi(𝐫,t)subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\partial_{t}x_{i}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= kddrLik(𝐫,𝐫;t)δE[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)} (88)
+\displaystyle+ kddrt0t𝑑tMik(𝐫,t;𝐫,t)δS[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡𝛿𝑆delimited-[]𝑥superscript𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\,\frac{\delta S[x(t^{\prime})]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})}
+\displaystyle+ fi(𝐫,t).subscript𝑓𝑖𝐫𝑡\displaystyle f_{i}(\mathbf{r},t)\ .

Die ersten beiden Terme werden dargestellt durch Funktional-Ableitungen von der Energie E[x(t)]𝐸delimited-[]𝑥𝑡E[x(t)] und der Entropie S[x(t)]𝑆delimited-[]𝑥𝑡S[x(t)] nach den Erwartungswerten der relevanten Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t). Sie enthalten die direkten Kopplungen der relevanten Veriablen und die indirekten Kopplungen mit Gedächtniseffekten. Der dritte Term beschreibt die restlichen fluktuierenden Kräfte von den ausintegrierten Variablen. Wir stellen fest, dass der zweite und der dritte Term unserer Gleichung (74) bereits die erforderliche Form haben, denn die Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t) sind nach (38) Funktional-Ableitungen der Entropie nach den Erwartungswerten.

Der erste Term in (74) hat nicht die gewünschte Form. Die Kopplung dieser Kräfte an die Funktional-Ableitungen der Entropie müssen ersetzt werden durch die Kopplung an die Funktional-Ableitungen der Energie. Der erste Term muss folglich neu berechnet werden. Wir gehen daher zurück zur Gleichung (69). Wir verlangen als zusätzliche Bedingung, dass der Hamilton-Operator H𝐻H zu den relevanten Variablen ai(𝐫)subscript𝑎𝑖𝐫a_{i}(\mathbf{r}) gehört. Er soll sich als Linearkombination

H=ddriεiai(𝐫)𝐻superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑖subscript𝜀𝑖subscript𝑎𝑖𝐫H=\int d^{d}r\sum_{i}\varepsilon_{i}\,a_{i}(\mathbf{r}) (89)

mit geeigneten Koeffizienten εisubscript𝜀𝑖\varepsilon_{i} darstellen lassen. Dies ist am einfachsten erfüllt, wenn eine der relevanten Variablen ai(𝐫)subscript𝑎𝑖𝐫a_{i}(\mathbf{r}) die Energiedichte ist. Aus (47) bekommen wir dann die Projektion

𝖯(t)H=H.𝖯𝑡𝐻𝐻\mathsf{P}(t)\,H=H\ . (90)

Wir formen damit den ersten Term auf der rechten Seite von (69) um und erhalten

Sp{ϱ~(t)i𝖫ai(𝐫)}Sp~italic-ϱ𝑡𝑖𝖫subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,i\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\} =\displaystyle= (i/)Sp{ϱ~(t)[H,ai(𝐫)]}𝑖Planck-constant-over-2-piSp~italic-ϱ𝑡𝐻subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle(i/\hbar)\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[H,a_{i}(\mathbf{r})]\} (91)
=\displaystyle= (i/)Sp{ϱ~(t)[(𝖯(t)H),ai(𝐫)]}𝑖Planck-constant-over-2-piSp~italic-ϱ𝑡𝖯𝑡𝐻subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle(i/\hbar)\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[(\mathsf{P}(t)\,H),a_{i}(\mathbf{r})]\}
=\displaystyle= ikddrSp{ϱ~(t)[ak(𝐫),ai(𝐫)]}δδxk(𝐫,t)Sp{ϱ~(t)H}𝑖Planck-constant-over-2-pisubscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑘superscript𝐫subscript𝑎𝑖𝐫𝛿𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡Sp~italic-ϱ𝑡𝐻\displaystyle\frac{i}{\hbar}\ \sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[a_{k}(\mathbf{r}^{\prime}),a_{i}(\mathbf{r})]\}\,\frac{\delta}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,H\}
=\displaystyle= 1ikddrSp{ϱ~(t)[ai(𝐫),ak(𝐫)]}δE[x(t)]δxk(𝐫,t)1𝑖Planck-constant-over-2-pisubscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑎𝑘superscript𝐫𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\frac{1}{i\hbar}\ \sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[a_{i}(\mathbf{r}),a_{k}(\mathbf{r}^{\prime})]\}\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}
=\displaystyle= kddrLik(𝐫,𝐫;t)δE[x(t)]δxk(𝐫,t).subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}\ .

In der dritten Zeile dieser Gleichung haben wir die explizite Form des Projektionsoperators (44) eingesetzt. Dieser erste Term bekommt schließlich die in (88) gewünschte Form mit der Poisson-Matrix

Lik(𝐫,𝐫;t)=(i)1Sp{ϱ~(t)[ai(𝐫),ak(𝐫)]}.subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡superscript𝑖Planck-constant-over-2-pi1Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑎𝑘superscript𝐫L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)=(i\hbar)^{-1}\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[a_{i}(\mathbf{r}),a_{k}(\mathbf{r}^{\prime})]\}\ . (92)

Ersetzen wir auf der rechten Seite den quantenmechanischen Kommutator durch die klassische Poisson-Klammer, so erklärt sich der Name Poisson-Matrix von selbst. Denn dieser Ausdruck ist offensichtlich der Erwartungswert der Poisson-Klammer von zwei relevanten Variablen. Die Poisson-Matrix ist antisymmetrisch gemäß

Lik(𝐫,𝐫;t)=Lki(𝐫,𝐫;t).subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡subscript𝐿𝑘𝑖superscript𝐫𝐫𝑡L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)=-L_{ki}(\mathbf{r}^{\prime},\mathbf{r};t)\ . (93)

Dies folgt aus der entsprechenden Eigenschaft des Kommutators und der Poisson-Klammer.

Im Ergebnis finden wir also, dass sich die Bewegungsgleichung (69), welche ursprünglich von Robertson Ro66 hergeleitet wurde, in die GENERIC-Form umschreiben lässt. Der GENERIC-Formalismus ist damit jedoch noch nicht abgeschlossen. Er liefert als zusätzliche Elemente noch einige Nebenbedingungen. Als erstes betrachten wir dazu

kddrLik(𝐫,𝐫;t)δS[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}
=1ikddrSp{ϱ~(t)[ai(𝐫),ak(𝐫)]}λk(𝐫,t)absent1𝑖Planck-constant-over-2-pisubscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑎𝑘superscript𝐫subscript𝜆𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle=\frac{1}{i\hbar}\ \sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[a_{i}(\mathbf{r}),a_{k}(\mathbf{r}^{\prime})]\}\,\lambda_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)
=1iSp{ϱ~(t)[ai(𝐫),kddrλk(𝐫,t)ak(𝐫)]}absent1𝑖Planck-constant-over-2-piSp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝜆𝑘superscript𝐫𝑡subscript𝑎𝑘superscript𝐫\displaystyle=\frac{1}{i\hbar}\ \mathrm{Sp}\left\{\tilde{\varrho}(t)\,\left[a_{i}(\mathbf{r}),\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ \lambda_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)\,a_{k}(\mathbf{r}^{\prime})\right]\right\}
=(i)1Sp{ϱ~(t)[ai(𝐫),kBlnϱ~(t)]}absentsuperscript𝑖Planck-constant-over-2-pi1Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑘𝐵~italic-ϱ𝑡\displaystyle=(i\hbar)^{-1}\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[a_{i}(\mathbf{r}),-k_{B}\,\ln\tilde{\varrho}(t)]\}
=(i)1Sp{ai(𝐫)[lnϱ~(t),ϱ~(t)]}(kB)= 0.absentsuperscript𝑖Planck-constant-over-2-pi1Spsubscript𝑎𝑖𝐫~italic-ϱ𝑡~italic-ϱ𝑡subscript𝑘𝐵 0\displaystyle=(i\hbar)^{-1}\ \mathrm{Sp}\{a_{i}(\mathbf{r})\,[\ln\tilde{\varrho}(t),\tilde{\varrho}(t)]\}\,(-k_{B})\ =\ 0\ . (94)

Für die Umformung zwischen der dritten und der vierten Zeile verwenden wir die explizite Form der relevanten Dichtematrix (26). Das letzte Gleichheitszeichen folgt aus dem Kommutator [lnϱ~(t),ϱ~(t)]=0~italic-ϱ𝑡~italic-ϱ𝑡0[\ln\tilde{\varrho}(t),\tilde{\varrho}(t)]=0. Wir erhalten also die Nebenbedingung

kddrLik(𝐫,𝐫;t)δS[x(t)]δxk(𝐫,t)=0.subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡0\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}=0\ . (95)

Da die Poisson-Matrix gemäß (93) antisymmetrisch ist, gilt die Nebenbedingung auch in der adjungierten Form

iddrδS[x(t)]δxi(𝐫,t)Lik(𝐫,𝐫;t)=0.subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡0\sum_{i}\int d^{d}r\ \frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)=0\ . (96)

Als zweites betrachten wir

iddr𝖫ai(𝐫)δE[x(t)]δxi(𝐫,t)subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝖫subscript𝑎𝑖𝐫𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\sum_{i}\int d^{d}r\ \mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}
=iddr𝖫ai(𝐫)δδxi(𝐫,t)Sp{ϱ~(t)H}absentsubscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝖫subscript𝑎𝑖𝐫𝛿𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡Sp~italic-ϱ𝑡𝐻\displaystyle=\sum_{i}\int d^{d}r\ \mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\,\frac{\delta}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,H\}
=𝖫𝖯(t)H=𝖫H=1[H,H]=0.absent𝖫𝖯𝑡𝐻𝖫𝐻superscriptPlanck-constant-over-2-pi1𝐻𝐻0\displaystyle=\mathsf{L}\,\mathsf{P}(t)\,H=\mathsf{L}\,H=\hbar^{-1}\,[H,H]=0\ . (97)

Wir multiplizieren nun die Gedächtnismatrix (85) mit einer Funktional-Ableitung der Energie E[x(t)]𝐸delimited-[]𝑥𝑡E[x(t)]. Summieren wir anschließend über den hinteren Index, und intergrieren wir über die hintere Ortsvariable, so bekommen wir die Nebenbedingung

kddrMik(𝐫,t;𝐫,t)δE[x(t)]δxk(𝐫,t)=0.subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡𝛿𝐸delimited-[]𝑥superscript𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫superscript𝑡0\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\,\frac{\delta E[x(t^{\prime})]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})}=0\ . (98)

Summieren wir andererseits über den vorderen Index, und integrieren wir über die vordere Ortsvariable, so bekommen wir die Nebenbedingung in der adjungierten Form

kddrδE[x(t)]δxi(𝐫,t)Mik(𝐫,t;𝐫,t)=0.subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡0\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ \frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})=0\ . (99)

Weitere Nebenbedingungen lassen sich für Erhaltungsgrößen ableiten. In einer normalen Flüssigkeit sind neben der Energie E𝐸E ebenso der Impuls 𝐏𝐏\mathbf{P} und die Teilchenzahl N𝑁N Erhaltungsgrößen. Die Erwartungswerte dieser Erhaltungsgrößen sind wiederum Funktionale der Erwartungswerte der relevanten Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) gemäß

𝐏[x(t)]𝐏delimited-[]𝑥𝑡\displaystyle\mathbf{P}[x(t)] =\displaystyle= Sp{ϱ~(t)𝐏},Sp~italic-ϱ𝑡𝐏\displaystyle\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,\mathbf{P}\}\ , (100)
N[x(t)]𝑁delimited-[]𝑥𝑡\displaystyle N[x(t)] =\displaystyle= Sp{ϱ~(t)N}.Sp~italic-ϱ𝑡𝑁\displaystyle\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,N\}\ . (101)

Wir nehmen an, dass sich die Operatoren der Erhaltungsgrößen ähnlich wie der Hamilton-Operator (89) als Linearkombinationen der relevanten Variablen

𝐏𝐏\displaystyle\mathbf{P} =\displaystyle= ddri𝐩iai(𝐫)),\displaystyle\int d^{d}r\sum_{i}\mathbf{p}_{i}\,a_{i}(\mathbf{r}))\ , (102)
N𝑁\displaystyle N =\displaystyle= ddriniai(𝐫))\displaystyle\int d^{d}r\sum_{i}n_{i}\,a_{i}(\mathbf{r})) (103)

darstellen lassen, wobei 𝐩isubscript𝐩𝑖\mathbf{p}_{i} und nisubscript𝑛𝑖n_{i} geeignete Koeffizienten sind. Es folgen dann die Projektionen

𝖯(t)𝐏=𝐏,𝖯(t)N=N.formulae-sequence𝖯𝑡𝐏𝐏𝖯𝑡𝑁𝑁\mathsf{P}(t)\,\mathbf{P}=\mathbf{P}\ ,\qquad\mathsf{P}(t)\,N=N\ . (104)

Mit diesen Projektionen können wir nun für die Erhaltungsgrößen Überlegungen analog zu (91) durchführen, allerdings in Rückwärtsrichtung von unten nach oben. Wir finden dann für den Impuls

kddrLik(𝐫,𝐫;t)δ𝐏[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐏delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta\mathbf{P}[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}
=(i/)Sp{ϱ~(t)[(𝖯(t)𝐏),ai(𝐫)]}absent𝑖Planck-constant-over-2-piSp~italic-ϱ𝑡𝖯𝑡𝐏subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle=(i/\hbar)\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[(\mathsf{P}(t)\,\mathbf{P}),a_{i}(\mathbf{r})]\}
=(i/)Sp{ϱ~(t)[𝐏,ai(𝐫)]}absent𝑖Planck-constant-over-2-piSp~italic-ϱ𝑡𝐏subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle=(i/\hbar)\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[\mathbf{P},a_{i}(\mathbf{r})]\} (105)

und für die Teilchenzahl

kddrLik(𝐫,𝐫;t)δN[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝑁delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta N[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}
=(i/)Sp{ϱ~(t)[(𝖯(t)N),ai(𝐫)]}absent𝑖Planck-constant-over-2-piSp~italic-ϱ𝑡𝖯𝑡𝑁subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle=(i/\hbar)\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[(\mathsf{P}(t)\,N),a_{i}(\mathbf{r})]\}
=(i/)Sp{ϱ~(t)[N,ai(𝐫)]}.absent𝑖Planck-constant-over-2-piSp~italic-ϱ𝑡𝑁subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle=(i/\hbar)\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[N,a_{i}(\mathbf{r})]\}\ . (106)

Ob auf den rechten Seiten nun eine Null steht oder irgend etwas Anderes, hängt davon ab, was die Kommutatoren der Erhaltungsgrößen mit den relevanten Variablen ergeben. Für unsere beiden Erhaltungsgrößen in einer normalen Flüssigkeit gilt

[ai(𝐫),𝐏]=iai(𝐫),[ai(𝐫),N]=0.formulae-sequencesubscript𝑎𝑖𝐫𝐏𝑖Planck-constant-over-2-pisubscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑎𝑖𝐫𝑁0[a_{i}(\mathbf{r}),\mathbf{P}]=-i\hbar\nabla a_{i}(\mathbf{r})\ ,\qquad[a_{i}(\mathbf{r}),N]=0\ . (107)

Wir finden somit die Nebenbedingungen für den Impuls

kddrLik(𝐫,𝐫;t)δ𝐏[x(t)]δxk(𝐫,t)=xi(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐏delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta\mathbf{P}[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}=-\nabla\,x_{i}(\mathbf{r},t) (108)

und für die Teilchenzahl

kddrLik(𝐫,𝐫;t)δN[x(t)]δxk(𝐫,t)=0.subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝑁delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡0\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta N[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}=0\ . (109)

Die Überlegungen von (97) können wir ebenso mit den Erhaltungsgrößen durchführen. Wir erhalten dann für den Impuls

iddr𝖫ai(𝐫)δ𝐏[x(t)]δxi(𝐫,t)subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝖫subscript𝑎𝑖𝐫𝛿𝐏delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\sum_{i}\int d^{d}r\ \mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\,\frac{\delta\mathbf{P}[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}
=iddr𝖫ai(𝐫)δδxi(𝐫,t)Sp{ϱ~(t)𝐏}absentsubscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝖫subscript𝑎𝑖𝐫𝛿𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡Sp~italic-ϱ𝑡𝐏\displaystyle=\sum_{i}\int d^{d}r\ \mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\,\frac{\delta}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,\mathbf{P}\}
=𝖫𝖯(t)𝐏=𝖫𝐏=1[H,𝐏]=𝟢absent𝖫𝖯𝑡𝐏𝖫𝐏superscriptPlanck-constant-over-2-pi1𝐻𝐏0\displaystyle=\mathsf{L}\,\mathsf{P}(t)\,\mathbf{P}=\mathsf{L}\,\mathbf{P}=\hbar^{-1}\,[H,\mathbf{P}]=\mathsf{0} (110)

und für die Teilchenzahl

iddr𝖫ai(𝐫)δN[x(t)]δxi(𝐫,t)subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝖫subscript𝑎𝑖𝐫𝛿𝑁delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\sum_{i}\int d^{d}r\ \mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\,\frac{\delta N[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}
=iddr𝖫ai(𝐫)δδxi(𝐫,t)Sp{ϱ~(t)N}absentsubscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝖫subscript𝑎𝑖𝐫𝛿𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡Sp~italic-ϱ𝑡𝑁\displaystyle=\sum_{i}\int d^{d}r\ \mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\,\frac{\delta}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,N\}
=𝖫𝖯(t)N=𝖫N=1[H,N]=0.absent𝖫𝖯𝑡𝑁𝖫𝑁superscriptPlanck-constant-over-2-pi1𝐻𝑁0\displaystyle=\mathsf{L}\,\mathsf{P}(t)\,N=\mathsf{L}\,N=\hbar^{-1}\,[H,N]=0\ . (111)

In diesem Falle sind die rechten Seiten immer null, weil die Operatoren der Erhaltungsgrößen mit dem Hamilton-Operator vertauschen. Wir bekommen somit weitere Nebenbedingungen für den Impuls

kddrMik(𝐫,t;𝐫,t)δ𝐏[x(t)]δxk(𝐫,t)=0.subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡𝛿𝐏delimited-[]𝑥superscript𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫superscript𝑡0\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\,\frac{\delta\mathbf{P}[x(t^{\prime})]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})}=0\ . (112)

und für die Teilchenzahl

kddrMik(𝐫,t;𝐫,t)δN[x(t)]δxk(𝐫,t)=0.subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡𝛿𝑁delimited-[]𝑥superscript𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫superscript𝑡0\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\,\frac{\delta N[x(t^{\prime})]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})}=0\ . (113)

Wir haben also für die zwei Erhaltungsgrößen Impuls 𝐏[x(t)]𝐏delimited-[]𝑥𝑡\mathbf{P}[x(t)] und Teilchenzahl N[x(t)]𝑁delimited-[]𝑥𝑡N[x(t)] die vier Nebenbedingungen (108), (109) und (112), (113) hergeleitet. In diesen stehen die Funktional-Ableitungen immer auf der rechten Seite. Es gibt weitere vier Nebenbedingungen in der adjungierten Form, wo die Funktional-Ableitungen auf der linken Seite stehen.

Die wesentlichen Komponenten des GENERIC-Formalismus sind somit gefunden. Sie bestehen zum einen aus der Bewegungsgleichungen für die Erwartungswerte der relevanten Variablen (88) und zum anderen aus einer Reihe von Nebenbedingungen für die Funktionale von Energie E[x(t)]𝐸delimited-[]𝑥𝑡E[x(t)], Entropie S[x(t)]𝑆delimited-[]𝑥𝑡S[x(t)] und die Erhaltungsgrößen wie Impuls 𝐏[x(t)]𝐏delimited-[]𝑥𝑡\mathbf{P}[x(t)] und Teilchenzahl N[x(t)]𝑁delimited-[]𝑥𝑡N[x(t)]. Hinzu gehören die expliziten Formeln für die Poisson-Matrix (92), die Gedächtnismatrix (85) und die fluktuierenden Kräfte der nicht relevanten Freiheitsgrade (73).

III.5 Fluktuierende Kräfte

Der dritte Term in der Bewegungsgleichung (88) sind die fluktuierenden Kräfte fi(𝐫,t)subscript𝑓𝑖𝐫𝑡f_{i}(\mathbf{r},t), definiert in (73). Wir dürfen hier ebenfalls den Zeitentwicklungsoperator in der symmetrischen Form (83) verwenden. Es folgt dann

fi(𝐫,t)=iSp{ϱ(t0)𝖰(t0)U(t0,t)𝖰(t)𝖫ai(𝐫)}subscript𝑓𝑖𝐫𝑡𝑖Spitalic-ϱsubscript𝑡0𝖰subscript𝑡0𝑈subscript𝑡0𝑡𝖰𝑡𝖫subscript𝑎𝑖𝐫f_{i}(\mathbf{r},t)=i\ \mathrm{Sp}\{\varrho(t_{0})\,\mathsf{Q}(t_{0})\,U(t_{0},t)\,\mathsf{Q}(t)\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})\} (114)

mit U(t0,t)𝑈subscript𝑡0𝑡U(t_{0},t) definiert in (84). Folgen wir den Überlegungen von (97), (110) und (111), so finden wir Nebenbedingungen für die fluktuierenden Kräfte ähnlich wie für die Gedächtnismatrix. Wir finden Nebenbedingungen für die Energie

iddrfi(𝐫,t)δE[x(t)]δxi(𝐫,t)=0,subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑓𝑖𝐫𝑡𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡0\sum_{i}\int d^{d}r\ f_{i}(\mathbf{r},t)\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}=0\ , (115)

für den Impuls

iddrfi(𝐫,t)δ𝐏[x(t)]δxi(𝐫,t)=0subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑓𝑖𝐫𝑡𝛿𝐏delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡0\sum_{i}\int d^{d}r\ f_{i}(\mathbf{r},t)\,\frac{\delta\mathbf{P}[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}=0 (116)

und für die Teilchenzahl

iddrfi(𝐫,t)δN[x(t)]δxi(𝐫,t)=0.subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑓𝑖𝐫𝑡𝛿𝑁delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡0\sum_{i}\int d^{d}r\ f_{i}(\mathbf{r},t)\,\frac{\delta N[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}=0\ . (117)

Wir finden jedoch keine solche Nebenbedingung für die Entropie S[x(t)]𝑆delimited-[]𝑥𝑡S[x(t)]. Wählt man für die Anfangsbedingung einen reinen Quantenzustand ϱ(t0)=|Ψ(t0)Ψ(t0)|italic-ϱsubscript𝑡0ketΨsubscript𝑡0braΨsubscript𝑡0\varrho(t_{0})=|\Psi(t_{0})\rangle\langle\Psi(t_{0})|, so kann man erwarten, dass die fluktuierenden Kräfte auf kurzen Längenskalen und kurzen Zeitskalen variieren. Wählt man andererseits eine relevante Dichtematrix als Anfangsbedingung ϱ(t0)=ϱ~(t0)italic-ϱsubscript𝑡0~italic-ϱsubscript𝑡0\varrho(t_{0})=\tilde{\varrho}(t_{0}), welche definiert ist in (26), so sind die fluktuierenden Kräfte immer null.

III.6 Kontinuitätsgleichungen

In unseren bisherigen Überlegungen und Betrachtungen sind die quantenmechanischen Operatoren ai(𝐫,t)subscript𝑎𝑖𝐫𝑡a_{i}(\mathbf{r},t), welche die relevanten Variablen in Form von irgendwelchen Dichten darstellen, nicht weiter spezifiziert worden. Da wir am Ende eine normale Flüssigkeit betrachten, handelt es sich in unserem Fall speziell um Dichten von Erhaltungsgrößen. Das Noether-Theorem liefert explizite Ausdrücke nicht nur für die Dichten ai(𝐫,t)subscript𝑎𝑖𝐫𝑡a_{i}(\mathbf{r},t) sondern auch für die zugehörigen Stromdichten bim(𝐫,t)subscript𝑏𝑖𝑚𝐫𝑡b_{im}(\mathbf{r},t), so dass auf der Ebene der quantenmechanischen Operatoren die Kontinuitätsgleichung

tai(𝐫,t)+mbim(𝐫,t)=0subscript𝑡subscript𝑎𝑖𝐫𝑡subscript𝑚subscript𝑏𝑖𝑚𝐫𝑡0\partial_{t}a_{i}(\mathbf{r},t)+\partial_{m}b_{im}(\mathbf{r},t)=0 (118)

gilt, wobei m=/rmsubscript𝑚subscript𝑟𝑚\partial_{m}=\partial/\partial r_{m} die Differentialoperatoren für die räumlichen Ableitungen sind. Die quantenmechanischen Operatoren sind hier vorübergehend im Heisenberg-Bild definiert und hängen explizit von der Zeit ab. Daher gilt für die Dichten auch die Heisenberg-Bewegungsgleichung

tai(𝐫,t)=i𝖫ai(𝐫,t)=(i)1[ai(𝐫,t),H(t)].subscript𝑡subscript𝑎𝑖𝐫𝑡𝑖𝖫subscript𝑎𝑖𝐫𝑡superscript𝑖Planck-constant-over-2-pi1subscript𝑎𝑖𝐫𝑡𝐻𝑡\partial_{t}a_{i}(\mathbf{r},t)=i\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r},t)=(i\hbar)^{-1}[a_{i}(\mathbf{r},t),H(t)]\ . (119)

Durch Vergleich der beiden Gleichungen (118) und (119) finden wir im Heisenberg-Bild

i𝖫ai(𝐫,t)=mbim(𝐫,t).𝑖𝖫subscript𝑎𝑖𝐫𝑡subscript𝑚subscript𝑏𝑖𝑚𝐫𝑡i\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r},t)=-\,\partial_{m}b_{im}(\mathbf{r},t)\ . (120)

Entsprechend finden wir im Schrödinger-Bild

i𝖫ai(𝐫)=mbim(𝐫).𝑖𝖫subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑚subscript𝑏𝑖𝑚𝐫i\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r})=-\,\partial_{m}b_{im}(\mathbf{r})\ . (121)

Der Liouville-Operator 𝖫𝖫\mathsf{L} bildet also die relevanten Variablen ai(𝐫)subscript𝑎𝑖𝐫a_{i}(\mathbf{r}) in räumliche Divergenzen von Stromdichten mbim(𝐫)subscript𝑚subscript𝑏𝑖𝑚𝐫\partial_{m}b_{im}(\mathbf{r}) ab.

Die Erwartungswerte der relevanten Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) werden durch die Formel (20) mit der exakten Dichtematrix ϱ(t)italic-ϱ𝑡\varrho(t) gebildet. Entsprechend definieren wir die Erwartungswerte der Stromdichten durch die Formel

Jim(𝐫,t)=bim(𝐫)t=Sp{ϱ(t)bim(𝐫)}.subscript𝐽𝑖𝑚𝐫𝑡subscriptdelimited-⟨⟩subscript𝑏𝑖𝑚𝐫𝑡Spitalic-ϱ𝑡subscript𝑏𝑖𝑚𝐫J_{im}(\mathbf{r},t)=\langle b_{im}(\mathbf{r})\rangle_{t}=\mathrm{Sp}\{\varrho(t)\,b_{im}(\mathbf{r})\}\ . (122)

Aus der Kontinuitätsgleichung für die quantenmechanischen Operatoren folgt dann die entsprechende Kontinuitätsgleichung für die Erwartungswerte

txi(𝐫,t)+mJim(𝐫,t)=0.subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑚subscript𝐽𝑖𝑚𝐫𝑡0\partial_{t}x_{i}(\mathbf{r},t)+\partial_{m}J_{im}(\mathbf{r},t)=0\ . (123)

Weiter oben in Kapitel III.2 haben wir mit den Projektionsoperatoren die Bewegungsgleichung für die relevanten Variablen (69) hergeleitet. Diese hat drei Terme auf der rechten Seite, einen reversiblen, einen dissipativen und einen fluktuierenden. In jedem dieser drei Terme finden wir den Ausdruck 𝖫ai(𝐫)𝖫subscript𝑎𝑖𝐫\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r}), welchen wir mit (121) umformen. Auf diese Weise lässt sich die Bewegungsgleichung für die relevanten Variablen in der Form der Kontinuitätsgleichung (123) schreiben mit den Stromdichten

Jim(𝐫,t)subscript𝐽𝑖𝑚𝐫𝑡\displaystyle J_{im}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= Sp{ϱ~(t)bim(𝐫)}Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑏𝑖𝑚𝐫\displaystyle\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,b_{im}(\mathbf{r})\} (124)
+t0t𝑑tSp{ϱ~(t)i𝖫𝖰(t)U(t,t)bim(𝐫)}superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡Sp~italic-ϱsuperscript𝑡𝑖𝖫𝖰superscript𝑡𝑈superscript𝑡𝑡subscript𝑏𝑖𝑚𝐫\displaystyle+\,\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ \mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t^{\prime})\,i\,\mathsf{L}\,\mathsf{Q}(t^{\prime})\,U(t^{\prime},t)\,b_{im}(\mathbf{r})\}
+Sp{ϱ(t0)𝖰(t0)U(t0,t)bim(𝐫)}.Spitalic-ϱsubscript𝑡0𝖰subscript𝑡0𝑈subscript𝑡0𝑡subscript𝑏𝑖𝑚𝐫\displaystyle+\,\mathrm{Sp}\{\varrho(t_{0})\,\mathsf{Q}(t_{0})\,U(t_{0},t)\,b_{im}(\mathbf{r})\}\ .

Die Stromdichten haben offensichtlich ebenfalls drei Terme, einen reversiblen, einen dissipativen und einen fluktuierenden.

Da die Bewegungsgleichung in der GENERIC-Form (88) eine äquivalente Darstellung ist, muss sich diese auch in der Form der Kontinuitätsgleichung (123) schreiben lassen. Für den ersten Term auf der rechten Seite prüfen wir das später in Kapitel IV.3 explizit nach, in dem wir für eine normale Flüssigkeit die Poisson-Klammern der relevanten Variablen und somit die Poisson-Matrix Lik(𝐫,𝐫;t)subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t) explizit berechnen. Für den zweiten Term müssen wir die Gedächtnismatrix Mik(𝐫,t;𝐫,t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime}) genauer untersuchen. Diese ist in der Formel (85) mit dem Mori-Skalarprodukt definiert. Wir finden hier den Ausdruck 𝖫ai(𝐫)𝖫subscript𝑎𝑖𝐫\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r}) gleich zweimal. Ersetzen wir diesen durch die Divergenz der Stromdichten gemäß (121), so finden wir die Darstellung

Mik(𝐫,t;𝐫,t)=mnNim,kn(𝐫,t;𝐫,t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡subscriptsuperscriptabsent𝑚subscriptsuperscript𝑛subscript𝑁𝑖𝑚𝑘𝑛𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})=\partial^{\ }_{m}\partial^{\prime}_{n}\,N_{im,kn}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime}) (125)

mit zwei räumlichen Differentialoperatoren m=/rmsubscriptsuperscriptabsent𝑚subscriptsuperscript𝑟absent𝑚\partial^{\ }_{m}=\partial/\partial r^{\ }_{m}, n=/rnsubscriptsuperscript𝑛subscriptsuperscript𝑟𝑛\partial^{\prime}_{n}=\partial/\partial r^{\prime}_{n} und der neuen Gedächtnismatrix mit den Stromdichten

Nim,kn(𝐫,t;𝐫,t)=subscript𝑁𝑖𝑚𝑘𝑛𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡absent\displaystyle N_{im,kn}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})=\hskip 99.58464pt
=kB1(𝖰(t)bkn(𝐫)|U(t,t)𝖰(t)bim(𝐫))t.absentsuperscriptsubscript𝑘𝐵1subscriptconditional𝖰superscript𝑡subscript𝑏𝑘𝑛superscript𝐫𝑈superscript𝑡𝑡𝖰𝑡subscript𝑏𝑖𝑚𝐫𝑡\displaystyle=k_{B}^{-1}(\mathsf{Q}(t^{\prime})\,b_{kn}(\mathbf{r}^{\prime})|U(t^{\prime},t)\,\mathsf{Q}(t)\,b_{im}(\mathbf{r}))_{t}\ . (126)

Setzen wir nun die Gedächtnismatrix (125) in die Bewegungsgleichung in GENERIC-Form (88) ein, so finden wir, dass sich auch der zweite Term in Form einer Divergenz einer Stromdichte schreiben lässt. Die Gedächtnismatrix in der Form (125) werden wir später in Kapitel IV.4 als Ausgangspunkt für unsere Näherungen verwenden.

Zum Schluss betrachten wir die fluktuierenden Kräfte fi(𝐫,t)subscript𝑓𝑖𝐫𝑡f_{i}(\mathbf{r},t), welche in (73) oder äquivalent in (114) definiert werden. Diese stellen den dritten Term in der Bewegungsgleichung (88) dar. Wir finden hier wieder den Ausdruck 𝖫ai(𝐫)𝖫subscript𝑎𝑖𝐫\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r}) und ersetzen diesen durch die Divergenz der Stromdichten gemäß (121). Dann finden wir die fluktuierenden Kräfte in der Form

fi(𝐫,t)=mgim(𝐫,t)subscript𝑓𝑖𝐫𝑡subscript𝑚subscript𝑔𝑖𝑚𝐫𝑡\displaystyle f_{i}(\mathbf{r},t)=-\,\partial_{m}\,g_{im}(\mathbf{r},t) (127)

mit den fluktuierenden Stromdichten

gim(𝐫,t)=Sp{ϱ(t0)𝖰(t0)U(t0,t)𝖰(t)bim(𝐫)}.subscript𝑔𝑖𝑚𝐫𝑡Spitalic-ϱsubscript𝑡0𝖰subscript𝑡0𝑈subscript𝑡0𝑡𝖰𝑡subscript𝑏𝑖𝑚𝐫g_{im}(\mathbf{r},t)=\mathrm{Sp}\{\varrho(t_{0})\,\mathsf{Q}(t_{0})\,U(t_{0},t)\,\mathsf{Q}(t)\,b_{im}(\mathbf{r})\}\ . (128)

Die Darstellung der fluktuierenden Kräfte (127) durch Divergenzen von fluktuierenden Stromdichten werden wir später in Kapitel IV.5 verwenden.

III.7 Allgemeine Bewegungsgleichungen für Entropie, Energie und die Erhaltungsgrößen

Aus der Bewegungsgleichung für die Erwartungswerte der relevanten Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) können wir Bewegungsgleichungen für die Entropie S[x(t)]𝑆delimited-[]𝑥𝑡S[x(t)], die Energie E[x(t)]𝐸delimited-[]𝑥𝑡E[x(t)] und die weiteren Erhaltungsgrößen wie Impuls 𝐏[x(t)]𝐏delimited-[]𝑥𝑡\mathbf{P}[x(t)] und Teilchenzahl N[x(t)]𝑁delimited-[]𝑥𝑡N[x(t)] herleiten. Wir beginnen mit der Entropie und erhalten

ddtS[x(t)]𝑑𝑑𝑡𝑆delimited-[]𝑥𝑡\displaystyle\frac{d}{dt}\,S[x(t)] =\displaystyle= iddrδS[x(t)]δxi(𝐫,t)xi(𝐫,t)tsubscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝑡\displaystyle\sum_{i}\int d^{d}r\ \frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\ \frac{\partial x_{i}(\mathbf{r},t)}{\partial t} (129)
=\displaystyle= iddrkddrδS[x(t)]δxi(𝐫,t)Lik(𝐫,𝐫;t)δE[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{i}\int d^{d}r\ \sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ \frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}
+iddrkddrt0t𝑑tδS[x(t)]δxi(𝐫,t)Mik(𝐫,t;𝐫,t)δS[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡𝛿𝑆delimited-[]𝑥superscript𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle+\,\sum_{i}\int d^{d}r\ \sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ \frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\,\frac{\delta S[x(t^{\prime})]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})}
+iddrδS[x(t)]δxi(𝐫,t)fi(𝐫,t).subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑓𝑖𝐫𝑡\displaystyle+\,\sum_{i}\int d^{d}r\ \frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,f_{i}(\mathbf{r},t)\ .

Für das zweite Gleichheitszeichen haben wir die Bewegungsgleichungen in der GENERIC-Form (88) verwendet. Die Nebenbedingung für die Entropie (96) in der adjungierten Form bewirkt, dass der erste Term mit den direkten Kopplungen an die relevanten Variablen weg fällt. Die Entropie-Gleichung vereinfacht sich also auf

ddtS[x(t)]=iddrkddrt0t𝑑tδS[x(t)]δxi(𝐫,t)Mik(𝐫,t;𝐫,t)δS[x(t)]δxk(𝐫,t)+iddrδS[x(t)]δxi(𝐫,t)fi(𝐫,t).𝑑𝑑𝑡𝑆delimited-[]𝑥𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡𝛿𝑆delimited-[]𝑥superscript𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫superscript𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑓𝑖𝐫𝑡\frac{d}{dt}\,S[x(t)]=\sum_{i}\int d^{d}r\ \sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ \frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\,\frac{\delta S[x(t^{\prime})]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})}+\,\sum_{i}\int d^{d}r\ \frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,f_{i}(\mathbf{r},t)\ . (130)

Der quadratische Term mit der Gedächtnismatrix ist ein Hinweis auf den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, welcher besagt, dass die Entropie mit der Zeit immer anwächst oder zumindest konstant bleibt. Wenn die Gedächtnismatrix (85) symmetrisch und positiv definit wäre, dann wäre dieser Term immer positiv. Da wir jedoch bisher keine Näherung durchgeführt haben, ist die Zeitumkehrinvarianz der zugrunde liegenden mikroskopischen Quantentheorie nicht gebrochen, so dass der zweite Hauptsatz der Thermodynamik hier nicht gelten kann.

Wir fahren fort mit der Energie und erhalten

ddtE[x(t)]𝑑𝑑𝑡𝐸delimited-[]𝑥𝑡\displaystyle\frac{d}{dt}\,E[x(t)] =\displaystyle= iddrδE[x(t)]δxi(𝐫,t)xi(𝐫,t)tsubscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝑡\displaystyle\sum_{i}\int d^{d}r\ \frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\ \frac{\partial x_{i}(\mathbf{r},t)}{\partial t} (131)
=\displaystyle= iddrkddrδE[x(t)]δxi(𝐫,t)Lik(𝐫,𝐫;t)δE[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{i}\int d^{d}r\ \sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ \frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}
+iddrkddrt0t𝑑tδE[x(t)]δxi(𝐫,t)Mik(𝐫,t;𝐫,t)δS[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡𝛿𝑆delimited-[]𝑥superscript𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle+\,\sum_{i}\int d^{d}r\ \sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ \frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\,\frac{\delta S[x(t^{\prime})]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})}
+iddrδE[x(t)]δxi(𝐫,t)fi(𝐫,t).subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑓𝑖𝐫𝑡\displaystyle+\,\sum_{i}\int d^{d}r\ \frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,f_{i}(\mathbf{r},t)\ .

Der erste Term auf der rechten Seite ist null, weil die Possion-Matrix antisymmetrisch ist gemäß (93). Der zweite Term ist null wegen der Nebenbedingung für die Energie (99) in der adjungierten Form. Der dritte Term ist null wegen der Nebenbedingung (115). Alle Terme auf der rechten Seite sind also null. Folglich ist die Energie E[x(t)]𝐸delimited-[]𝑥𝑡E[x(t)] zeitlich konstant, wie es für eine Erhaltungsgröße zu erwarten ist.

Für die weiteren Erhaltungsgrößen Impuls 𝐏[x(t)]𝐏delimited-[]𝑥𝑡\mathbf{P}[x(t)] und Teilchenzahl N[x(t)]𝑁delimited-[]𝑥𝑡N[x(t)] liefern die Nebenbedingungen analoge Ergebnisse. Eine Ausnahme ist der erste Term in der Gleichung für den Impuls. Wegen der Nebenbedingung (108) ist nicht unmittelbar klar, dass dieser Term null ist. Wir finden

ddt𝐏[x(t)]=iddrkddrδ𝐏[x(t)]δxi(𝐫,t)Lik(𝐫,𝐫;t)δE[x(t)]δxk(𝐫,t)=iddr(xi(𝐫,t))δE[x(t)]δxi(𝐫,t)=𝟎.𝑑𝑑𝑡𝐏delimited-[]𝑥𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟𝛿𝐏delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡0\frac{d}{dt}\,\mathbf{P}[x(t)]=\sum_{i}\int d^{d}r\ \sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ \frac{\delta\mathbf{P}[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}=\sum_{i}\int d^{d}r\ (\nabla x_{i}(\mathbf{r},t))\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}=\mathbf{0}\ . (132)

Der Term ist dennoch null, weil die Energie symmetrisch unter räumlichen Translationen ist. Dieses Argument gilt ganz allgemein, weil Erhaltungsgrößen immer mit Symmetrie-Eigenschaften verbunden sind. Man kann also allgemein zeigen, dass der erste Term immer null ergibt, auch wenn die zugehörige Nebenbedingung zunächst etwas von null Verschiedenes liefert. Fassen wir nochmals zusammen, wo finden wir die Bewegungsgleichungen für die Energie, den Impuls und die Teilchenzahl

ddtE[x(t)]=0,ddt𝐏[x(t)]=𝟎,ddtN[x(t)]=0,formulae-sequence𝑑𝑑𝑡𝐸delimited-[]𝑥𝑡0formulae-sequence𝑑𝑑𝑡𝐏delimited-[]𝑥𝑡0𝑑𝑑𝑡𝑁delimited-[]𝑥𝑡0\frac{d}{dt}\,E[x(t)]=0\ ,\qquad\frac{d}{dt}\,\mathbf{P}[x(t)]=\mathbf{0}\ ,\qquad\frac{d}{dt}\,N[x(t)]=0\ , (133)

wie man sie für Erhaltungsgrößen erwartet.

III.8 Thermisches Gleichgewicht

Die Bewegungsgleichungen für die relevanten Veriablen (88) kann man umschreiben in die Form

txi(𝐫,t)subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\partial_{t}x_{i}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= 𝐯xi(𝐫,t)+kddrLik(𝐫,𝐫;t)δΩ[x(t)]δxk(𝐫,t)𝐯subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿Ωdelimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle-\,\mathbf{v}\cdot\nabla x_{i}(\mathbf{r},t)+\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta\Omega[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)} (134)
1Tkddrt0t𝑑tMik(𝐫,t;𝐫,t)δΩ[x(t)]δxk(𝐫,t)1𝑇subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡𝛿Ωdelimited-[]𝑥superscript𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle-\,\frac{1}{T}\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\,\frac{\delta\Omega[x(t^{\prime})]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})}
+fi(𝐫,t)subscript𝑓𝑖𝐫𝑡\displaystyle+\,f_{i}(\mathbf{r},t)

mit dem großkanonischen thermodynamischen Potential

Ω[x(t)]=E[x(t)]TS[x(t)]𝐯𝐏[x(t)]μN[x(t)].Ωdelimited-[]𝑥𝑡𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝑇𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝐯𝐏delimited-[]𝑥𝑡𝜇𝑁delimited-[]𝑥𝑡\Omega[x(t)]=E[x(t)]-T\,S[x(t)]-\mathbf{v}\cdot\mathbf{P}[x(t)]-\mu\,N[x(t)]\ . (135)

Die Äquivalenz zwischen (134) und der GENERIC-Form (88) folgt aus den Nebenbedingungen. Vom ersten Term spaltet sich ein Term mit der Geschwindigkeit 𝐯𝐯\mathbf{v} ab, weil die rechte Seite der Nebenbedingung (108) nicht null ist.

Im thermischen Gleichgewicht wird die Entropie S[x(t)]𝑆delimited-[]𝑥𝑡S[x(t)] maximal unter den Nebenbedingungen, dass die Energie E[x(t)]𝐸delimited-[]𝑥𝑡E[x(t)], der Impuls 𝐏[x(t)]𝐏delimited-[]𝑥𝑡\mathbf{P}[x(t)] und die Teilchenzahl N[x(t)]𝑁delimited-[]𝑥𝑡N[x(t)] fest Werte annehmen. Unter der Verwendung der geeigneten Lagrange-Parameter Temperatur T𝑇T, Geschwindigkeit 𝐯𝐯\mathbf{v} und chemisches Potential μ𝜇\mu führt das auf die notwendige Bedingung für das großkanonische thermodynamische Potential

δΩ[x(t)]δxk(𝐫,t)=0.𝛿Ωdelimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡0\frac{\delta\Omega[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}=0\ . (136)

Zwei der Terme in (134) sind somit null. Nehmen wir als Anfangsbedingung eine relevante Dichtematrix ϱ(t0)=ϱ~(t0)italic-ϱsubscript𝑡0~italic-ϱsubscript𝑡0\varrho(t_{0})=\tilde{\varrho}(t_{0}), welche definiert ist in (26), so sind auch die fluktuierenden Kräfte null. Es verbleibt dann nur noch der allererste Term, und die Bewegungsgleichungen vereinfachen sich auf

txi(𝐫,t)=𝐯xi(𝐫,t).subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝐯subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\partial_{t}x_{i}(\mathbf{r},t)=-\,\mathbf{v}\cdot\nabla x_{i}(\mathbf{r},t)\ . (137)

Die allgemeine Lösung dieser Gleichung lautet

xi(𝐫,t)=ξi(𝐫𝐯t),subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝜉𝑖𝐫𝐯𝑡x_{i}(\mathbf{r},t)=\xi_{i}(\mathbf{r}-\mathbf{v}t)\ , (138)

wobei ξi(𝐫)subscript𝜉𝑖𝐫\xi_{i}(\mathbf{r}) zunächst eine beliebige Funktion ist. Letztere wird jedoch festgelegt durch die notwendige Bedingung (136) für die Maximierung der Entropie unter den Nebenbedingungen. Im einfachsten Fall ist ξi(𝐫)=ξisubscript𝜉𝑖𝐫subscript𝜉𝑖\xi_{i}(\mathbf{r})=\xi_{i} eine Konstante. Dann ist das physikalische System räumlich homogen, wie man es von einer normalen Flüssigkeit im thermischen Gleichgewicht erwartet.

Falls dennoch räumliche Inhomogenitäten vorhanden sind, so zeigt die Lösung (138), dass diese sich mit einer konstanten Geschwindigkeit 𝐯𝐯\mathbf{v} im Raum bewegen. Wir kommen so dem tieferen Sinn der rechten Seite der Nebenbedingungen wie (108) näher. Die Erhaltungsgröße hängt mit einer Symmetrietransformation zusammen und erzeugt diese über den Kommutator (107). Die Lösung bewegt sich dann entlang der Symmetrietransformation gleichförmig mit einer konstanten Geschwindigkeit.

III.9 Poisson-Klammern

Dzyaloshinskii und Volovik DV80 haben einen eleganten Weg vorgestellt, wie man die reversiblen Anteile der hydrodynamischen Gleichungen mit Poisson-Klammern herleiten kann. Wir wollen hier zeigen, dass im GENERIC-Formalismus der erste Term auf der rechten Seite der Bewegungsgleichung (88) genau diese Form hat. Mit der antisymmetrischen Poisson-Matrix (92) können wir für zwei beliebige Funktionale F[x(t)]𝐹delimited-[]𝑥𝑡F[x(t)] und G[x(t)]𝐺delimited-[]𝑥𝑡G[x(t)] eine Poisson-Klammer definieren durch

{F[x(t)],G[x(t)]}=iddrkddrδF[x(t)]δxi(𝐫,t)Lik(𝐫,𝐫;t)δG[x(t)]δxk(𝐫,t).𝐹delimited-[]𝑥𝑡𝐺delimited-[]𝑥𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟𝛿𝐹delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐺delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\{F[x(t)],G[x(t)]\}=\sum_{i}\int d^{d}r\ \sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ \frac{\delta F[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta G[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}\ . (139)

Setzen wir hier F[x(t)]=xi(𝐫,t)𝐹delimited-[]𝑥𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡F[x(t)]=x_{i}(\mathbf{r},t) und G[x(t)]=E[x(t)]𝐺delimited-[]𝑥𝑡𝐸delimited-[]𝑥𝑡G[x(t)]=E[x(t)] ein, so bekommen wir mit

{xi(𝐫,t),E[x(t)]}=kddrLik(𝐫,𝐫;t)δE[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝐸delimited-[]𝑥𝑡subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\{x_{i}(\mathbf{r},t),E[x(t)]\}=\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)} (140)

exakt den ersten Term auf der rechten Seite von (88). Somit lässt sich der reversible Anteil der hydrodynamischen Gleichungen in der Form

txi(𝐫,t)={xi(𝐫,t),E[x(t)]}+subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝐸delimited-[]𝑥𝑡\partial_{t}\,x_{i}(\mathbf{r},t)=\{x_{i}(\mathbf{r},t),E[x(t)]\}+\cdots (141)

schreiben. Dieses Ergebnis stimmt genau mit der Formulierung von Dzyaloshinskii und Volovik DV80 überein.

Die Nebenbedingungen, welche mit der Poisson-Matrix (92) formuliert werden, lassen sich ebenfalls durch Poisson-Klammern darstellen. Setzen wir G[x(t)]=S[x(t)]𝐺delimited-[]𝑥𝑡𝑆delimited-[]𝑥𝑡G[x(t)]=S[x(t)] ein, so erhalten wir aus (95) die Nebenbedingung für die Entropie

{xi(𝐫,t),S[x(t)]}=0.subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝑆delimited-[]𝑥𝑡0\{x_{i}(\mathbf{r},t),S[x(t)]\}=0\ . (142)

Setzen wir weiterhin 𝐏[x(t)]𝐏delimited-[]𝑥𝑡\mathbf{P}[x(t)] und N[x(t)]𝑁delimited-[]𝑥𝑡N[x(t)] ein, so bekommen wir aus (108) und (109) die Nebenbedingungen für die Erhaltungsgrößen

{xi(𝐫,t),𝐏[x(t)]}subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝐏delimited-[]𝑥𝑡\displaystyle\{x_{i}(\mathbf{r},t),\mathbf{P}[x(t)]\} =\displaystyle= xi(𝐫,t),subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle-\nabla x_{i}(\mathbf{r},t)\ , (143)
{xi(𝐫,t),N[x(t)]}subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝑁delimited-[]𝑥𝑡\displaystyle\{x_{i}(\mathbf{r},t),N[x(t)]\} =\displaystyle= 0.0\displaystyle 0\ . (144)

Diese Poisson-Klammern korrespondieren zu den quantenmechanischen Kommutatoren (107). Die rechten Seiten sind im allgemeinen nicht null, weil die Erhaltungsgrößen mit Symmetrie-Transformationen zusammenhängen und diese im Sinne der Lie-Gruppen erzeugen.

Setzen wir nun für F[x(t)]=E[x(t)]𝐹delimited-[]𝑥𝑡𝐸delimited-[]𝑥𝑡F[x(t)]=E[x(t)] die Energie ein, so erhalten wir die Poisson-Klammern

{E[x(t)],S[x(t)]}𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝑆delimited-[]𝑥𝑡\displaystyle\{E[x(t)],S[x(t)]\} =\displaystyle= 0,0\displaystyle 0\ , (145)
{E[x(t)],𝐏[x(t)]}𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝐏delimited-[]𝑥𝑡\displaystyle\{E[x(t)],\mathbf{P}[x(t)]\} =\displaystyle= 𝟎,0\displaystyle\mathbf{0}\ , (146)
{E[x(t)],N[x(t)]}𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝑁delimited-[]𝑥𝑡\displaystyle\{E[x(t)],N[x(t)]\} =\displaystyle= 0.0\displaystyle 0\ . (147)

Die rechten Seiten sind hier immer null, weil die Energie E[x(t)]𝐸delimited-[]𝑥𝑡E[x(t)] symmetrisch unter den Transformationen ist. Für (146) können wir das explizit nachprüfen analog zu (132). Die korrespondierenden Kommutatoren legen andererseits nahe, dass die rechten Seiten von (146) und (147) null sein müssen, weil 𝐏[x(t)]𝐏delimited-[]𝑥𝑡\mathbf{P}[x(t)] und N[x(t)]𝑁delimited-[]𝑥𝑡N[x(t)] Erhaltungsgrößen sind. Das großkanonische thermodynamische Potential Ω[x(t)]Ωdelimited-[]𝑥𝑡\Omega[x(t)] ist in (135) als Linearkombination der Energie E[x(t)]𝐸delimited-[]𝑥𝑡E[x(t)], der Entropie S[x(t)]𝑆delimited-[]𝑥𝑡S[x(t)] und der Erhaltungsgrößen 𝐏[x(t)]𝐏delimited-[]𝑥𝑡\mathbf{P}[x(t)] und N[x(t)]𝑁delimited-[]𝑥𝑡N[x(t)] dargestellt. Folglich gilt ebenso

{E[x(t)],Ω[x(t)]}=0.𝐸delimited-[]𝑥𝑡Ωdelimited-[]𝑥𝑡0\displaystyle\{E[x(t)],\Omega[x(t)]\}=0\ . (148)

Diese Gleichung werden wir später in Kapitel VI verwenden.

Die elementaren Poisson-Klammern bekommen wir, in dem wir F[x(t)]=xi(𝐫,t)𝐹delimited-[]𝑥𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡F[x(t)]=x_{i}(\mathbf{r},t) und G[x(t)]=xk(𝐫,t)𝐺delimited-[]𝑥𝑡subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡G[x(t)]=x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t) in die allgemeine Poisson-Klammer (139) einsetzen. Verwenden wir weiterhin die Poisson-Matrix (92), so bekommen wir

Lik(𝐫,𝐫;t)subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡\displaystyle L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t) =\displaystyle= {xi(𝐫,t),xk(𝐫,t)}subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\{x_{i}(\mathbf{r},t),x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)\} (149)
=\displaystyle= (i)1Sp{ϱ~(t)[ai(𝐫),ak(𝐫)]}.superscript𝑖Planck-constant-over-2-pi1Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐫subscript𝑎𝑘superscript𝐫\displaystyle(i\hbar)^{-1}\,\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,[a_{i}(\mathbf{r}),a_{k}(\mathbf{r}^{\prime})]\}\ .

Die elementaren Poisson-Klammern der relevanten Erwartungswerte lassen sich folglich berechnen aus den Erwartungswerten der Kommutatoren der relevanten Variablen, wobei wie üblich in der Quantentheorie ein Faktor (i)1superscript𝑖Planck-constant-over-2-pi1(i\hbar)^{-1} hinzugefügt wird. Wir bemerken jedoch, dass eine Jacobi-Identitiät mit den Poisson-Klammern für die relevanten Erwartungswerte im allgemeinen nicht gilt. Wegen der Erwartungswert-Bildung mit der Spur und der relevanten Dichtematrix in (149) überträgt sich die Jacobi-Identität mit den Kommutatoren im allgemeinen nicht auf eine Jacobi-Identität mit den entsprechenden Poisson-Klammern.

IV Hydrodynamik

Bisher sind keine Näherungen durchgeführt worden. Alle Gleichungen von Kapitel III gelten exakt. Es wurde lediglich mit (26) eine relevante Dichtematrix ϱ~(t)~italic-ϱ𝑡\tilde{\varrho}(t) definiert, welche die Entropie unter gewissen Nebenbedingungen maximiert. Diese kann man natürlich als Näherung für die exakte Dichtematrix ϱ(t)italic-ϱ𝑡\varrho(t) betrachten. Die relevante Dichtematrix wird jedoch nicht als Näherung verwendet, sondern zur Definition der Entropie (21) und zur Definition von zwei Projektionsoperatoren (44) und (50), welche eine Aufteilung der physikalischen Variablen in relevante und restliche irrelevante erlaubt. Das exakte Ergebnis waren die Bewegungsgleichungen für die Erwartungswerte der relevanten Variablen (88) zusammen mit einigen Nebenbedingungen. Die Aufteilung der Variablen liefert auf der rechten Seite drei Terme: den ersten Term für die direkten Kopplungen der relevanten Variablen, den zweiten Term für die indirekte Kopplung über die restlichen irrelevanten Variablen mit Gedächtniseffekten und den dritten Term für die verbleibenden fluktuierenden Kräfte durch die restlichen irrelevanten Variablen. Im Folgenden wollen wir zeigen, dass man aus den Bewegungsgleichungen (88) mit ein paar wenigen Annahmen und Näherungen die hydrodynamischen Gleichungen für eine normale Flüssigkeit erhält.

IV.1 Hydrodynamische Näherung

In der Hydrodynamik werden Eigenschaften von normalen Flüssigkeiten untersucht, die auf großen Längenskalen und großen Zeitskalen stattfinden. Die mikroskopische Struktur der Flüssigkeit im einzelnen hat keinen Einfluss. Aus welchen Atomen oder Molekülen die Flüssigkeit besteht und wie sich diese bewegen spielt im Detail keine Rolle. Folglich werden sich die Variablen der Theorie, die Erwartungswerte xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) und die Lagrange-Parameter λi(𝐫,t)subscript𝜆𝑖𝐫𝑡\lambda_{i}(\mathbf{r},t), nur langsam mit der Ortsvariable 𝐫𝐫\mathbf{r} und langsam mit der Zeit t𝑡t verändern. Gradienten dieser Variablen werden zunächst vernachlässigt. Man nimmt daher näherungsweise an, dass sich die Flüssigkeit lokal in einem thermischen Gleichgewicht befindet GM62 . Das bedeutet, dass sich die relevante Dichtematrix (26) nicht so stark von der großkanonischen Boltzmann-Verteilung (30) unterscheiden sollte.

Wir haben mit (80) gezeigt, dass im thermischen Gleichgewicht der Liouville-Operator 𝖫𝖫\mathsf{L} selbstadjungiert oder hermitesch ist, weil der Hamilton-Operator mit der Boltzmann-Verteilung vertauscht gemäß [ϱ~eq,H]=0subscript~italic-ϱeq𝐻0[\tilde{\varrho}_{\mathrm{eq}},H]=0. In der Hydrodynamik befindet sich die Flüssigkeit in einem Nichtgleichgewichtszustand. Dieser Zustand ist jedoch lokal nicht so weit vom Gleichgewicht entfernt. Man spricht hier von einem lokalen thermischen Gleichgewicht. Wir können daher näherungsweise annehmen, dass die relevante Dichtematrix mit dem Hamilton-Operator vertauscht gemäß [ϱ~(t),H]0~italic-ϱ𝑡𝐻0[\tilde{\varrho}(t),H]\approx 0. Dann ist nach (80) auch der Liouville-Operator 𝖫𝖫\mathsf{L} näherungsweise selbstadjungiert oder hermitesch, und es gilt

(Y1|𝖫Y2)t(𝖫Y1|Y2)twegen[ϱ~(t),H]0.formulae-sequencesubscriptconditionalsubscript𝑌1𝖫subscript𝑌2𝑡subscriptconditional𝖫subscript𝑌1subscript𝑌2𝑡wegen~italic-ϱ𝑡𝐻0(Y_{1}|\mathsf{L}Y_{2})_{t}\approx(\mathsf{L}Y_{1}|Y_{2})_{t}\quad\mbox{wegen}\quad[\tilde{\varrho}(t),H]\approx 0\ . (150)

In Folge lassen sich die Frequenzmatrix (81) und die Gedächtnismatrix (85) mit dem Mori-Skalarprodukt auch für das Nichtgleichgewicht näherungsweise in symmetrischer Form schreiben, wie die Formeln (86) und (87) für das thermische Gleichgewicht. Wir erhalten also näherungsweise die Frequenzmatrix

Ωik(𝐫,𝐫;t)ikB1(ak(𝐫)|𝖫|ai(𝐫))tsubscriptΩ𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝑖superscriptsubscript𝑘𝐵1subscriptsubscript𝑎𝑘superscript𝐫𝖫subscript𝑎𝑖𝐫𝑡\Omega_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\approx-i\,k_{B}^{-1}(a_{k}(\mathbf{r}^{\prime})|\,\mathsf{L}\,|a_{i}(\mathbf{r}))_{t} (151)

und die Gedächtnismatrix

Mik(𝐫,t;𝐫,t)kB1(𝖰(t)𝖫ak(𝐫)|U(t,t)|𝖰(t)𝖫ai(𝐫))t.subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡superscriptsubscript𝑘𝐵1subscript𝖰superscript𝑡𝖫subscript𝑎𝑘superscript𝐫𝑈superscript𝑡𝑡𝖰𝑡𝖫subscript𝑎𝑖𝐫𝑡M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\approx k_{B}^{-1}(\mathsf{Q}(t^{\prime})\,\mathsf{L}\,a_{k}(\mathbf{r}^{\prime})|U(t^{\prime},t)|\mathsf{Q}(t)\,\mathsf{L}\,a_{i}(\mathbf{r}))_{t}\ . (152)

Wir haben hier wieder das Mori-Skalarprodukt mit zwei senkrechten Strichen in der Mitte geschrieben, um jeweils den Operator hervorzuheben, den man im Mori-Skalarprodukt durch Adjungieren entweder nach vorne oder nach hinten stellen kann. Die Frequenzmatrix ist somit näherungsweise antisymmetrisch

Ωik(𝐫,𝐫;t)Ωki(𝐫,𝐫;t),subscriptΩ𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡subscriptΩ𝑘𝑖superscript𝐫𝐫𝑡\Omega_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\approx-\Omega_{ki}(\mathbf{r}^{\prime},\mathbf{r};t)\ , (153)

und die Gedächtnismatrix ist näherungsweise symmetrisch

Mik(𝐫,t;𝐫,t)Mki(𝐫,t;𝐫,t).subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡subscript𝑀𝑘𝑖superscript𝐫superscript𝑡𝐫𝑡M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\approx M_{ki}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime};\mathbf{r},t)\ . (154)

Die Poisson-Matrix vom GENERIC-Formalismus (92) ist bereits im Nichtgleichgewicht antisymmetrisch gemäß (93). Hier brauchen wir keine Näherung durchführen.

Entscheidend für den Erfolg der hydrodynamischen Näherung ist die richtige Auswahl der relevanten Variablen. Man muss hier eine Trennung der räumlichen und zeitlichen Skalen erreichen. Das bedeutet, mit der Auswahl muss man alle räumlich und zeitlich langsamen Variablen erwischen, so dass die restlichen irrelevanten Variablen alle räumlich und zeitlich schnell variieren. Für die Bewegungsgleichung (88) hat dies zur Folge, dass Gedächtniseffekte im zweiten Term vernachlässigbar werden und die fluktuierenden Kräfte im dritten Term auf kurzen Längenskalen und Zeitskalen variieren.

Konstante Variablen einer normalen Flüssigkeit sind die Erhaltungsgrößen Energie E[x(t)]𝐸delimited-[]𝑥𝑡E[x(t)], Impuls 𝐏[x(t)]𝐏delimited-[]𝑥𝑡\mathbf{P}[x(t)] und Teilchenzahl N[x(t)]𝑁delimited-[]𝑥𝑡N[x(t)]. Die Operatoren hierfür sind in (89), (102) und (103) als Linearkombinationen der relevanten Variablen ai(𝐫)subscript𝑎𝑖𝐫a_{i}(\mathbf{r}) dargestellt. Als langsame relevante Variablen sind daher die Dichten dieser Erhaltungsgrößen geeignet. Wir wählen die Massendichte, die Impulsdichte und die Energiedichte definiert durch die Linearkombinationen

ρ(𝐫)𝜌𝐫\displaystyle\rho(\mathbf{r}) =\displaystyle= imniai(𝐫),subscript𝑖𝑚subscript𝑛𝑖subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle\sum_{i}m\,n_{i}\,a_{i}(\mathbf{r})\ , (155)
𝐣(𝐫)𝐣𝐫\displaystyle\mathbf{j}(\mathbf{r}) =\displaystyle= i𝐩iai(𝐫),subscript𝑖subscript𝐩𝑖subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle\sum_{i}\mathbf{p}_{i}\,a_{i}(\mathbf{r})\ , (156)
ε(𝐫)𝜀𝐫\displaystyle\varepsilon(\mathbf{r}) =\displaystyle= iεiai(𝐫),subscript𝑖subscript𝜀𝑖subscript𝑎𝑖𝐫\displaystyle\sum_{i}\varepsilon_{i}\,a_{i}(\mathbf{r})\ , (157)

wobei nisubscript𝑛𝑖n_{i}, 𝐩isubscript𝐩𝑖\mathbf{p}_{i} und εisubscript𝜀𝑖\varepsilon_{i} die entsprechenden Koeffizienten sind. Anstelle der Teilchendichte n(𝐫)𝑛𝐫n(\mathbf{r}) verwendet man in der Hydrodynmik üblicherweise die Massendichte ρ(𝐫)𝜌𝐫\rho(\mathbf{r}). Der Unterschied ist ein Faktor m𝑚m für die Masse eines Teilchens. Beachten wir, dass die Impulsdichte drei räumliche Komponenten hat, so stellen wir fest, dass die relevanten Variablen einer normalen Flüssigkeit aus genau fünf verschiedenen Dichten bestehen. Da die lineare Abbildung in (155)-(157) umkehrbar eindeutig sein muss, kann der Index i=1,,5𝑖1.5i=1,\ldots,5 genau fünf Werte annehmen.

Wir vernachlässigen Gedächtniseffekte, indem wir die Gedächtnismatrix mit einer Delta-Funktion in der Zeit schreiben gemäß

Mik(𝐫,t;𝐫,t)2Mik(𝐫,𝐫;t)δ(tt).subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡2subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝑡superscript𝑡M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\approx 2\,M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\delta(t-t^{\prime})\ . (158)

Der Faktor 222 ist erforderlich, weil die Zeit-Integration in den Gedächtnistermen der Bewegungsgleichungen immer nur über das halbe Intervall der Delta-Funktion reicht. Die Matrix Mik(𝐫,𝐫;t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t), welche auf der rechten Seite von (158) definiert wird, bezeichnet man als Onsager-Matrix. Wegen (154) ist sie symmetrisch. Die Poisson-Matrix Lik(𝐫,𝐫;t)subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t), welche in (92) definiert ist, ist dagegen antisymmetrisch. Es gelten also die zwei Symmetriebedingungen

Lik(𝐫,𝐫;t)subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡\displaystyle L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t) =\displaystyle= Lki(𝐫,𝐫;t),subscript𝐿𝑘𝑖superscript𝐫𝐫𝑡\displaystyle-L_{ki}(\mathbf{r}^{\prime},\mathbf{r};t)\ , (159)
Mik(𝐫,𝐫;t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡\displaystyle M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t) =\displaystyle= +Mki(𝐫,𝐫;t).subscript𝑀𝑘𝑖superscript𝐫𝐫𝑡\displaystyle+M_{ki}(\mathbf{r}^{\prime},\mathbf{r};t)\ . (160)

Setzen wir nun die Gedächtnismatrix (158) in die Bewegungsgleichung des GENERIC-Formalismus (88) ein und führen die Integration über die Zeit aus, so vereinfacht sich diese Gleichung auf

txi(𝐫,t)subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\partial_{t}x_{i}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= kddrLik(𝐫,𝐫;t)δE[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)} (161)
+kddrMik(𝐫,𝐫;t)δS[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝑆delimited-[]𝑥superscript𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle+\,\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta S[x(t^{\prime})]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})}
+fi(𝐫,t).subscript𝑓𝑖𝐫𝑡\displaystyle+\,f_{i}(\mathbf{r},t)\ .

Ebenso vereinfacht sich die Entropie-Gleichung (130), und wir erhalten

ddtS[x(t)]=iddrkddrδS[x(t)]δxi(𝐫,t)Mik(𝐫,𝐫,t)δS[x(t)]δxk(𝐫,t)+iddrδS[x(t)]δxi(𝐫,t)fi(𝐫,t).𝑑𝑑𝑡𝑆delimited-[]𝑥𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑓𝑖𝐫𝑡\frac{d}{dt}\,S[x(t)]=\sum_{i}\int d^{d}r\ \sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ \frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime},t)\,\frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)}+\,\sum_{i}\int d^{d}r\ \frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\,f_{i}(\mathbf{r},t)\ . (162)

Die wichtigsten Nebenbedingungen des GENERIC-Formalismus vereinfachen sich auf

kddrLik(𝐫,𝐫;t)δS[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)} =\displaystyle= 0,0\displaystyle 0\ , (163)
kddrMik(𝐫,𝐫;t)δE[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)} =\displaystyle= 0.0\displaystyle 0\ . (164)

Die weiteren Nebenbedingungen für die Erhaltungsgrößen Impuls 𝐏[x(t)]𝐏delimited-[]𝑥𝑡\mathbf{P}[x(t)] und Teilchenzahl N[x(t)]𝑁delimited-[]𝑥𝑡N[x(t)] vereinfachen sich entsprechend. Für den Impuls erhalten wir

kddrLik(𝐫,𝐫;t)δ𝐏[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐏delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta\mathbf{P}[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)} =\displaystyle= xi(𝐫,t),subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle-\nabla\,x_{i}(\mathbf{r},t)\ , (165)
kddrMik(𝐫,𝐫;t)δ𝐏[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝐏delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta\mathbf{P}[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)} =\displaystyle= 𝟎,0\displaystyle\mathbf{0}\ , (166)

und für die Teilchenzahl

kddrLik(𝐫,𝐫;t)δN[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝐿𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝑁delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ L_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta N[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)} =\displaystyle= 0,0\displaystyle 0\ , (167)
kddrMik(𝐫,𝐫;t)δN[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘superscript𝑑𝑑superscript𝑟subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝑁delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\sum_{k}\int d^{d}r^{\prime}\ M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\frac{\delta N[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)} =\displaystyle= 0.0\displaystyle 0\ . (168)

Entsprechende Nebenbedingungen gelten auch für die fluktuierenden Kräfte fi(𝐫,t)subscript𝑓𝑖𝐫𝑡f_{i}(\mathbf{r},t).

Die Gleichungen (161)-(168) zusammen mit den Symmetriebedingungen (159) und (160) wurden ursprünglich von Grmela und Öttinger GO97A ; GO97B ; Ot05 aufgestellt und aus den mikroskopischen Theorien für klassische Flüssigkeiten und Quantenflüssigkeiten hergeleitet. In ihrer Gesamtheit definieren sie den GENERIC-Formalismus. In ihrer ursprünglichen Form enthalten sie keine Gedächtniseffekte. Unsere Gleichungen in Kapitel III dagegen wurden ohne irgendeine Näherung hergeleitet und beinhalten somit alle Gedächtniseffekte. Folglich sind die Bewegungsgleichungen und Nebenbedingungen in Kapitel III eine Erweiterung des GENERIC-Formalismus, welche Gedächtniseffekte mit einschließt.

Die Onsager-Matrix Mik(𝐫,𝐫;t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t) ist im allgemeinen positiv semidefinit. Das bedeutet, ihre Eigenwerte sind entweder positiv oder null. Für die Entropiegleichung (162) hat dies die Folge, dass der quadratische Term immer einen Beitrag größer oder gleich null liefert. Wenn wir die Fluktuationen im zweiten Term weglassen, dann wächst die Entropie monoton mit der Zeit an. Folglich gilt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik und die Invarianz unter Zeitumkehr wird gebrochen. In Kapitel V stellen wir jedoch fest, dass der zweite fluktuierende Term auch negative Beiträge zur Entropie liefert und somit die Zeitumkehrinvarianz wieder herstellt.

IV.2 Reaktive Beiträge

In der exakten Theorie hat die Gedächtnismatrix Mik(𝐫,t;𝐫,t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime}) ursprünglich zwei Arten von Beiträgen, nämlich reaktive und dissipative. Die erste Art von Beiträgen ist reversibel in der Zeit. Jedoch, wenn wir mit der Formel (158) die Näherung durchführen und Gedächtniseffekte vernachlässigen, dann fallen die reaktiven Terme weg, und nur die dissipativen Terme verbleiben. Folglich ist der zweite Term in der GENERIC-Bewegungsgleichung (161) rein dissipativ, denn die Onsager-Matrix Mik(𝐫,𝐫;t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t) ist symmetrisch gemäß (160) und positiv definit. Andererseits gibt es komplexere Flüssigkeiten, in denen reaktive Terme vorhanden sind und für die Eigenschaften auf großen Zeitskalen und großen Wellenlängen eine wichtige Rolle spielen. Solche reaktiven Terme wurden zum ersten Mal von Forster Fo74a ; Fo74b ; Fo75 für nematische Flüssigkristalle hergeleitet und untersucht.

Wir können reaktive Terme in unserer Theorie berücksichtigen, indem wir für die Gedächtnismatrix die Näherungsformel

Mik(𝐫,t;𝐫,t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime}) \displaystyle\approx 2Kik(𝐫,𝐫;t)ε(tt)δ(tt)2subscript𝐾𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝜀𝑡superscript𝑡𝛿𝑡superscript𝑡\displaystyle 2\,K_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\varepsilon(t-t^{\prime})\,\delta(t-t^{\prime}) (169)
+ 2Mik(𝐫,𝐫;t)δ(tt)2subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝑡superscript𝑡\displaystyle+\ 2\,M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\delta(t-t^{\prime})

verwenden. Der erste Term ist hier neu und enthält die reaktiven Beiträge. Die Vorzeichenfunktion ε(tt)𝜀𝑡superscript𝑡\varepsilon(t-t^{\prime}) wird definiert durch ε(tt)=±1𝜀𝑡superscript𝑡plus-or-minus1\varepsilon(t-t^{\prime})=\pm 1 für tt 0<>t-t^{\prime}\,{}^{>}_{<}\,0 und bewirkt, dass der erste Term unterschiedliche Vorzeichen für t>t𝑡superscript𝑡t>t^{\prime} und t<t𝑡superscript𝑡t<t^{\prime} hat. Die Stärke des reaktiven Terms wird durch die reaktive Matrix Kik(𝐫,𝐫;t)subscript𝐾𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡K_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t) beschrieben. Damit die Gedächtnismatrix die Symmetrie-Bedingung (154) erfüllt, muss die reaktive Matrix antisymmetrisch sein gemäß

Kik(𝐫,𝐫;t)=Kki(𝐫,𝐫;t).subscript𝐾𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡subscript𝐾𝑘𝑖superscript𝐫𝐫𝑡K_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\ =\ -K_{ki}(\mathbf{r}^{\prime},\mathbf{r};t)\ . (170)

Andererseits beschreibt der zweite Term von (169) die dissipativen Beiträge und hat dieselben Eigenschaften wie zuvor. Setzen wir nun die Gedächtnismatrix (169) in die Bewegungsgleichung des GENERIC-Formalismus (88) ein und führen die Integration über die Zeit aus, so erhalten wir eine Gleichung ähnlich wie (161). Jedoch wird im zweiten Term die Onsager-Matrix Mik(𝐫,𝐫;t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t) ersetzt durch die Summe der Matrizen Kik(𝐫,𝐫;t)+Mik(𝐫,𝐫;t)subscript𝐾𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡K_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)+M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t). Auf diese Weise wird die ursprüngliche Bewegungsgleichung des GENERIC-Formalismus GO97A ; GO97B erweitert um einen zusätzlichen reaktiven Term.

Später in Abschnitt IV.5 werden wir zeigen, dass die fluktuierenden Kräfte fi(𝐫,t)subscript𝑓𝑖𝐫𝑡f_{i}(\mathbf{r},t) in der Bewegungsgleichung stochastisch und gaußisch sind, wobei die Korrelationen durch die Gedächtnismatrix Mik(𝐫,t;𝐫,t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime}) beschrieben werden. Wenn wir die einfache Näherungsformel (158)italic-(158italic-)\eqref{equation::D_090} verwenden, dann stellt es sich heraus, dass die GENERIC-Bewegungsgleichung (161) als Langevin-Gleichung einer stochastischen Theorie interpretiert werden kann. Das werden wir in Kapitel VI zeigen. Andererseits, wenn wir die komplexere Näherungsformel (169)italic-(169italic-)\eqref{equation::D_200} verwenden, dann stellt es sich heraus, dass die reaktiven Terme mit der Vorzeichenfunktion ε(tt)𝜀𝑡superscript𝑡\varepsilon(t-t^{\prime}) nicht kompatibel zu einer gewöhnlichen stochastischen Theorie sind. Aus diesem Grunde betrachten wie in dieser Arbeit nur gewöhnliche einfache Flüssigkeiten, welche durch die Gedächtnismatrix (158) beschrieben werden, in der die reaktiven Terme näherungsweise null sind und nur die dissipativen Terme berücksichtigt werden. Dennoch ist es für zukünftige Arbeiten interessant, den GENERIC-Formalismus zu erweitern, um auch reaktive Terme zu berücksichtigen. Damit lassen sich dann komplexerer Flüssigkeiten beschreiben wie die nematischen Flüssigkristalle, welche von Forster untersucht wurden Fo74a ; Fo74b ; Fo75 .

IV.3 Hydrodynamische Gleichungen für eine normale Flüssigkeit ohne Dissipation

Nachdem wir die hydrodynamischen Gleichungen mit (161) in ihrer allgemeinen Form hergeleitet haben, wollen wir nun ihre spezielle Form für eine normale Flüssigkeit finden. Die relevanten Variablen ρ(𝐫)𝜌𝐫\rho(\mathbf{r}), 𝐣(𝐫)𝐣𝐫\mathbf{j}(\mathbf{r}) und ε(𝐫)𝜀𝐫\varepsilon(\mathbf{r}) haben wir bereits mit (155)-(157) ausgewählt. Zunächst vernachlässigen wir die Effekte der Dissipation und der Fluktutionen und betrachten nur den ersten Term auf der rechten Seite von (161). Daher berechnen wir im Folgenden die elementaren Poisson-Klammern und die Poisson-Matrix (149). Dazu müssen wir die Kommutatoren der relevanten Variablen berechnen und dann die Erwartungswerte bilden. Für eine erste einfache Berechnung betrachten wir zunächst ein nichtrelativistisches Vielteilchensystem mit nur einer Teilchensorte und ohne Wechselwirkung in zweiter Quantisierung und erhalten damit Ergebnisse für die Poisson-Klammern, welche schon die richtige Form haben. Später erweitern wir auf mehrere Teilchensorten, fügen die Wechselwirkung mit einem lokalen Feld wie z.B. dem elektromagnetischen Feld hinzu und argumentieren, dass sich dadurch an den Ergebnissen nichts mehr ändert. Es seien also ψ(𝐫)𝜓𝐫\psi(\mathbf{r}) und ψ+(𝐫)superscript𝜓𝐫\psi^{+}(\mathbf{r}) die Feldoperatoren von Bosonen oder Fermionen, und die zugehörigen Kommutatoren ()(-) oder Antikommutatoren (+)(+) seien definiert durch

[ψ(𝐫),ψ(𝐫)]subscript𝜓𝐫𝜓𝐫minus-or-plus\displaystyle{[\psi(\mathbf{r}),\psi(\mathbf{r})]_{\mp}} =\displaystyle= 0,0\displaystyle 0\ , (171)
[ψ(𝐫),ψ+(𝐫)]subscript𝜓𝐫superscript𝜓𝐫minus-or-plus\displaystyle{[\psi(\mathbf{r}),\psi^{+}(\mathbf{r})]_{\mp}} =\displaystyle= iδ(𝐫𝐫),𝑖Planck-constant-over-2-pi𝛿𝐫superscript𝐫\displaystyle i\hbar\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\ , (172)
[ψ(𝐫),ψ(𝐫)]subscript𝜓𝐫𝜓𝐫minus-or-plus\displaystyle{[\psi(\mathbf{r}),\psi(\mathbf{r})]_{\mp}} =\displaystyle= 0.0\displaystyle 0\ . (173)

Die relevanten Variablen schreiben wir dann in der Form

ρ(𝐫)𝜌𝐫\displaystyle\rho(\mathbf{r}) =\displaystyle= mψ+(𝐫)ψ(𝐫),𝑚superscript𝜓𝐫𝜓𝐫\displaystyle m\,\psi^{+}(\mathbf{r})\,\psi(\mathbf{r})\ , (174)
𝐣(𝐫)𝐣𝐫\displaystyle\mathbf{j}(\mathbf{r}) =\displaystyle= 2i{ψ+(𝐫)[ψ(𝐫)][ψ+(𝐫)]ψ(𝐫)},Planck-constant-over-2-pi2𝑖superscript𝜓𝐫delimited-[]𝜓𝐫delimited-[]superscript𝜓𝐫𝜓𝐫\displaystyle\frac{\hbar}{2i}\,\left\{\psi^{+}(\mathbf{r})\,[\nabla\psi(\mathbf{r})]-[\nabla\psi^{+}(\mathbf{r})]\,\psi(\mathbf{r})\right\}\ ,\hskip 28.45274pt (175)
ε(𝐫)𝜀𝐫\displaystyle\varepsilon(\mathbf{r}) =\displaystyle= 22m[ψ+(𝐫)][ψ(𝐫)].superscriptPlanck-constant-over-2-pi22𝑚delimited-[]superscript𝜓𝐫delimited-[]𝜓𝐫\displaystyle\frac{\hbar^{2}}{2m}\,[\nabla\psi^{+}(\mathbf{r})]\cdot[\nabla\psi(\mathbf{r})]\ . (176)

Weiterhin benötigen wir den Spannungstensor Πik(𝐫)subscriptΠ𝑖𝑘𝐫\Pi_{ik}(\mathbf{r}) und die Energiestromdichte 𝐣E(𝐫)subscript𝐣𝐸𝐫\mathbf{j}_{E}(\mathbf{r}), definiert durch

Πik(r)subscriptΠ𝑖𝑘𝑟\displaystyle\Pi_{ik}({r}) =\displaystyle= 24m{[iψ+(𝐫)][kψ(𝐫)]+[kψ+(𝐫)][iψ(𝐫)]ψ+(𝐫)[ikψ(𝐫)][ikψ+(𝐫)]ψ(𝐫)},superscriptPlanck-constant-over-2-pi24𝑚delimited-[]subscript𝑖superscript𝜓𝐫delimited-[]subscript𝑘𝜓𝐫delimited-[]subscript𝑘superscript𝜓𝐫delimited-[]subscript𝑖𝜓𝐫superscript𝜓𝐫delimited-[]subscript𝑖subscript𝑘𝜓𝐫delimited-[]subscript𝑖subscript𝑘superscript𝜓𝐫𝜓𝐫\displaystyle\frac{\hbar^{2}}{4m}\left\{[\partial_{i}\psi^{+}(\mathbf{r})]\,[\partial_{k}\psi(\mathbf{r})]+[\partial_{k}\psi^{+}(\mathbf{r})]\,[\partial_{i}\psi(\mathbf{r})]-\psi^{+}(\mathbf{r})\,[\partial_{i}\partial_{k}\psi(\mathbf{r})]-[\partial_{i}\partial_{k}\psi^{+}(\mathbf{r})]\,\psi(\mathbf{r})\right\}\ , (177)
jE,i(𝐫)subscript𝑗𝐸𝑖𝐫\displaystyle j_{E,i}(\mathbf{r}) =\displaystyle= 38m2i{[kψ+(𝐫)][ikψ(𝐫)]+[iψ+(𝐫)][kkψ(𝐫)][ikψ+(𝐫)][kψ(𝐫)][kkψ+(𝐫)][iψ(𝐫)]}.superscriptPlanck-constant-over-2-pi38superscript𝑚2𝑖delimited-[]subscript𝑘superscript𝜓𝐫delimited-[]subscript𝑖subscript𝑘𝜓𝐫delimited-[]subscript𝑖superscript𝜓𝐫delimited-[]subscript𝑘subscript𝑘𝜓𝐫delimited-[]subscript𝑖subscript𝑘superscript𝜓𝐫delimited-[]subscript𝑘𝜓𝐫delimited-[]subscript𝑘subscript𝑘superscript𝜓𝐫delimited-[]subscript𝑖𝜓𝐫\displaystyle\frac{\hbar^{3}}{8m^{2}i}\,\left\{[\partial_{k}\psi^{+}(\mathbf{r})]\,[\partial_{i}\partial_{k}\psi(\mathbf{r})]+[\partial_{i}\psi^{+}(\mathbf{r})]\,[\partial_{k}\partial_{k}\psi(\mathbf{r})]-[\partial_{i}\partial_{k}\psi^{+}(\mathbf{r})]\,[\partial_{k}\psi(\mathbf{r})]-[\partial_{k}\partial_{k}\psi^{+}(\mathbf{r})]\,[\partial_{i}\psi(\mathbf{r})]\right\}\ .\hskip 28.45274pt (178)

Wir berechnen zuerst die Kommutatoren der relevanten Varablen (174)-(176) in allen Kombinationen mit Hilfe der elementaren Kommutatoren oder Antikommutatoren (171)-(173). Es ist hierbei unerheblich, ob die Teilchen Bosonen oder Fermionen sind. Die Ergebnisse sind die gleichen. Wir berechnen danach die Erwartungswerte gemäß (149), multiplizieren mit einem Faktor (i)1superscript𝑖Planck-constant-over-2-pi1(i\hbar)^{-1} und erhalten dann die elementaren Poisson-Klammern

{ρ(𝐫,t),ρ(𝐫,t)}𝜌𝐫𝑡𝜌superscript𝐫𝑡\displaystyle\{\rho(\mathbf{r},t),\rho(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= 0,0\displaystyle 0\ , (179)
{𝐣(𝐫,t),ρ(𝐫,t)}𝐣𝐫𝑡𝜌superscript𝐫𝑡\displaystyle\{\mathbf{j}(\mathbf{r},t),\rho(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= ρ(𝐫,t)δ(𝐫𝐫),𝜌𝐫𝑡𝛿𝐫superscript𝐫\displaystyle-\,\rho(\mathbf{r},t)\,\nabla\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\ , (180)
{ji(𝐫,t),jk(𝐫,t)}subscript𝑗𝑖𝐫𝑡subscript𝑗𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle\{j_{i}(\mathbf{r},t),j_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= [jk(𝐫,t)i+kji(𝐫,t)]δ(𝐫𝐫),delimited-[]subscript𝑗𝑘𝐫𝑡subscript𝑖subscript𝑘subscript𝑗𝑖𝐫𝑡𝛿𝐫superscript𝐫\displaystyle-\,\left[j_{k}(\mathbf{r},t)\,\partial_{i}+\partial_{k}\,j_{i}(\mathbf{r},t)\right]\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\ , (181)
{ρ(𝐫,t),ε(𝐫,t)}𝜌𝐫𝑡𝜀superscript𝐫𝑡\displaystyle\{\rho(\mathbf{r},t),\varepsilon(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= 𝐣(𝐫,t)δ(𝐫𝐫),𝐣𝐫𝑡𝛿𝐫superscript𝐫\displaystyle-\,\nabla\cdot\mathbf{j}(\mathbf{r},t)\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\ , (182)
{ji(𝐫,t),ε(𝐫,t)}subscript𝑗𝑖𝐫𝑡𝜀superscript𝐫𝑡\displaystyle\{j_{i}(\mathbf{r},t),\varepsilon(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= [ε(𝐫,t)i+kΠik(𝐫,t)24m2k(kρ(𝐫,t))i]δ(𝐫𝐫),delimited-[]𝜀𝐫𝑡subscript𝑖subscript𝑘subscriptΠ𝑖𝑘𝐫𝑡superscriptPlanck-constant-over-2-pi24superscript𝑚2subscript𝑘subscript𝑘𝜌𝐫𝑡subscript𝑖𝛿𝐫superscript𝐫\displaystyle-\,\left[\varepsilon(\mathbf{r},t)\,\partial_{i}+\partial_{k}\,\Pi_{ik}(\mathbf{r},t)-\frac{\hbar^{2}}{4m^{2}}\,\partial_{k}\,(\partial_{k}\rho(\mathbf{r},t))\,\partial_{i}\right]\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\ , (183)
{ε(𝐫,t),ε(𝐫,t)}𝜀𝐫𝑡𝜀superscript𝐫𝑡\displaystyle\{\varepsilon(\mathbf{r},t),\varepsilon(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= [𝐣E(𝐫,t)+𝐣E(𝐫,t)]δ(𝐫𝐫).delimited-[]subscript𝐣𝐸𝐫𝑡subscript𝐣𝐸𝐫𝑡𝛿𝐫superscript𝐫\displaystyle-\,\left[\nabla\cdot\mathbf{j}_{E}(\mathbf{r},t)+\mathbf{j}_{E}(\mathbf{r},t)\cdot\nabla\right]\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\ . (184)

Die physikalischen Größen auf den rechten Seiten sind alle Erwartungswerte der Operatoren. Wir verwenden hier die gleiche Notation und nehmen an, dass aus dem Kontext klar wird, was gemeint ist. Die räumlichen Differentialoperatoren isubscript𝑖\partial_{i} und \nabla wirken auf alle Ortsvariablen 𝐫𝐫\mathbf{r}, die rechts von ihnen stehen, auch auf die Ortsvariable 𝐫𝐫\mathbf{r} in der Delta-Funktion. Eine Ausnahme ist der letzte Term in (183). Hier wird ein Differentialoperator explizit durch runde Klammern auf die nachfolgende Dichte beschränkt. Dieser Term hat einen expliziten Faktor 2superscriptPlanck-constant-over-2-pi2\hbar^{2} und ist somit eine Quantenkorrektur. Folglich dürfen wir für eine klassische Flüssigkeit den letzten Term in (183) weglassen.

Nachdem wir die Poisson-Klammern (179)-(184) für ein nichtrelativistisches Vielteilchensystem mit nur einer Teilchensorte und ohne Wechselwirkung berechnet haben, stellen wir fest, dass sie sehr robust sind und sich nicht ändern, wenn allgemeinere und komplexere mikroskopische Theorien mit mehreren Teilchensorten und mit Wechselwirkungen betrachtet werden. Mehrere Teilchensorten werden berücksichtigt, in dem man den Feldoperatoren ψa(𝐫)subscriptsuperscript𝜓absent𝑎𝐫\psi^{\ }_{a}(\mathbf{r}) und ψa+(𝐫)subscriptsuperscript𝜓𝑎𝐫\psi^{+}_{a}(\mathbf{r}) einen Index a𝑎a hinzufügt, welcher die Teilchensorte abzählt. Die elementaren Vertauschungsregeln für diese Feldoperatoren (171)-(173) werden entsprechend erweitert. Nachdem man analoge Berechnungen durchgeführt hat, erhält man unverändert dieselben Poisson-Klammern (179)-(184).

In einem nächsten Schritt betrachten wir die Beiträge für das elektromagnetische Feld, zunächst ohne eine Wechselwirkung mit den Teilchen. Wir fügen zu der Energiedichte des Vielteilchensystems (176) den Standard-Ausdruck für die Energiedichte des elektromagnetischen Feldes hinzu. Analog fügen wir zu der Energiestromdichte des Vielteilchensystems (178) die Energiestromdichte des elektromagnetischen Feldes, also den Poynting-Vektor, hinzu. Weiterhin wird der Poynting-Vektor geteilt durch c2superscript𝑐2c^{2} zu der Impulsdichte (175) und der Maxwellsche Spannungstensor zu der Impulsstromdichte (177) hinzu addiert. Anschließend werden die Poisson-Klammern erneut berechnet, in dem zusätzlich die Quanten-Kommutatoren für das elektrische und das magnetische Feld verwendet werden, welche wohl bekannt aus der Quantenelektrodynamik sind. Als Ergebnis erhalten wir wieder die Poisson-Klammern (179)-(184) ohne irgend eine Änderung.

In einem weiteren Schritt geben wir den Teilchen eine Ladung e𝑒e und ein magnetisches Moment 𝝁𝝁\bm{\mu}, um Wechselwirkungen zwischen den Teilchen und dem elektromagnetischen Feld zu berücksichtigen. Entsprechend fügen wir Wechselwirkungs-Beiträge zu den Dichten und den Stromdichten (174)-(178) hinzu. Als Ergebnis finden wir, dass die Poisson-Klammern auch durch diese zusätzlichen Beiträgen nicht verändert werden. Wir stellen fest: Mit den bisher betrachteten Beiträgen lässt sich die Materie durch ein ziemlich fundamentales mikroskopisches Modell beschreiben, in dem die Teilchen mit den Atomkernen und den umgebenden Elektronen identifiziert werden, welche alle mit dem elektromagnetische Feld wechselwirken.

Als mikroskopisches Modell für die Teilchen und ihre Wechselwirkungen kann allgemeiner eine relativistische Quantenfeldtheorie betrachtet werden, welche auf Klein-Gordon-Feldern und Dirac-Feldern basiert. Die elektromagnetischen Felder für die Wechselwirkungen können allgemeiner ersetzt werden durch die nichtabelschen Eichfelder für die elektroschwache und die starke Wechselwirkung. Auf diese Weise ist es möglich, die Poisson-Klammern (179)-(184) sogar für die fundamentalste Theorie der Materie, das Standard-Modell der Elementarteilchen und ihrer Wechselwirkungen S13 zu beweisen.

Wir schließen aus unseren Überlegungen, dass die Poisson-Klammern (179)-(184) sehr allgemein sind und für alle mikroskopischen Modelle der Materie gelten sollten, die eine normal Flüssigkeit beschreiben. Sie sind gültig für relativistische und nichtrelativistische Modelle, für klassische Theorien und Quantentheorien. Allerdings sind die Berechnungen, um die Poisson-Klammern für ein spezielles mikroskopisches Modell zu beweisen, meistens ziemlich kompliziert und aufwendig.

Die Poisson-Klammern wurde ursprünglich von Dzyaloshinskii und Volovik DV80 verwendet, um die reversiblen Terme in den hydrodynamischen Gleichungen herzuleiten. Diese Autoren verwendeten Symmetrieargumente um die Poisson-Klammern zu bestimmen. Allerdings betrachteten Sie die Entropiedichte σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t) anstelle der Energiedichte ε(𝐫,t)𝜀𝐫𝑡\varepsilon(\mathbf{r},t). Dennoch stimmen ihre Poisson-Klammern mit unseren überein, wie wir weiter unten zeigen werden.

Alternativ können die hydrodynamischen Gleichungen durch ein Variationsprinzip mit einer Lagrange-Funktion und phänomenologischen Variablen formuliert werden. Eine zugehörige Hamilton-Funktion kann man herleiten, welche die Poisson-Klammern für die hydrodynamischen Variablen liefert. Auf diese Wiese haben Enz und Turski ET79 zuerst die drei Poisson-Klammern (179)-(181) für die Massendichte ρ(𝐫,t)𝜌𝐫𝑡\rho(\mathbf{r},t) und die Impulsdichte 𝐣(𝐫,t)𝐣𝐫𝑡\mathbf{j}(\mathbf{r},t) erhalten. Van Saarloos et al. SBM81 fanden die letzteren drei Poisson-Klammern (182)-(184) mit der Energiedichte ε(𝐫,t)𝜀𝐫𝑡\varepsilon(\mathbf{r},t). Im Ergebnis stellen wir fest: Die Poisson-Klammern für die hydrodynamischen Variablen einer normalen Flüssigkeit sind seit langer Zeit bekannt. Es gibt eine allgemeine Übereinstimmung darüber, wie sie aussehen sollen.

Wir setzen nun unsere Berechnungen fort. Die Erwartungswerte der Operatoren (175)-(178) kann man für eine klassischen Flüssigkeit einfach ausrechnen. Wir erhalten

𝐣(𝐫,t)𝐣𝐫𝑡\displaystyle\mathbf{j}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= ρ(𝐫,t)𝐯(𝐫,t),𝜌𝐫𝑡𝐯𝐫𝑡\displaystyle\rho(\mathbf{r},t)\,\mathbf{v}(\mathbf{r},t)\ , (185)
ε(𝐫,t)𝜀𝐫𝑡\displaystyle\varepsilon(\mathbf{r},t) =\displaystyle= u(𝐫,t)+𝐣(𝐫,t)22ρ(𝐫,t),𝑢𝐫𝑡𝐣superscript𝐫𝑡22𝜌𝐫𝑡\displaystyle u(\mathbf{r},t)+\frac{\mathbf{j}(\mathbf{r},t)^{2}}{2\,\rho(\mathbf{r},t)}\ , (186)
Πik(𝐫,t)subscriptΠ𝑖𝑘𝐫𝑡\displaystyle\Pi_{ik}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= p(𝐫,t)δik+ρ(𝐫,t)vi(𝐫,t)vk(𝐫,t),𝑝𝐫𝑡subscript𝛿𝑖𝑘𝜌𝐫𝑡subscript𝑣𝑖𝐫𝑡subscript𝑣𝑘𝐫𝑡\displaystyle p(\mathbf{r},t)\,\delta_{ik}+\rho(\mathbf{r},t)\,v_{i}(\mathbf{r},t)\,v_{k}(\mathbf{r},t)\ ,\hskip 28.45274pt (187)
𝐣E(𝐫,t)subscript𝐣𝐸𝐫𝑡\displaystyle\mathbf{j}_{E}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= [ε(𝐫,t)+p(𝐫,t)]𝐯(𝐫,t).delimited-[]𝜀𝐫𝑡𝑝𝐫𝑡𝐯𝐫𝑡\displaystyle[\varepsilon(\mathbf{r},t)+p(\mathbf{r},t)]\,\mathbf{v}(\mathbf{r},t)\ . (188)

Hierbei ist u(𝐫,t)𝑢𝐫𝑡u(\mathbf{r},t) die aus der Thermodynamik bekannte innere Energiedichte, p(𝐫,t)𝑝𝐫𝑡p(\mathbf{r},t) der Druck und 𝐯(𝐫,t)𝐯𝐫𝑡\mathbf{v}(\mathbf{r},t) das Geschwindigkeitsfeld. Die spezielle Form dieser physikalischen Größen mit dem Geschwindigkeitsfeld gibt die Galilei-Invarianz einer normalen Flüssigkeit wieder.

Die Formel (186) zeigt, dass sich die Energiedichte ε(𝐫,t)𝜀𝐫𝑡\varepsilon(\mathbf{r},t) in zwei Anteile aufspaltet, die innere Energiedichte u(𝐫,t)𝑢𝐫𝑡u(\mathbf{r},t) und einen kinetischen Anteil. Dieser Zusammenhang bietet nun die Möglichkeit, aus (182)-(184) auch die entsprechenden elementaren Poisson-Klammern für die innere Energiedichte u(𝐫,t)𝑢𝐫𝑡u(\mathbf{r},t) herzuleiten. Wir finden

{ρ(𝐫,t),u(𝐫,t)}𝜌𝐫𝑡𝑢superscript𝐫𝑡\displaystyle\{\rho(\mathbf{r},t),u(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= 0,0\displaystyle 0\ , (189)
{𝐣(𝐫,t),u(𝐫,t)}𝐣𝐫𝑡𝑢superscript𝐫𝑡\displaystyle\{\mathbf{j}(\mathbf{r},t),u(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= [u(𝐫,t)+p(𝐫,t)]delimited-[]𝑢𝐫𝑡𝑝𝐫𝑡\displaystyle-\,\left[u(\mathbf{r},t)\,\nabla+\nabla\,p(\mathbf{r},t)\right] (190)
×δ(𝐫𝐫),absent𝛿𝐫superscript𝐫\displaystyle\times\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\ ,
{u(𝐫,t),u(𝐫,t)}𝑢𝐫𝑡𝑢superscript𝐫𝑡\displaystyle\{u(\mathbf{r},t),u(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= 0.0\displaystyle 0\ . (191)

Die neuen Poisson-Klammern für die innere Energiedichte u(𝐫,t)𝑢𝐫𝑡u(\mathbf{r},t) haben offensichtlich eine deutlich einfachere Struktur als jene für die gesamte Energiedichte ε(𝐫,t)𝜀𝐫𝑡\varepsilon(\mathbf{r},t), weil sie nicht vom Geschwindigkeitsfeld 𝐯(𝐫,t)𝐯𝐫𝑡\mathbf{v}(\mathbf{r},t) abhängen dürfen.

Die Entropie S(t)𝑆𝑡S(t) ist nach der Definition (18) oder (21) eine globale Größe. In der Hydrodynamik wird jedoch auf lokaler Ebene ein thermisches Gleichgewicht angenommen. Daher sollte die Entropie auch lokal als Entropiedichte σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t) existieren, so dass die globale Entropie gegeben ist durch das Integral S(t)=ddrσ(𝐫,t)𝑆𝑡superscript𝑑𝑑𝑟𝜎𝐫𝑡S(t)=\int d^{d}r\,\sigma(\mathbf{r},t). Es wird eine lokale Differentialgleichung für die Entropiedichte geben, die einer Kontinuitätsgleichung ähnlich ist, jedoch mit einer Erweiterung. Auf der rechten Seite wird ein Quellterm stehen mit Beiträgen von der Dissipation und den Fluktuationen, der eine ähnliche Struktur hat wie die Terme auf der rechten Seite der globalen Entropiegleichung (162). Um die reversiblen Anteile der lokalen Entropiegleichung zu finden, benötigen wir die Poisson-Klammern mit der Entropiedicht σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t). Diese werden wir im folgenden herleiten.

Aus der Thermodynamik ist bekannt, dass die innere Energiedichte u(𝐫,t)𝑢𝐫𝑡u(\mathbf{r},t) von der Entropiedichte σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t) und der Massendichte ρ(𝐫,t)𝜌𝐫𝑡\rho(\mathbf{r},t) abhängt. Es gilt der lokale Zusammenhang

u(𝐫,t)=u(σ(𝐫,t),ρ(𝐫,t))𝑢𝐫𝑡𝑢𝜎𝐫𝑡𝜌𝐫𝑡u(\mathbf{r},t)=u(\sigma(\mathbf{r},t),\rho(\mathbf{r},t)) (192)

und die thermodynamische Relation

du(𝐫,t)=T(𝐫,t)dσ(𝐫,t)+m1μ(𝐫,t)dρ(𝐫,t).𝑑𝑢𝐫𝑡𝑇𝐫𝑡𝑑𝜎𝐫𝑡superscript𝑚1𝜇𝐫𝑡𝑑𝜌𝐫𝑡du(\mathbf{r},t)=T(\mathbf{r},t)\,d\sigma(\mathbf{r},t)+m^{-1}\mu(\mathbf{r},t)\,d\rho(\mathbf{r},t)\ . (193)

Hierbei sind T(𝐫,t)𝑇𝐫𝑡T(\mathbf{r},t) die Temperatur und μ(𝐫,t)𝜇𝐫𝑡\mu(\mathbf{r},t) das chemische Potential. Aus letzterer Gleichung lässt sich ein Zusammenhang für die Poisson-Klammern herleiten, und zwar

{xi(𝐫,t),u(𝐫,t)}subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝑢superscript𝐫𝑡\displaystyle\{x_{i}(\mathbf{r},t),u(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= T(𝐫,t){xi(𝐫,t),σ(𝐫,t)}𝑇superscript𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝜎superscript𝐫𝑡\displaystyle T(\mathbf{r}^{\prime},t)\,\{x_{i}(\mathbf{r},t),\sigma(\mathbf{r}^{\prime},t)\}
+m1μ(𝐫,t){xi(𝐫,t),ρ(𝐫,t)}.superscript𝑚1𝜇superscript𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝜌superscript𝐫𝑡\displaystyle+m^{-1}\mu(\mathbf{r}^{\prime},t)\,\{x_{i}(\mathbf{r},t),\rho(\mathbf{r}^{\prime},t)\}\ .

Für xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) kann jede beliebige unserer relevanten Variablen eingesetzt werden. Wir finden nun, dass die elementaren Poisson-Klammern mit der Entropie-Dichte σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t) definiert werden durch

{ρ(𝐫,t),σ(𝐫,t)}𝜌𝐫𝑡𝜎superscript𝐫𝑡\displaystyle\{\rho(\mathbf{r},t),\sigma(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= 0,0\displaystyle 0\ , (195)
{𝐣(𝐫,t),σ(𝐫,t)}𝐣𝐫𝑡𝜎superscript𝐫𝑡\displaystyle\{\mathbf{j}(\mathbf{r},t),\sigma(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= σ(𝐫,t)δ(𝐫𝐫),𝜎𝐫𝑡𝛿𝐫superscript𝐫\displaystyle-\,\sigma(\mathbf{r},t)\,\nabla\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\ , (196)
{σ(𝐫,t),σ(𝐫,t)}𝜎𝐫𝑡𝜎superscript𝐫𝑡\displaystyle\{\sigma(\mathbf{r},t),\sigma(\mathbf{r}^{\prime},t)\} =\displaystyle= 0.0\displaystyle 0\ . (197)

Mit Hilfe von (LABEL:equation::D_450) kann man zeigen, dass diese Poisson-Klammern für die Entropiedichte σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t) kompatibel sind mit jenen für die innere Energiedichte u(𝐫,t)𝑢𝐫𝑡u(\mathbf{r},t) und die Massendichte ρ(𝐫,t)𝜌𝐫𝑡\rho(\mathbf{r},t).

Die Poisson-Klammern für die verschiedenen relevanten Variablen sind nun komplett. Wir stellen fest, dass sie mit jenen von Dzyaloshinskii und Volovik DV80 übereinstimmen. Die reversiblen Anteile der hydrodynamischen Gleichungen (141) lassen sich daher schreiben in der Form

txi(𝐫,t)={xi(𝐫,t),E[σ(t),𝐣(t),ρ(t)]}.subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝐸𝜎𝑡𝐣𝑡𝜌𝑡\partial_{t}x_{i}(\mathbf{r},t)=\{x_{i}(\mathbf{r},t),E[\sigma(t),\mathbf{j}(t),\rho(t)]\}\ . (198)

Da wir alle erforderlichen elementaren Poisson-Klammern gefunden haben, können wir die Energie E[σ(t),𝐣(t),ρ(t)]𝐸𝜎𝑡𝐣𝑡𝜌𝑡E[\sigma(t),\mathbf{j}(t),\rho(t)] als Funktional in den natürlichen Variablen Entropiedichte σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t), Impulsdichte 𝐣(𝐫,t)𝐣𝐫𝑡\mathbf{j}(\mathbf{r},t) und Massendichte ρ(𝐫,t)𝜌𝐫𝑡\rho(\mathbf{r},t) verwenden. Die zugehörigen Funktional-Ableitungen sind

δE[σ(t),𝐣(t),ρ(t)]δσ(𝐫,t)𝛿𝐸𝜎𝑡𝐣𝑡𝜌𝑡𝛿𝜎𝐫𝑡\displaystyle\frac{\delta E[\sigma(t),\mathbf{j}(t),\rho(t)]}{\delta\sigma(\mathbf{r},t)} =\displaystyle= T(𝐫,t),𝑇𝐫𝑡\displaystyle T(\mathbf{r},t)\ , (199)
δE[σ(t),𝐣(t),ρ(t)]δ𝐣(𝐫,t)𝛿𝐸𝜎𝑡𝐣𝑡𝜌𝑡𝛿𝐣𝐫𝑡\displaystyle\frac{\delta E[\sigma(t),\mathbf{j}(t),\rho(t)]}{\delta\mathbf{j}(\mathbf{r},t)} =\displaystyle= 𝐯(𝐫,t),𝐯𝐫𝑡\displaystyle\mathbf{v}(\mathbf{r},t)\ , (200)
δE[σ(t),𝐣(t),ρ(t)]δρ(𝐫,t)𝛿𝐸𝜎𝑡𝐣𝑡𝜌𝑡𝛿𝜌𝐫𝑡\displaystyle\frac{\delta E[\sigma(t),\mathbf{j}(t),\rho(t)]}{\delta\rho(\mathbf{r},t)} =\displaystyle= m1μ(𝐫,t).superscript𝑚1𝜇𝐫𝑡\displaystyle m^{-1}\,\mu(\mathbf{r},t)\ . (201)

Setzten wir nun in (198) für xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) alle unsere relevanten Variablen ein, so erhalten wir die hydrodynamischen Gleichungen

tρ(𝐫,t)subscript𝑡𝜌𝐫𝑡\displaystyle\partial_{t}\,\rho(\mathbf{r},t) =\displaystyle= 𝐣(𝐫,t),𝐣𝐫𝑡\displaystyle-\,\nabla\cdot\mathbf{j}(\mathbf{r},t)\ , (202)
tji(𝐫,t)subscript𝑡subscript𝑗𝑖𝐫𝑡\displaystyle\partial_{t}\,j_{i}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= kΠik(𝐫,t),subscript𝑘subscriptΠ𝑖𝑘𝐫𝑡\displaystyle-\,\partial_{k}\,\Pi_{ik}(\mathbf{r},t)\ , (203)
tσ(𝐫,t)subscript𝑡𝜎𝐫𝑡\displaystyle\partial_{t}\,\sigma(\mathbf{r},t) =\displaystyle= 𝐪(𝐫,t)+R(𝐫,t)T(𝐫,t),𝐪𝐫𝑡𝑅𝐫𝑡𝑇𝐫𝑡\displaystyle-\,\nabla\cdot\mathbf{q}(\mathbf{r},t)+\frac{R(\mathbf{r},t)}{T(\mathbf{r},t)}\ , (204)
tε(𝐫,t)subscript𝑡𝜀𝐫𝑡\displaystyle\partial_{t}\,\varepsilon(\mathbf{r},t) =\displaystyle= 𝐣E(𝐫,t).subscript𝐣𝐸𝐫𝑡\displaystyle-\,\nabla\cdot\mathbf{j}_{E}(\mathbf{r},t)\ . (205)

Die ersten drei Gleichungen bekommt man durch Verwendung der Poisson-Klammern (179)-(181) und (195)-(197) zusammen mit den Funktional-Ableitungen (199)-(201). Die vierte Gleichung für die Energiedichte folgt direkt aus der Poisson-Klammer (184). Die Stromdichten auf der rechten Seite sind gegeben durch die Formeln (185), (187) und (188). Zusätzlich finden wir die Entropiestromdichte

𝐪(𝐫,t)=σ(𝐫,t)𝐯(𝐫,t).𝐪𝐫𝑡𝜎𝐫𝑡𝐯𝐫𝑡\mathbf{q}(\mathbf{r},t)=\sigma(\mathbf{r},t)\,\mathbf{v}(\mathbf{r},t)\ . (206)

Die hydrodynamischen Gleichungen (202)-(205) wurden hier für eine ideale Flüssigkeit hergeleitet. Sie sind jedoch in dieser Form unverändert gültig auch für eine reale Flüssigkeit, wenn die Effekte von Dissipation und Fluktuationen hinzugefügt werden. Die erforderlichen Änderungen treten in den Stromdichten in Form von zusätzlichen Beiträgen auf, wie wir in den nachfolgenden Abschnitten sehen werden.

Auf der rechten Seite der Entropie-Gleichung (204) haben wir für spätere Betrachtungen einen Quellterm hinzugefügt. Dieser ist hier jedoch null, und wir haben

R(𝐫,t)=0.𝑅𝐫𝑡0R(\mathbf{r},t)=0\ . (207)

Die hydrodynamischen Gleichungen (202)-(205) für unsere normale Flüssigkeit haben die aus elementaren Lehrbüchern bekannte Form LL06 . Sie enthalten bisher jedoch nur die reversiblen Terme. Effekte von Dissipation und Fluktuation wurden bisher nicht berücksichtigt.

IV.4 Hydrodynamische Gleichungen für eine normale Flüssigkeit mit Dissipation

Nun fügen wir die Terme der Dissipation hinzu, lassen die Fluktuationen jedoch noch weg. Die Effekte der Dissipation sind im zweiten Term der hydrodynamischen Gleichungen (161) enthalten. Ihre Stärke wird beschrieben durch die Onsager-Matrix Mik(𝐫,𝐫;t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t). In der Hydrodynamik werden nur Phänomene auf großen Längenskalen betrachtet. Daher approximieren wir die räumliche Struktur durch eine Delta-Funktion. Die relevanten Variablen, die wir betrachten, sind alles Dichten von Erhaltungsgrößen. Aus diesem Grunde fügen wir noch zwei räumliche Differentialoperatoren ein. Wir machen also für die Onsager-Matrix den Ansatz

Mik(𝐫,𝐫;t)=mNim,kn(x(𝐫,t))nδ(𝐫𝐫).subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡subscript𝑚subscript𝑁𝑖𝑚𝑘𝑛𝑥𝐫𝑡subscript𝑛𝛿𝐫superscript𝐫M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)=-\partial_{m}\,N_{im,kn}(x(\mathbf{r},t))\,\partial_{n}\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\ . (208)

Wir motivieren die zwei räumlichen Differentialoperatoren mit der Darstellung der Gedächtnismatrix in der Form (125) zusammen mit (126). Der Ansatz ist lokal. Folglich hängt die Marix Nim,kn=Nim,kn(x(𝐫,t))subscript𝑁𝑖𝑚𝑘𝑛subscript𝑁𝑖𝑚𝑘𝑛𝑥𝐫𝑡N_{im,kn}=N_{im,kn}(x(\mathbf{r},t)) lokal von den relevanten Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) ab. Setzen wir dies in (161) ein, so bekommen wir die hydrodynamischen Gleichungen in der Form

txi(𝐫,t)subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\partial_{t}\,x_{i}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= {xi(𝐫,t),E[x(t)]}subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝐸delimited-[]𝑥𝑡\displaystyle\{x_{i}(\mathbf{r},t),E[x(t)]\} (209)
knmNim,knnδS[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘𝑛subscript𝑚subscript𝑁𝑖𝑚𝑘𝑛subscript𝑛𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘𝐫𝑡\displaystyle-\sum_{kn}\partial_{m}\,N_{im,kn}\,\partial_{n}\,\frac{\delta S[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r},t)}
+fi(𝐫,t).subscript𝑓𝑖𝐫𝑡\displaystyle+\,f_{i}(\mathbf{r},t)\ .

Wir benötigen als nächstes die Funktional-Ableitungen der Entropie S[x(t)]𝑆delimited-[]𝑥𝑡S[x(t)]. Nach der Thermodynamik sind die natürlichen Variablen der Entropie die Energiedichte ε(𝐫,t)𝜀𝐫𝑡\varepsilon(\mathbf{r},t), die Impulsdichte 𝐣(𝐫,t)𝐣𝐫𝑡\mathbf{j}(\mathbf{r},t) und die Massendichte ρ(𝐫,t)𝜌𝐫𝑡\rho(\mathbf{r},t). Wir identifizieren daher

S[x(t)]=S[ε(t),𝐣(t),ρ(t)]𝑆delimited-[]𝑥𝑡𝑆𝜀𝑡𝐣𝑡𝜌𝑡S[x(t)]=S[\varepsilon(t),\mathbf{j}(t),\rho(t)] (210)

und finden die Funktional-Ableitungen

δS[ε(t),𝐣(t),ρ(t)]δε(𝐫,t)𝛿𝑆𝜀𝑡𝐣𝑡𝜌𝑡𝛿𝜀𝐫𝑡\displaystyle\frac{\delta S[\varepsilon(t),\mathbf{j}(t),\rho(t)]}{\delta\varepsilon(\mathbf{r},t)} =\displaystyle= 1T(𝐫,t),1𝑇𝐫𝑡\displaystyle\frac{1}{T(\mathbf{r},t)}\ , (211)
δS[ε(t),𝐣(t),ρ(t)]δ𝐣(𝐫,t)𝛿𝑆𝜀𝑡𝐣𝑡𝜌𝑡𝛿𝐣𝐫𝑡\displaystyle\frac{\delta S[\varepsilon(t),\mathbf{j}(t),\rho(t)]}{\delta\mathbf{j}(\mathbf{r},t)} =\displaystyle= 𝐯(𝐫,t)T(𝐫,t),𝐯𝐫𝑡𝑇𝐫𝑡\displaystyle-\,\frac{\mathbf{v}(\mathbf{r},t)}{T(\mathbf{r},t)}\ , (212)
δS[ε(t),𝐣(t),ρ(t)]δρ(𝐫,t)𝛿𝑆𝜀𝑡𝐣𝑡𝜌𝑡𝛿𝜌𝐫𝑡\displaystyle\frac{\delta S[\varepsilon(t),\mathbf{j}(t),\rho(t)]}{\delta\rho(\mathbf{r},t)} =\displaystyle= 1mμ(𝐫,t)T(𝐫,t).1𝑚𝜇𝐫𝑡𝑇𝐫𝑡\displaystyle-\,\frac{1}{m}\,\frac{\mu(\mathbf{r},t)}{T(\mathbf{r},t)}\ . (213)

Da die Funktional-Ableitungen in (209) nur in Form von Gradienten vorkommen, können wir sie umformen gemäß

nδSδεsubscript𝑛𝛿𝑆𝛿𝜀\displaystyle\partial_{n}\frac{\delta S}{\delta\varepsilon} =\displaystyle= n1T=1T2nT=1T2nδEδσ,subscript𝑛1𝑇1superscript𝑇2subscript𝑛𝑇1superscript𝑇2subscript𝑛𝛿𝐸𝛿𝜎\displaystyle\partial_{n}\frac{1}{T}=-\frac{1}{T^{2}}\partial_{n}T=-\frac{1}{T^{2}}\partial_{n}\frac{\delta E}{\delta\sigma}\ , (214)
nδSδjisubscript𝑛𝛿𝑆𝛿subscript𝑗𝑖\displaystyle\partial_{n}\frac{\delta S}{\delta j_{i}} =\displaystyle= nviT=1Tnvi+viT2nTsubscript𝑛subscript𝑣𝑖𝑇1𝑇subscript𝑛subscript𝑣𝑖subscript𝑣𝑖superscript𝑇2subscript𝑛𝑇\displaystyle-\partial_{n}\frac{v_{i}}{T}=-\frac{1}{T}\partial_{n}v_{i}+\frac{v_{i}}{T^{2}}\partial_{n}T (215)
=\displaystyle= 1TnδEδji+viT2nδEδσ,1𝑇subscript𝑛𝛿𝐸𝛿subscript𝑗𝑖subscript𝑣𝑖superscript𝑇2subscript𝑛𝛿𝐸𝛿𝜎\displaystyle-\frac{1}{T}\partial_{n}\frac{\delta E}{\delta j_{i}}+\frac{v_{i}}{T^{2}}\partial_{n}\frac{\delta E}{\delta\sigma}\ ,
nδSδρsubscript𝑛𝛿𝑆𝛿𝜌\displaystyle\partial_{n}\frac{\delta S}{\delta\rho} =\displaystyle= nμmT=1mTnμ+μmT2nTsubscript𝑛𝜇𝑚𝑇1𝑚𝑇subscript𝑛𝜇𝜇𝑚superscript𝑇2subscript𝑛𝑇\displaystyle-\partial_{n}\frac{\mu}{mT}=-\frac{1}{mT}\partial_{n}\mu+\frac{\mu}{mT^{2}}\partial_{n}T (216)
=\displaystyle= 1TnδEδρ+μmT2nδEδσ.1𝑇subscript𝑛𝛿𝐸𝛿𝜌𝜇𝑚superscript𝑇2subscript𝑛𝛿𝐸𝛿𝜎\displaystyle-\frac{1}{T}\partial_{n}\frac{\delta E}{\delta\rho}+\frac{\mu}{mT^{2}}\partial_{n}\frac{\delta E}{\delta\sigma}\ .

Folglich lassen sich auch die hydrodynamischen Gleichungen (209) umformen. Mit einer neuen Matrix Λim,knsubscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛\Lambda_{im,kn} bekommen wir dann

txi(𝐫,t)subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\partial_{t}\,x_{i}(\mathbf{r},t) =\displaystyle= {xi(𝐫,t),E[x(t)]}subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝐸delimited-[]𝑥𝑡\displaystyle\{x_{i}(\mathbf{r},t),E[x(t)]\} (217)
+knmΛim,knnδE[x(t)]δxk(𝐫,t)subscript𝑘𝑛subscript𝑚subscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛subscript𝑛𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘𝐫𝑡\displaystyle+\,\sum_{kn}\partial_{m}\,\Lambda_{im,kn}\,\partial_{n}\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r},t)}
+δiσR(𝐫,t)T(𝐫,t)+fi(𝐫,t).subscript𝛿𝑖𝜎𝑅𝐫𝑡𝑇𝐫𝑡subscript𝑓𝑖𝐫𝑡\displaystyle+\,\delta_{i\sigma}\frac{R(\mathbf{r},t)}{T(\mathbf{r},t)}\,+\,f_{i}(\mathbf{r},t)\ .

Die relevanten Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) werden hier identifiziert durch die natürlichen Variablen der Energie E[x(t)]𝐸delimited-[]𝑥𝑡E[x(t)]. Dies sind die Entropiedichte σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t), die Impulsdichte 𝐣(𝐫,t)𝐣𝐫𝑡\mathbf{j}(\mathbf{r},t) und die Massendichte ρ(𝐫,t)𝜌𝐫𝑡\rho(\mathbf{r},t). Da hier die Entropiegleichung mit enthalten ist, wurde der dritten Zeile ein Term mit einer Entropie-Produktionsrate hinzugefügt. Diesen Term berechnet man aus dem quadratischen Term der Entropiegleichung (162). Wir finden

R(𝐫,t)=im,kn(mδE[x(t)]δxi(𝐫,t))Λim,kn(nδE[x(t)]δxk(𝐫,t)).𝑅𝐫𝑡subscript𝑖𝑚𝑘𝑛subscript𝑚𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛subscript𝑛𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘𝐫𝑡R(\mathbf{r},t)=\sum_{im,kn}\left(\partial_{m}\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\right)\Lambda_{im,kn}\left(\partial_{n}\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r},t)}\right)\ . (218)

Weil R(𝐫,t)𝑅𝐫𝑡R(\mathbf{r},t) eine Energiedichte pro Zeiteinheit ist, handelt es sich hier um die durch Reibung in der Flüssigkeit erzeugte Wärme. Wir stellen fest, dass die hydrodynamischen Gleichungen (217) zusammen mit der Formel für die erzeugte Reibungswärme (218) mit den hydrodynamischen Gleichungen in der allgemeine Form von Dzyaloshinskii und Volovik DV80 übereinstimmen.

In den allgemeinen hydrodynamischen Gleichungen (217) zusammen mit der Formel für die erzeugte Wärme (218) sind die spezifischen Eigenschaften der Flüssigkeit, welche Effekte der Dissipation und Dämpfungen betreffen, zusammengefasst in Elementen der Matrix Λim,knsubscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛\Lambda_{im,kn}. Im Prinzip kann man diese Matrix aus der mikroskopischen Theorie der Flüssigkeit berechnen. Dazu berechnet man zunächst die Gedächtnismatrix Mik(𝐫,t;𝐫,t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime}) mit der Formel (152). Im zweiten Schritt bestimmt man die Onsager-Matrix Mik(𝐫,𝐫;t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t), indem man Gedächtniseffekte vernachlässigt mit dem Ansatz (158) oder mit der Umkehrformel

Mik(𝐫,𝐫;t)=t0t𝑑tMik(𝐫,t;𝐫,t).subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡superscriptsubscriptsubscript𝑡0𝑡differential-dsuperscript𝑡subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)=\int_{t_{0}}^{t}dt^{\prime}\ M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\ . (219)

Im dritten Schritt berechnet man die Matrix Nim,knsubscript𝑁𝑖𝑚𝑘𝑛N_{im,kn}, indem man die räumlich nichtlokalen Effekte vernachlässigt und die Formel (208) invertiert. Schließlich bekommt man die Matrix Λim,knsubscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛\Lambda_{im,kn}, indem man die Energiedichte ε(𝐫,t)𝜀𝐫𝑡\varepsilon(\mathbf{r},t) in den ursprünglichen relevanten Variablen austauscht durch die Entropiedichte σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t).

Die Berechnung ist in der Theorie möglich, in der Praxis jedoch viel zu kompliziert und daher nicht durchführbar. In der Praxis wird ein anderer Weg beschritten. Mit Argumenten zur Symmetrie des Systems wird die Anzahl der von Null verschiedenen Matrixelemente Λim,knsubscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛\Lambda_{im,kn} stark reduziert, so dass nur ganz wenige Parameter übrigbleiben. Diese Parameter werden am Ende durch Vergleich mit dem Experiment bestimmt. In diesem Sinne wird die Hydrodynamik zu einer phänomenologischen Theorie.

Für die Massendichte ρ(𝐫,t)𝜌𝐫𝑡\rho(\mathbf{r},t) gilt die Kontinuitätsgleichung (202) bereits exakt auf mikroskopischer Ebene. Man kann sie für die Operatorausdrücke (174) und (175) in der zweiten Quantisierung leicht beweisen. Daher wird die Massendichte ρ(𝐫,t)𝜌𝐫𝑡\rho(\mathbf{r},t) von dissipativen Effekten nicht betroffen. Es verbleiben die Impulsdichte 𝐣(𝐫,t)𝐣𝐫𝑡\mathbf{j}(\mathbf{r},t) und die Entropiedichte σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t). Wir nehmen an, dass die der Flüssigkeit zugrunde liegende mikroskopische Theorie invariant unter Raumspiegelungen ist. Unter dieser Transformation ändert die Impulsdichte das Vorzeichen, die Entropiedichte jedoch nicht. Folglich gibt es in der Onsager-Matrix keine Kopplung zwischen der Impulsdichte 𝐣(𝐫,t)𝐣𝐫𝑡\mathbf{j}(\mathbf{r},t) und der Entropiedichte σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t). Die Matrix Λim,knsubscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛\Lambda_{im,kn} ist in den einzelnen relevanten Variablen also weitgehend diagonal.

Der zweite Term in der allgemeinen hydrodynamischen Gleichung (217) hat offensichtlich die Form einer Divergenz von Stromdichten. Wir entnehmen daraus die dissipativen Beiträge zu den allgemeinen Stromdichten

Δjim(𝐫,t)=knΛim,knnδE[x(t)]δxk(𝐫,t).Δsubscript𝑗𝑖𝑚𝐫𝑡subscript𝑘𝑛subscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛subscript𝑛𝛿𝐸delimited-[]𝑥𝑡𝛿subscript𝑥𝑘𝐫𝑡\Delta j_{im}(\mathbf{r},t)=-\sum_{kn}\Lambda_{im,kn}\,\partial_{n}\,\frac{\delta E[x(t)]}{\delta x_{k}(\mathbf{r},t)}\ . (220)

Folglich wird sich die Struktur der speziellen hydrodynamischen Gleichungen (202)-(205) durch die Effekte der Dissipation nicht ändern. Nur die Entropie-Gleichung bekommt wegen der Erzeugung von Wärme und Entropie durch Reibung einen Zusatzterm. Berücksichtigen wir, dass die Matrix Λim,knsubscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛\Lambda_{im,kn} weitgehend diagonal ist, so finden wir die dissipativen Stromdichten

ΔjkΔsubscript𝑗𝑘\displaystyle\Delta j_{k} =\displaystyle= 0,0\displaystyle 0\ , (221)
ΔΠikΔsubscriptΠ𝑖𝑘\displaystyle\Delta\Pi_{ik} =\displaystyle= Λik,mnjjnvm,subscriptsuperscriptΛ𝑗𝑗𝑖𝑘𝑚𝑛subscript𝑛subscript𝑣𝑚\displaystyle-\,\Lambda^{jj}_{ik,mn}\,\partial_{n}v_{m}\ , (222)
ΔqkΔsubscript𝑞𝑘\displaystyle\Delta q_{k} =\displaystyle= ΛknσσnT,subscriptsuperscriptΛ𝜎𝜎𝑘𝑛subscript𝑛𝑇\displaystyle-\,\Lambda^{\sigma\sigma}_{kn}\,\partial_{n}T\ , (223)
ΔjE,kΔsubscript𝑗𝐸𝑘\displaystyle\Delta j_{E,k} =\displaystyle= TΔqk+viΔΠik+m1μΔjk𝑇Δsubscript𝑞𝑘subscript𝑣𝑖ΔsubscriptΠ𝑖𝑘superscript𝑚1𝜇Δsubscript𝑗𝑘\displaystyle T\Delta q_{k}+v_{i}\Delta\Pi_{ik}+m^{-1}\mu\Delta j_{k} (224)

und die erzeugte Wärme

R=(kvi)Λik,mnjj(nvm)+(kT)Λknσσ(nT).𝑅subscript𝑘subscript𝑣𝑖subscriptsuperscriptΛ𝑗𝑗𝑖𝑘𝑚𝑛subscript𝑛subscript𝑣𝑚subscript𝑘𝑇subscriptsuperscriptΛ𝜎𝜎𝑘𝑛subscript𝑛𝑇R=(\partial_{k}v_{i})\,\Lambda^{jj}_{ik,mn}\,(\partial_{n}v_{m})+(\partial_{k}T)\,\Lambda^{\sigma\sigma}_{kn}\,(\partial_{n}T)\ . (225)

Zur Vereinfachung der Schreibweise lassen wir ab jetzt die Argumente 𝐫𝐫\mathbf{r} und t𝑡t weg. Nach der Summenkonvention wird automatisch über doppelt auftretende Indizes summiert.

Eine normale Flüssigkeit ist isotrop. Das bedeutet, sie ist invariant unter Rotationen und Raumspiegelungen. Das schränkt die Matrizen für die Dissipation weiter ein. Wir finden

Λik,mnjjsubscriptsuperscriptΛ𝑗𝑗𝑖𝑘𝑚𝑛\displaystyle\Lambda^{jj}_{ik,mn} =\displaystyle= η(δimδkn+δinδkm2dδikδmn)𝜂subscript𝛿𝑖𝑚subscript𝛿𝑘𝑛subscript𝛿𝑖𝑛subscript𝛿𝑘𝑚2𝑑subscript𝛿𝑖𝑘subscript𝛿𝑚𝑛\displaystyle\eta\,\left(\delta_{im}\delta_{kn}+\delta_{in}\delta_{km}-\frac{2}{d}\,\delta_{ik}\delta_{mn}\right) (226)
+ζδikδmn,𝜁subscript𝛿𝑖𝑘subscript𝛿𝑚𝑛\displaystyle+\,\zeta\,\delta_{ik}\delta_{mn}\ ,
ΛknσσsubscriptsuperscriptΛ𝜎𝜎𝑘𝑛\displaystyle\Lambda^{\sigma\sigma}_{kn} =\displaystyle= ϰTδkn.italic-ϰ𝑇subscript𝛿𝑘𝑛\displaystyle\frac{\varkappa}{T}\,\delta_{kn}\ . (227)

Von der gesamten dissipativen Matrix Λim,knsubscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛\Lambda_{im,kn} verbleiben also gerade mal drei Parameter, die Scherviskosität η𝜂\eta, die Volumenviskosität ζ𝜁\zeta und die Wärmeleitfähigkeit ϰitalic-ϰ\varkappa. Diese drei Parameter beschreiben die dissipativen Effekte in einer normalen Flüssigkeit vollständig. Sie werden üblicherweise phänomenologisch bestimmt durch Vergleiche mit Experimenten.

Wir setzen nun die Matrizen (226) und (227) ein. Damit finden wir den Zusatzbeitrag für den Spannungstensor

ΔΠik=η(ivk+kvi2dδiknvn)ζδiknvnΔsubscriptΠ𝑖𝑘𝜂subscript𝑖subscript𝑣𝑘subscript𝑘subscript𝑣𝑖2𝑑subscript𝛿𝑖𝑘subscript𝑛subscript𝑣𝑛𝜁subscript𝛿𝑖𝑘subscript𝑛subscript𝑣𝑛\Delta\Pi_{ik}=-\eta\left(\partial_{i}v_{k}+\partial_{k}v_{i}-\frac{2}{d}\,\delta_{ik}\,\partial_{n}v_{n}\right)-\zeta\,\delta_{ik}\,\partial_{n}v_{n} (228)

und für die Entropiestromdichte

Δqk=ϰTkT.Δsubscript𝑞𝑘italic-ϰ𝑇subscript𝑘𝑇\Delta q_{k}=-\frac{\varkappa}{T}\,\partial_{k}T\ . (229)

Addieren wir die Zusatzbeiträge (221)-(224) zu den reversiblen Beiträgen (185), (187), (206) und (188), so erhalten wir die gesamten Stromdichten

jksubscript𝑗𝑘\displaystyle j_{k} =\displaystyle= ρvk,𝜌subscript𝑣𝑘\displaystyle\rho\,v_{k}\ , (230)
ΠiksubscriptΠ𝑖𝑘\displaystyle\Pi_{ik} =\displaystyle= pδik+ρvivk+ΔΠik,𝑝subscript𝛿𝑖𝑘𝜌subscript𝑣𝑖subscript𝑣𝑘ΔsubscriptΠ𝑖𝑘\displaystyle p\,\delta_{ik}+\rho\,v_{i}\,v_{k}+\Delta\Pi_{ik}\ , (231)
qksubscript𝑞𝑘\displaystyle q_{k} =\displaystyle= σvkϰTkT,𝜎subscript𝑣𝑘italic-ϰ𝑇subscript𝑘𝑇\displaystyle\sigma\,v_{k}-\frac{\varkappa}{T}\,\partial_{k}T\ , (232)
jE,ksubscript𝑗𝐸𝑘\displaystyle j_{E,k} =\displaystyle= (ε+p)vkϰkT+viΔΠik.𝜀𝑝subscript𝑣𝑘italic-ϰsubscript𝑘𝑇subscript𝑣𝑖ΔsubscriptΠ𝑖𝑘\displaystyle(\varepsilon+p)v_{k}-\varkappa\,\partial_{k}T+v_{i}\Delta\Pi_{ik}\ .\hskip 14.22636pt (233)

Der zweite Term in der Energiestromdichte (233) stellt die Wärmestromdichte dar. Dies erklärt die Bezeichnung Wärmeleitfähigkeit für den Parameter ϰitalic-ϰ\varkappa. Aus (225) finden wir schließlich die erzeugte Wärmedichte

R𝑅\displaystyle R =\displaystyle= η[(ivk)(ivk)+(ivk)(kvi)2d(ivi)(kvk)]𝜂delimited-[]subscript𝑖subscript𝑣𝑘subscript𝑖subscript𝑣𝑘subscript𝑖subscript𝑣𝑘subscript𝑘subscript𝑣𝑖2𝑑subscript𝑖subscript𝑣𝑖subscript𝑘subscript𝑣𝑘\displaystyle\eta\left[(\partial_{i}v_{k})(\partial_{i}v_{k})+(\partial_{i}v_{k})(\partial_{k}v_{i})-\frac{2}{d}\,(\partial_{i}v_{i})(\partial_{k}v_{k})\right] (234)
+ζ(𝐯)2+ϰT(T)2.𝜁superscript𝐯2italic-ϰ𝑇superscript𝑇2\displaystyle+\,\zeta\,(\nabla\cdot\mathbf{v})^{2}+\frac{\varkappa}{T}\,(\nabla T)^{2}\ .

Wir fassen zusammen. Die hydrodynamischen Gleichungen für eine normale Flüssigkeit mit Dissipation sind gegeben durch (202)-(205), zusammen mit den Stromdichten (230)-(233) und der erzeugten Wärmedichte (234). Sie stimmen überein mit den hydrodynamischen Gleichungen, die in den bekannten Lehrbüchern zu finden sind LL06 . Drei von diesen sind reine Kontinuitätsgleichungen. Das bedeutet, die zugehörigen physikalischen Größen Energie, Impuls und Massendichte sind Erhaltungsgrößen. Eine Ausnahme bildet die Gleichung für die Entropiedichte (204). Hier steht mit der erzeugten Wärmedichte R𝑅R ein Quellterm auf der rechten Seite. Da die erzeugte Wärmedichte (234) eine quadratische Form hat und die Parameter η𝜂\eta, ζ𝜁\zeta und ϰitalic-ϰ\varkappa positiv sind, ist sie immer größer gleich null. Folglich ist der Quellterm der Entropie immer größer gleich null. Diese Eigenschaft liefert den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, so dass die gesamte Entropie des Systems immer anwachsen muss.

IV.5 Hydrodynamische Fluktuationen

Die fluktuierenden Kräfte stellen den dritten Term in der allgemeinen hydrodynamischen Gleichung (161) dar. Sie werden definiert durch die Formel (114). Definieren wir die quantenmechanischen Operatoren der fluktuierenden Kräfte im Heisenberg Bild durch

f^i(𝐫,t)=i𝖰(t0)U(t0,t)𝖰(t)𝖫a^i(𝐫),subscript^𝑓𝑖𝐫𝑡𝑖𝖰subscript𝑡0𝑈subscript𝑡0𝑡𝖰𝑡𝖫subscript^𝑎𝑖𝐫\hat{f}_{i}(\mathbf{r},t)=i\,\mathsf{Q}(t_{0})\,U(t_{0},t)\,\mathsf{Q}(t)\,\mathsf{L}\,\hat{a}_{i}(\mathbf{r})\ , (235)

so berechnen sich ihre Erwartungswerte mit

fi(𝐫,t)=Sp{ϱ^(t0)f^i(𝐫,t)}.subscript𝑓𝑖𝐫𝑡Sp^italic-ϱsubscript𝑡0subscript^𝑓𝑖𝐫𝑡f_{i}(\mathbf{r},t)=\mathrm{Sp}\{\hat{\varrho}(t_{0})\,\hat{f}_{i}(\mathbf{r},t)\}\ . (236)

Zur Unterscheidung zwischen Operatoren und Erwartungswerten kennzeichnen wir hier wieder die quantenmechanischen Operatoren mit einem Dach.

Wir nehmen an, dass durch den orthogonalen Projektionsoperator 𝖰(t)𝖰𝑡\mathsf{Q}(t) alle physikalischen Freiheitsgrade entfernt werden, welche sich auf großen Längenskalen und großen Zeitskalen bewegen. Folglich werden sich die fluktuierenden Kräfte fi(𝐫,t)subscript𝑓𝑖𝐫𝑡f_{i}(\mathbf{r},t) auf kurze Längenskalen und kurze Zeitskalen beschränken und nahezu stochastisch verhalten. Wir nehmen weiterhin an, dass physikalische Zustände immer durch reine quantenmechanische Zustände beschrieben werden, so dass zur Anfangszeit t0subscript𝑡0t_{0} die Dichtematrix gegeben ist durch ϱ^(t0)=|Ψ0Ψ0|^italic-ϱsubscript𝑡0ketsubscriptΨ0brasubscriptΨ0\hat{\varrho}(t_{0})=|\Psi_{0}\rangle\langle\Psi_{0}|. Da eine normal Flüssigkeit ein klassisches System ist, erwarten wir, dass die fluktuierenden Kräfte f^i(𝐫,t)subscript^𝑓𝑖𝐫𝑡\hat{f}_{i}(\mathbf{r},t) näherungsweise scharf definierte klassische Variablen sind. Das bedeutet, dass Erwartungswerte von Produkten von fluktuierenden Kräften näherungsweise faktorisieren. Für einen Erwartungswert mit zwei fluktuierenden Kräften erhalten wir also näherungsweise

Sp{ϱ^(t0)f^i(𝐫,t)f^k(𝐫,t)}Sp^italic-ϱsubscript𝑡0subscript^𝑓𝑖𝐫𝑡subscript^𝑓𝑘superscript𝐫superscript𝑡absent\displaystyle\mathrm{Sp}\{\hat{\varrho}(t_{0})\,\hat{f}_{i}(\mathbf{r},t)\,\hat{f}_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\}\,\approx
Sp{ϱ^(t0)f^i(𝐫,t)}Sp{ϱ^(t0)f^k(𝐫,t)}absentSp^italic-ϱsubscript𝑡0subscript^𝑓𝑖𝐫𝑡Sp^italic-ϱsubscript𝑡0subscript^𝑓𝑘superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle\approx\,\mathrm{Sp}\{\hat{\varrho}(t_{0})\,\hat{f}_{i}(\mathbf{r},t)\}\,\mathrm{Sp}\{\hat{\varrho}(t_{0})\,\hat{f}_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\}
=fi(𝐫,t)fk(𝐫,t).absentsubscript𝑓𝑖𝐫𝑡subscript𝑓𝑘superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle=\,f_{i}(\mathbf{r},t)\,f_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\ . (237)

Wir stellen uns nun vor, dass das Experiment mit der normalen Flüssigkeit mehrfach durchgeführt wird. Die Dichtematrix ϱ^(n)(t0)superscript^italic-ϱ𝑛subscript𝑡0\hat{\varrho}^{(n)}(t_{0}) ist dann für jedes Experiment mit Nummer n=1,,N𝑛1𝑁n=1,\ldots,N unterschiedlich. Wir wollen jedoch annehmen, dass sie im statistischen Mittel näherungsweise mit einer relevanten Dichtematrix (26) übereinstimmt, so dass gilt

ϱ^(t0)=1Nn=1Nϱ^(n)(t0)ϱ~^(t0).delimited-⟨⟩^italic-ϱsubscript𝑡01𝑁superscriptsubscript𝑛1𝑁superscript^italic-ϱ𝑛subscript𝑡0^~italic-ϱsubscript𝑡0\langle\hat{\varrho}(t_{0})\rangle=\frac{1}{N}\sum_{n=1}^{N}\hat{\varrho}^{(n)}(t_{0})\approx\hat{\tilde{\varrho}}(t_{0})\ . (238)

Es folgt dann das statistische Mittel der fluktuierenden Kräfte

fi(𝐫,t)Sp{ϱ~^(t0)f^i(𝐫,t)}=0delimited-⟨⟩subscript𝑓𝑖𝐫𝑡Sp^~italic-ϱsubscript𝑡0subscript^𝑓𝑖𝐫𝑡0\langle f_{i}(\mathbf{r},t)\rangle\approx\mathrm{Sp}\{\hat{\tilde{\varrho}}(t_{0})\,\hat{f}_{i}(\mathbf{r},t)\}=0 (239)

und die Korrelationsfunktion

fi(𝐫,t)fk(𝐫,t)delimited-⟨⟩subscript𝑓𝑖𝐫𝑡subscript𝑓𝑘superscript𝐫superscript𝑡absent\displaystyle\langle f_{i}(\mathbf{r},t)\,f_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\rangle\approx
Sp{ϱ~^(t0)f^i(𝐫,t)f^k(𝐫,t)}absentSp^~italic-ϱsubscript𝑡0subscript^𝑓𝑖𝐫𝑡subscript^𝑓𝑘superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle\approx\,\mathrm{Sp}\{\hat{\tilde{\varrho}}(t_{0})\,\hat{f}_{i}(\mathbf{r},t)\,\hat{f}_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\}
01𝑑αSp{ϱ~^(t0)αf^i(𝐫,t)ϱ~^(t0)1αf^k(𝐫,t)}absentsuperscriptsubscript01differential-d𝛼Sp^~italic-ϱsuperscriptsubscript𝑡0𝛼subscript^𝑓𝑖𝐫𝑡^~italic-ϱsuperscriptsubscript𝑡01𝛼subscript^𝑓𝑘superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle\approx\,\int_{0}^{1}d\alpha\ \mathrm{Sp}\{\hat{\tilde{\varrho}}(t_{0})^{\alpha}\,\hat{f}_{i}(\mathbf{r},t)\,\hat{\tilde{\varrho}}(t_{0})^{1-\alpha}\,\hat{f}_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\}
=(fi(𝐫,t)|fk(𝐫,t))t0.absentsubscriptconditionalsubscript𝑓𝑖𝐫𝑡subscript𝑓𝑘superscript𝐫superscript𝑡subscript𝑡0\displaystyle=(f_{i}(\mathbf{r},t)|f_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime}))_{t_{0}}\ . (240)

Nach einigen Umformungen lässt sich die Korrelationsfunktion der fluktuierenden Kräfte also in Form eines Mori-Skalarprodukts schreiben. Setzen wir hier die Operatoren der fluktuierenden Kräfte (235) ein und beachten, dass der Zeitentwicklungsoperators U(t0,t)𝑈subscript𝑡0𝑡U(t_{0},t) im Mori-Skalarprodukt näherungsweise adjungiert werden kann, so finden wir

fi(𝐫,t)fk(𝐫,t)delimited-⟨⟩subscript𝑓𝑖𝐫𝑡subscript𝑓𝑘superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle\langle f_{i}(\mathbf{r},t)\,f_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\rangle \displaystyle\approx (fi(𝐫,t)|fk(𝐫,t))t0subscriptconditionalsubscript𝑓𝑖𝐫𝑡subscript𝑓𝑘superscript𝐫superscript𝑡subscript𝑡0\displaystyle(f_{i}(\mathbf{r},t)|f_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime}))_{t_{0}} (241)
=\displaystyle= (𝖰(t0)U(t0,t)𝖰(t)𝖫a^i(𝐫)|𝖰(t0)U(t0,t)𝖰(t)𝖫a^k(𝐫))t0subscriptconditional𝖰subscript𝑡0𝑈subscript𝑡0𝑡𝖰𝑡𝖫subscript^𝑎𝑖𝐫𝖰subscript𝑡0𝑈subscript𝑡0superscript𝑡𝖰superscript𝑡𝖫subscript^𝑎𝑘superscript𝐫subscript𝑡0\displaystyle(\mathsf{Q}(t_{0})\,U(t_{0},t)\,\mathsf{Q}(t)\,\mathsf{L}\,\hat{a}_{i}(\mathbf{r})|\mathsf{Q}(t_{0})\,U(t_{0},t^{\prime})\,\mathsf{Q}(t^{\prime})\,\mathsf{L}\,\hat{a}_{k}(\mathbf{r}^{\prime}))_{t_{0}}
\displaystyle\approx (𝖰(t)𝖫a^i(𝐫)|[U(t0,t)]+𝖰(t0)𝖰(t0)U(t0,t)𝖰(t)𝖫a^k(𝐫))tsubscriptconditional𝖰𝑡𝖫subscript^𝑎𝑖𝐫superscriptdelimited-[]𝑈subscript𝑡0𝑡𝖰subscript𝑡0𝖰subscript𝑡0𝑈subscript𝑡0superscript𝑡𝖰superscript𝑡𝖫subscript^𝑎𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle(\mathsf{Q}(t)\,\mathsf{L}\,\hat{a}_{i}(\mathbf{r})|[U(t_{0},t)]^{+}\,\mathsf{Q}(t_{0})\,\mathsf{Q}(t_{0})\,U(t_{0},t^{\prime})\,\mathsf{Q}(t^{\prime})\,\mathsf{L}\,\hat{a}_{k}(\mathbf{r}^{\prime}))_{t}
=\displaystyle= (𝖰(t)𝖫a^i(𝐫)|[U(t0,t)]+U(t0,t)𝖰(t)𝖫a^k(𝐫))tsubscriptconditional𝖰𝑡𝖫subscript^𝑎𝑖𝐫superscriptdelimited-[]𝑈subscript𝑡0𝑡𝑈subscript𝑡0superscript𝑡𝖰superscript𝑡𝖫subscript^𝑎𝑘superscript𝐫𝑡\displaystyle(\mathsf{Q}(t)\,\mathsf{L}\,\hat{a}_{i}(\mathbf{r})|[U(t_{0},t)]^{+}\,U(t_{0},t^{\prime})\,\mathsf{Q}(t^{\prime})\,\mathsf{L}\,\hat{a}_{k}(\mathbf{r}^{\prime}))_{t}
=\displaystyle= (𝖰(t)𝖫a^i(𝐫)|U(t,t)𝖰(t)𝖫a^k(𝐫))t=kBMki(𝐫,t;𝐫,t)kBMik(𝐫,t;𝐫,t).subscriptconditional𝖰𝑡𝖫subscript^𝑎𝑖𝐫𝑈𝑡superscript𝑡𝖰superscript𝑡𝖫subscript^𝑎𝑘superscript𝐫𝑡subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑘𝑖superscript𝐫superscript𝑡𝐫𝑡subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle(\mathsf{Q}(t)\,\mathsf{L}\,\hat{a}_{i}(\mathbf{r})|U(t,t^{\prime})\,\mathsf{Q}(t^{\prime})\,\mathsf{L}\,\hat{a}_{k}(\mathbf{r}^{\prime}))_{t}\,=\,k_{B}\,M_{ki}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime};\mathbf{r},t)\,\approx\,k_{B}\,M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\ .

Das letzte Gleichheitszeichen folgt aus der Definition der Gedächtnismatrix (85). Wir stellen also fest, dass sich die Korrelationsfunktion der fluktuierenden Kräfte mit der Gedächtnismatrix Mik(𝐫,t;𝐫,t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫𝑡superscript𝐫superscript𝑡M_{ik}(\mathbf{r},t;\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime}) in Verbindung bringen lässt.

Die Bezeichnung näherungsweise betrifft immer die hydrodynamische Näherung, die wir hier verwenden. In diesem Sinne werden wir ab jetzt zur Vereinfachung in den Gleichungen die Näherungszeichen durch Gleichheitszeichen ersetzen. Da wir Gedächtniseffekte vernachlässigen, dürfen wir die Gedächtnismatrix durch die Onsager-Matrix darstellen gemäß (158). So erhalten wir für die Korrelationsfunktion der fluktuierenden Kräfte das Ergebnis

fi(𝐫,t)fk(𝐫,t)=2kBMik(𝐫,𝐫;t)δ(tt).delimited-⟨⟩subscript𝑓𝑖𝐫𝑡subscript𝑓𝑘superscript𝐫superscript𝑡2subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡𝛿𝑡superscript𝑡\langle f_{i}(\mathbf{r},t)\,f_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\rangle=2\,k_{B}\,M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t)\,\delta(t-t^{\prime})\ . (242)

Die wesentlichen Eigenschaften der fluktuierenden Kräfte fi(𝐫,t)subscript𝑓𝑖𝐫𝑡f_{i}(\mathbf{r},t) werden durch den Erwartungswert (239) und die Korrelationsfunktion (242) beschrieben. Betrachten wir diese beiden Gleichungen genauer, so stellen wir fest, dass sie genau den Definitionsgleichungen für gaußische stochastische Kräfte entsprechen. Wir kommen also zu dem Ergebnis, dass man die fluktuierenden Kräfte fi(𝐫,t)subscript𝑓𝑖𝐫𝑡f_{i}(\mathbf{r},t) als gaußische stochastische Kräfte interpretieren kann. Folglich ist die allgemeine hydrodynamische Gleichung (161) eine stochastische Differentialgleichung. Es wird somit für die Differentialrechnung ein stochastischer Formalismus benötigt. Da wir die allgmeinen hydrodynamischen Gleichungen unter Annahme der Zeitumkehrinvarianz in der zugrunde liegenden mikroskopischen Theorie hergeleitet haben, ist der Differentialoperator für die Zeitableitung tsubscript𝑡\partial_{t} symmetrisch definiert. In diesem Sinne ist (161) eine stochastische Differentialgleichung im Stratonovich-Formalismus.

Die Onsager-Matrix Mik(𝐫,𝐫;t)subscript𝑀𝑖𝑘𝐫superscript𝐫𝑡M_{ik}(\mathbf{r},\mathbf{r}^{\prime};t) tritt an zwei Stellen auf. Zum einen legt sie im zweiten Term der allgemeinen hydrodynamischen Gleichungen (161) die Stärke der Dissipationen fest. Zum anderen legt sie in (242) die Stärke der Fluktuationen der stochastischen Kräfte fest. Dieser Zusammenhang zwischen Fluktuation und Dissipation ist bekannt unter dem Namen Fluktuations-Dissipations-Theorem der zweiten Art.

Im Folgenden wollen wir die stochastischen Kräfte speziell für unsere normale Flüssigkeit untersuchen. Für die relevanten Variablen Energiedichte ε(𝐫,t)𝜀𝐫𝑡\varepsilon(\mathbf{r},t), Impulsdichte 𝐣(𝐫,t)𝐣𝐫𝑡\mathbf{j}(\mathbf{r},t) und Massendichte ρ(𝐫,t)𝜌𝐫𝑡\rho(\mathbf{r},t) dürfen wir die Onsager-Matrix mit dem Ansatz (208) verwenden. Es folgt dann die Korrelationsfunktion

fi(𝐫,t)fk(𝐫,t)=m 2kBNim,knnδ(𝐫𝐫)δ(tt).delimited-⟨⟩subscript𝑓𝑖𝐫𝑡subscript𝑓𝑘superscript𝐫superscript𝑡subscript𝑚2subscript𝑘𝐵subscript𝑁𝑖𝑚𝑘𝑛subscript𝑛𝛿𝐫superscript𝐫𝛿𝑡superscript𝑡\langle f_{i}(\mathbf{r},t)\,f_{k}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\rangle=-\,\partial_{m}\,2\,k_{B}\,N_{im,kn}\,\partial_{n}\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\,\delta(t-t^{\prime})\ . (243)

Die stochastischen Kräfte sind also sowohl auf der räumlichen Längenskala als auch auf der zeitlichen Skala extrem kurzreichweitig.

Wegen den räumlichen Differentialoperatoren in (243) ist es zweckmäßig, die stochastischen Kräfte fi(𝐫,t)subscript𝑓𝑖𝐫𝑡f_{i}(\mathbf{r},t) der Dichten als Ableitungen von neuen stochastischen Kräften gik(𝐫,t)subscript𝑔𝑖𝑘𝐫𝑡g_{ik}(\mathbf{r},t) der zugehörigen Stromdichten zu schreiben gemäß

fi(𝐫,t)=kgik(𝐫,t).subscript𝑓𝑖𝐫𝑡subscript𝑘subscript𝑔𝑖𝑘𝐫𝑡f_{i}(\mathbf{r},t)=-\,\partial_{k}\,g_{ik}(\mathbf{r},t)\ . (244)

Diese Darstellung der fluktuierenden Kräfte haben wir schon früher in (127) zusammen mit (128) hergeleitet. Sie gilt allgemein, wenn die hydrodynamischen Variablen Dichten von Erhaltungsgrößen sind. Die Erwartungswerte der neuen stochastischen Kräfte sind dann ebenfalls null, und für die Korrelationsfunktion erhalten wir

gik(𝐫,t)gmn(𝐫,t)=2kBNik,mnδ(𝐫𝐫)δ(tt).delimited-⟨⟩subscript𝑔𝑖𝑘𝐫𝑡subscript𝑔𝑚𝑛superscript𝐫superscript𝑡2subscript𝑘𝐵subscript𝑁𝑖𝑘𝑚𝑛𝛿𝐫superscript𝐫𝛿𝑡superscript𝑡\langle g_{ik}(\mathbf{r},t)\,g_{mn}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\rangle=2\,k_{B}\,N_{ik,mn}\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\,\delta(t-t^{\prime})\ . (245)

Der Übergang zu den relevanten Variablen Entropiedichte σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t), Impulsdichte 𝐣(𝐫,t)𝐣𝐫𝑡\mathbf{j}(\mathbf{r},t) und Massendichte ρ(𝐫,t)𝜌𝐫𝑡\rho(\mathbf{r},t) erfolgt, indem wir die Matrix Nik,mnsubscript𝑁𝑖𝑘𝑚𝑛N_{ik,mn} durch Λik,mnsubscriptΛ𝑖𝑘𝑚𝑛\Lambda_{ik,mn} ersetzen. Da die Funktional-Ableitungen der Entropie (211)-(213) einen zusätzlichen Faktor 1/T1𝑇1/T haben, die Funktional-Ableitungen der Energie (199)-(201) jedoch nicht, müssen wir in der Korrelationsfunktion noch einen zusätzlichen Faktor T𝑇T hinzufügen. Wir erhalten somit in diesem Fall

gik(𝐫,t)gmn(𝐫,t)=2kBTΛik,mnδ(𝐫𝐫)δ(tt).delimited-⟨⟩subscript𝑔𝑖𝑘𝐫𝑡subscript𝑔𝑚𝑛superscript𝐫superscript𝑡2subscript𝑘𝐵𝑇subscriptΛ𝑖𝑘𝑚𝑛𝛿𝐫superscript𝐫𝛿𝑡superscript𝑡\langle g_{ik}(\mathbf{r},t)\,g_{mn}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\rangle=2\,k_{B}T\,\Lambda_{ik,mn}\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\,\delta(t-t^{\prime})\ . (246)

Wir weisen darauf hin, dass die Temperatur T=T(𝐫,t)𝑇𝑇𝐫𝑡T=T(\mathbf{r},t) nicht konstant ist, sondern fluktuiert. Sie wird in (199) als Funktionalableitung der Energie E[x]𝐸delimited-[]𝑥E[x] definiert und hängt somit im allgemeinen von den hydrodynamischen Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) ab.

Im vorherigen Abschnitt haben wir festgestellt, dass aus Symmetriegründen die meisten Elemente der Matrix Λik,mnsubscriptΛ𝑖𝑘𝑚𝑛\Lambda_{ik,mn} null sind. Es gibt keine von Null verschiedene Matrixelemente für die Massendichte. Da es für die Massendichte keine Dissipation gibt, fallen auch die stochastischen Kräfte für die Massenstromdichte weg. Wir haben also

gkj(𝐫,t)=0.subscriptsuperscript𝑔𝑗𝑘𝐫𝑡0g^{j}_{k}(\mathbf{r},t)=0\ . (247)

Es verbleiben die stochastischen Kräfte für den Spannungstensor gikΠ(𝐫,t)subscriptsuperscript𝑔Π𝑖𝑘𝐫𝑡g^{\Pi}_{ik}(\mathbf{r},t) und für die Entropiestromdichte gkq(𝐫,t)subscriptsuperscript𝑔𝑞𝑘𝐫𝑡g^{q}_{k}(\mathbf{r},t). Nach (239) sind die Erwartungswerte null. Wir haben also

gikΠ(𝐫,t)delimited-⟨⟩subscriptsuperscript𝑔Π𝑖𝑘𝐫𝑡\displaystyle\langle g^{\Pi}_{ik}(\mathbf{r},t)\rangle =\displaystyle= 0,0\displaystyle 0\ , (248)
gkq(𝐫,t)delimited-⟨⟩subscriptsuperscript𝑔𝑞𝑘𝐫𝑡\displaystyle\langle g^{q}_{k}(\mathbf{r},t)\rangle =\displaystyle= 0.0\displaystyle 0\ . (249)

Wir bemerken zur Schreibweise: In (247)-(249) und in den nachfolgenden Formeln bezeichnet der obere Index jeweils die Stromdichte, zu welcher die jeweilige stochastische Kraft gehört. Wegen der Zeitumkehrinvarianz gibt es keine Korrelationen zwischen den beiden stochastischen Kräften gikΠ(𝐫,t)subscriptsuperscript𝑔Π𝑖𝑘𝐫𝑡g^{\Pi}_{ik}(\mathbf{r},t) und gkq(𝐫,t)subscriptsuperscript𝑔𝑞𝑘𝐫𝑡g^{q}_{k}(\mathbf{r},t), so dass

gikΠ(𝐫,t)gnq(𝐫,t)=0.delimited-⟨⟩subscriptsuperscript𝑔Π𝑖𝑘𝐫𝑡subscriptsuperscript𝑔𝑞𝑛superscript𝐫superscript𝑡0\langle g^{\Pi}_{ik}(\mathbf{r},t)\,g^{q}_{n}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\rangle=0\ . (250)

Die verbleibenden Korrelationen werden durch die Matrizen (226) und (227) beschrieben. Wir erhalten damit

gikΠ(𝐫,t)gmnΠ(𝐫,t)delimited-⟨⟩subscriptsuperscript𝑔Π𝑖𝑘𝐫𝑡subscriptsuperscript𝑔Π𝑚𝑛superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle\langle g^{\Pi}_{ik}(\mathbf{r},t)\,g^{\Pi}_{mn}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\rangle =\displaystyle= 2kBTΛik,mnjjδ(𝐫𝐫)δ(tt)2subscript𝑘𝐵𝑇subscriptsuperscriptΛ𝑗𝑗𝑖𝑘𝑚𝑛𝛿𝐫superscript𝐫𝛿𝑡superscript𝑡\displaystyle 2\,k_{B}T\,\Lambda^{jj}_{ik,mn}\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\,\delta(t-t^{\prime}) (251)
=\displaystyle= 2kBT[η(δimδkn+δinδkm2dδikδmn)+ζδikδmn]δ(𝐫𝐫)δ(tt)2subscript𝑘𝐵𝑇delimited-[]𝜂subscript𝛿𝑖𝑚subscript𝛿𝑘𝑛subscript𝛿𝑖𝑛subscript𝛿𝑘𝑚2𝑑subscript𝛿𝑖𝑘subscript𝛿𝑚𝑛𝜁subscript𝛿𝑖𝑘subscript𝛿𝑚𝑛𝛿𝐫superscript𝐫𝛿𝑡superscript𝑡\displaystyle 2\,k_{B}T\,\left[\eta\left(\delta_{im}\delta_{kn}+\delta_{in}\delta_{km}-\frac{2}{d}\delta_{ik}\delta_{mn}\right)+\zeta\,\delta_{ik}\delta_{mn}\right]\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\,\delta(t-t^{\prime})\hskip 17.07164pt

und

gkq(𝐫,t)gnq(𝐫,t)delimited-⟨⟩subscriptsuperscript𝑔𝑞𝑘𝐫𝑡subscriptsuperscript𝑔𝑞𝑛superscript𝐫superscript𝑡\displaystyle\langle g^{q}_{k}(\mathbf{r},t)\,g^{q}_{n}(\mathbf{r}^{\prime},t^{\prime})\rangle =\displaystyle= 2kBTΛknσσδ(𝐫𝐫)δ(tt)2subscript𝑘𝐵𝑇subscriptsuperscriptΛ𝜎𝜎𝑘𝑛𝛿𝐫superscript𝐫𝛿𝑡superscript𝑡\displaystyle 2\,k_{B}T\,\Lambda^{\sigma\sigma}_{kn}\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\,\delta(t-t^{\prime}) (252)
=\displaystyle= 2kBϰδknδ(𝐫𝐫)δ(tt).2subscript𝑘𝐵italic-ϰsubscript𝛿𝑘𝑛𝛿𝐫superscript𝐫𝛿𝑡superscript𝑡\displaystyle 2\,k_{B}\,\varkappa\,\delta_{kn}\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\,\delta(t-t^{\prime})\ .

Die gaußischen stochastischen Kräfte für die Massenstromdichte gkj(𝐫,t)subscriptsuperscript𝑔𝑗𝑘𝐫𝑡g^{j}_{k}(\mathbf{r},t), für den Spannungstensor gikΠ(𝐫,t)subscriptsuperscript𝑔Π𝑖𝑘𝐫𝑡g^{\Pi}_{ik}(\mathbf{r},t) und für die Entropiestromdichte gkq(𝐫,t)subscriptsuperscript𝑔𝑞𝑘𝐫𝑡g^{q}_{k}(\mathbf{r},t) sind mit den Gleichungen (247)-(252) eindeutig definiert. Es verbleibt die stochastische Kraft für die Energiestromdichte. Diese bekommt man aus der thermodynamischen Relation

gkjE(𝐫,t)=T(𝐫,t)gkq(𝐫,t)+vi(𝐫,t)gikΠ(𝐫,t).subscriptsuperscript𝑔subscript𝑗𝐸𝑘𝐫𝑡𝑇𝐫𝑡subscriptsuperscript𝑔𝑞𝑘𝐫𝑡subscript𝑣𝑖𝐫𝑡subscriptsuperscript𝑔Π𝑖𝑘𝐫𝑡g^{j_{E}}_{k}(\mathbf{r},t)=T(\mathbf{r},t)\,g^{q}_{k}(\mathbf{r},t)+v_{i}(\mathbf{r},t)\,g^{\Pi}_{ik}(\mathbf{r},t)\ . (253)

Am Ende müssen die stochastischen Kräfte in die hydrodynamischen Gleichungen eingefügt werden. Man erreicht dies, indem man die stochastischen Kräfte zu den Stromdichten (230)-(233) hinzu addiert. Wir finden also

jksubscript𝑗𝑘\displaystyle j_{k} =\displaystyle= ρvk,𝜌subscript𝑣𝑘\displaystyle\rho\,v_{k}\ , (254)
ΠiksubscriptΠ𝑖𝑘\displaystyle\Pi_{ik} =\displaystyle= pδik+ρvivk+ΔΠik+gikΠ(𝐫,t),𝑝subscript𝛿𝑖𝑘𝜌subscript𝑣𝑖subscript𝑣𝑘ΔsubscriptΠ𝑖𝑘subscriptsuperscript𝑔Π𝑖𝑘𝐫𝑡\displaystyle p\,\delta_{ik}+\rho\,v_{i}\,v_{k}+\Delta\Pi_{ik}+g^{\Pi}_{ik}(\mathbf{r},t)\ ,\hskip 14.22636pt (255)
qksubscript𝑞𝑘\displaystyle q_{k} =\displaystyle= σvkϰTkT+gkq(𝐫,t),𝜎subscript𝑣𝑘italic-ϰ𝑇subscript𝑘𝑇subscriptsuperscript𝑔𝑞𝑘𝐫𝑡\displaystyle\sigma\,v_{k}-\frac{\varkappa}{T}\,\partial_{k}T+g^{q}_{k}(\mathbf{r},t)\ ,\hskip 14.22636pt (256)
jE,ksubscript𝑗𝐸𝑘\displaystyle j_{E,k} =\displaystyle= (ε+p)vkϰkT+viΔΠik+gkjE(𝐫,t).𝜀𝑝subscript𝑣𝑘italic-ϰsubscript𝑘𝑇subscript𝑣𝑖ΔsubscriptΠ𝑖𝑘subscriptsuperscript𝑔subscript𝑗𝐸𝑘𝐫𝑡\displaystyle(\varepsilon+p)v_{k}-\varkappa\,\partial_{k}T+v_{i}\Delta\Pi_{ik}+g^{j_{E}}_{k}(\mathbf{r},t)\ .\qquad\hskip 11.38109pt (257)

Für die Entropiedichte σ(𝐫,t)𝜎𝐫𝑡\sigma(\mathbf{r},t) sind die stochastischen Kräfte noch nicht vollständig berücksichtigt. Die Darstellung durch die Divergenz der Entropiestromdichte gemäß (244) ist hier nicht ausreichend. Es kommt auch hier ein Quellterm hinzu. Wir berücksichtigen ihn, in dem wir zu der erzeugten Wärme (225) auch einen stochastischen Term hinzufügen. Wir bekommen somit

R𝑅\displaystyle R =\displaystyle= (kvi)Λik,mnjj(nvm)+(kT)Λknσσ(nT)subscript𝑘subscript𝑣𝑖subscriptsuperscriptΛ𝑗𝑗𝑖𝑘𝑚𝑛subscript𝑛subscript𝑣𝑚subscript𝑘𝑇subscriptsuperscriptΛ𝜎𝜎𝑘𝑛subscript𝑛𝑇\displaystyle(\partial_{k}v_{i})\,\Lambda^{jj}_{ik,mn}\,(\partial_{n}v_{m})+(\partial_{k}T)\,\Lambda^{\sigma\sigma}_{kn}\,(\partial_{n}T) (258)
(kvi)gikΠ(𝐫,t)(kT)gkq(𝐫,t).subscript𝑘subscript𝑣𝑖subscriptsuperscript𝑔Π𝑖𝑘𝐫𝑡subscript𝑘𝑇subscriptsuperscript𝑔𝑞𝑘𝐫𝑡\displaystyle-\,(\partial_{k}v_{i})\,g^{\Pi}_{ik}(\mathbf{r},t)-(\partial_{k}T)\,g^{q}_{k}(\mathbf{r},t)\ .

Die beiden negativen Vorzeichen hängen mit dem Minuszeichen in (244) zusammen.

Im Ergebnis stellen wir fest: Die hydrodynamischen Gleichungen (202)-(205) bleiben unverändert. Änderungen, um die Fluktuationen zu berücksichtigen, erfolgen allein in den Stromdichten (254)-(257) und in der erzeugten Wärme (258) durch die zusätzlichen stochastischen Terme. Untersuchungen zu hydrodynamische Fluktuationen sind auch in elementaren Lehrbüchern LL09 zu finden. Unsere Ergebnisse stimmen mit den darin beschriebenen überein, insbesondere die Korrelationsfunktionen (251) und (252).

V Zeitumkehrinvarianz und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik

Während die zugrunde liegende mikroskopische Theorie die Invarianz unter Zeitumkehr erfüllt, ist bekannt, dass die statistische Mechanik des Nichtgleichgewichts und die daraus folgenden hydrodynamischen Gleichungen diese Invarianz brechen. Denn nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik sollte die Entropie mit der Zeit immer anwachsen oder zumindest gleich bleiben gemäß dS/dt0𝑑𝑆𝑑𝑡0dS/dt\geq 0. Diese Aussagen stellen die allgemeine Lehrmeinung in der statistischen Physik für das Nichtgleichgewicht dar. Wir untersuchen nun in wie weit diese Aussagen vereinbar mit unserer Theorie sind und ob sie modifiziert oder neu interpretiert werden müssen.

In Kapitel III haben wir die verallgemeinerten hydrodynamischen Gleichungen (88) zusammen mit der Entropiegleichung (130) aus der mikroskopischen Theorie hergeleitet. Da keine Näherungen gemacht wurden und die Gleichungen exakt sind, müssen diese invariant unter der Zeitumkehr sein. Daher kann für die Entropie S(t)𝑆𝑡S(t) in (130) nicht der zweite Hauptsatz der Thermodynamik gelten.

Die Invarianz unter Zeitumkehr kann jedoch gebrochen werden, wenn man die Terme auf den rechten Seiten der Gleichungen einzeln betrachtet. Der erste Term auf der rechten Seite der Entropiegleichung (130) ist ein dissipativer Term und hat eine quadratische Form. Es ist daher naheliegend, dass dieser Term positiv definit ist und ein Anwachsen der Entropie entsprechend dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik bewirkt. Es gibt hier noch eine Unsicherheit. Im Nichtgleichgewicht ist die Onsager-Matrix (82) nicht symmetrisch, und es kann nicht vollständig garantiert werden, dass sie positiv definit ist. Betrachtet man jedoch eine Flüssigkeit im Rahmen der Hydrodynamik, so kann man annehmen, dass zumindest lokal ein thermisches Gleichgewicht gilt. Folglich sollte die Onsager-Matrix (82) auf lokaler Ebene symmetrisch und positiv definit sein.

Wir kommen also zu dem Schluss: Da nach der Zeitumkehrinvarianz eine Möglichkeit bestehen muss, dass die Entropie S(t)𝑆𝑡S(t) mit der Zeit auch wieder abnimmt, so kann dies nur mit dem zweiten Term der Entropiegleichung (130) geschehen, dem fluktuierenden Term.

Betrachten wir die drei Terme auf der rechten Seite der verallgemeinerten hydrodynamischen Gleichungen (88), so kommen wir weiterhin zu den drei Ergebnissen:

  • (a)

    Die reversiblen Terme erfüllen die Zeitumkehrinvarianz.

  • (b)

    Für sich alleine genommen brechen die dissipativen Terme und die fluktuierenden Terme die Zeitumkehrinvarianz.

  • (c)

    Die Summe der dissipativen und der fluktuierenden Terme erfüllt jedoch die Invarianz unter Zeitumkehr.

Man kann nun die Frage stellen, welchen Einfluss die Näherungen, die zu den hydrodynamischen Gleichung der normalen Flüssigkeit in der bekannten Form führen, auf die Struktur der Terme und auf die drei Ergebnisse haben. Zunächst stellen wir fest, dass die Struktur der Terme unverändert bleibt. Auf allen Stufen der Näherungen gibt es reversible, dissipative und fluktuierende Terme. Selbst die erzeugte Wärme pro Volumen und Zeit R(𝐫,t)𝑅𝐫𝑡R(\mathbf{r},t), welche ganz am Ende unserer Überlegungen auftaucht und in (258) definiert wird, hat dieselbe Struktur wie die rechte Seite der Entropie-Gleichung (130) am Anfang und ohne Näherung: Sie enthält einen dissipativen und einen fluktuierenden Term. Der dissipative Term führt zum Anwachsen der Entropie. Ein Rückgang der Entropie ist nur durch den fluktuierenden Term möglich.

Die reversiblen Terme werden durch die Näherungen nicht verändert. Daher bleibt Ergebnis (a) unverändert bestehen. Wenn die dissipativen Terme die Zeitumkehrinvarianz brechen, so werden die Näherungen daran qualitativ nichts ändern. Folglich bleibt auch Ergebnis (b) bestehen. Die Summe der dissipativen und fluktuierenden Terme wird jedoch durch die Näherungen so beeinflusst, dass die Zeitumkehrinvarianz nicht mehr exakt sondern nur noch näherungsweise gilt. Folglich wird Ergebnis (c) nur noch näherungsweise gelten. Das muss einem insbesondere dann klar sein, wenn man in den hydrodynamischen Gleichungen die fluktuierenden Terme durch gaußische stochastische Kräfte modelliert. Qualitativ ändert das jedoch nichts.

Wir fassen nochmals zusammen. Um die Zeitumkehrinvarianz in den hydrodynamischen Gleichungen im Zusammenhang mit dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zu verstehen, ist es wichtig, die fluktuierenden Terme zu betrachten. Nur die fluktuierenden Terme können eine Abnahme der Entropie S(t)𝑆𝑡S(t) bewirken. In diesem Sinne muss die allgemeine Lehrmeinung über den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik erweitert und neu interpretiert werden. Wir mögen sagen dass die fluktuierenden Terme in den hydrodynamischen Gleichungen die Zeitumkehrinvarianz wiederherstellen.

VI Langevin- und Fokker-Planck-Gleichung

Nachdem in Kapitel IV die Gedächtniseffekte vernachlässigt wurden, haben wir hydrodynamische Gleichungen erhalten, welche die Form von stochastischen Gleichungen besitzen. Die fluktuierenden Terme wurden als gaußische stochastische Kräfte modelliert. Diese Eigenschaften haben wir sowohl für die allgemeinen hydrodynamischen Gleichungen in der GENERIC-Form erhalten, als auch für die speziellen hydrodynamischen Gleichungen einer normalen Flüssigkeit. Wir wollen daher untersuchen, ob diese Gleichungen kompatibel mit der allgemeinen Theorie der stochastischen Prozesse sind.

VI.1 Stochastische Prozesse

Zur Beschreibung eines stochastischen Prozesses betrachten wir die Variablen xi(t)subscript𝑥𝑖𝑡x_{i}(t). Wir lassen die Ortsvariable 𝐫𝐫\mathbf{r} weg und berücksichtigen nur den Index i𝑖i, um einfachere Formeln zu schreiben. Die Ortsvariable kann man jederzeit wieder hinzufügen, um allgemeinere Formeln zu erhalten. Wir folgen der Darstellung der stochastischen Theorie für Nichtgleichgewichtssysteme von Graham und Haken GH71A ; GH71B ; Gr73 . Wenn keine Gedächtniseffekte vorhanden sind, dann handelt es sich um einen Markov-Prozess. Die Zeitentwicklung der Wahrscheinlichkeitsverteilung P(x,t)𝑃𝑥𝑡P(x,t) der stochastischen Variablen wird beschrieben durch eine Master-Gleichung. Führt man eine Kramers-Moyal-Entwicklung durch und bricht nach der zweiten Ordnung ab, so erhält man die Fokker-Planck-Gleichung

tP(x,t)=[xiKi(1)(x)+2xixjKij(2)(x)]P(x,t).𝑡𝑃𝑥𝑡delimited-[]subscript𝑥𝑖subscriptsuperscript𝐾1𝑖𝑥superscript2subscript𝑥𝑖subscript𝑥𝑗subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥𝑃𝑥𝑡\frac{\partial}{\partial t}P(x,t)=\left[-\frac{\partial}{\partial x_{i}}K^{(1)}_{i}(x)+\frac{\partial^{2}}{\partial x_{i}\partial x_{j}}K^{(2)}_{ij}(x)\right]P(x,t)\ . (259)

Zur Vereinfachung der Schreibweise verwenden wir hier die Summenkonvention und nehmen an, dass über alle zweimal auftretende Indizes automatisch summiert wird. Die Differentialoperatoren auf der rechten Seite wirken über die eckige Klammer hinaus auch auf die Verteilungsfunktion P(x,t)𝑃𝑥𝑡P(x,t). Die ersten beiden Kramers-Moyal-Koeffizienten sind Ki(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑖𝑥K^{(1)}_{i}(x) und Kij(2)(x)subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥K^{(2)}_{ij}(x). Sie hängen im allgemeinen wiederum von den stochastischen Variablen xisubscript𝑥𝑖x_{i} ab. Der zweite Koeffizient ist eine symmetrische Matrix Kij(2)(x)=+Kji(2)(x)subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥subscriptsuperscript𝐾2𝑗𝑖𝑥K^{(2)}_{ij}(x)=+K^{(2)}_{ji}(x).

Wir definieren nun die fluktuierenden Kräfte

fi(t)=Bim(x(t))εm(t)subscript𝑓𝑖𝑡subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡subscript𝜀𝑚𝑡f_{i}(t)=B_{im}(x(t))\,\varepsilon_{m}(t) (260)

mit einer Matrix Bim(x(t))subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡B_{im}(x(t)) und gaußisch verteilten elementaren stochastischen Kräften εm(t)subscript𝜀𝑚𝑡\varepsilon_{m}(t) mit den Eigenschaften

εm(t)=0,εm(t)εn(t)=δmnδ(tt).formulae-sequencedelimited-⟨⟩subscript𝜀𝑚𝑡0delimited-⟨⟩subscript𝜀𝑚𝑡subscript𝜀𝑛superscript𝑡subscript𝛿𝑚𝑛𝛿𝑡superscript𝑡\langle\varepsilon_{m}(t)\rangle=0\ ,\qquad\langle\varepsilon_{m}(t)\varepsilon_{n}(t^{\prime})\rangle=\delta_{mn}\,\delta(t-t^{\prime})\ . (261)

Die Anzahl der elementaren stochastischen Kräfte εm(t)subscript𝜀𝑚𝑡\varepsilon_{m}(t) ist größer oder gleich der Anzahl der fluktuierenden Kräfte fi(t)subscript𝑓𝑖𝑡f_{i}(t). Folglich muss die Matrix Bim(x)subscript𝐵𝑖𝑚𝑥B_{im}(x) nicht unbedingt quadratisch sein. Wir verlangen jedoch die Bedingung

Bim(x)Bjm(x)=2Kij(2)(x).subscript𝐵𝑖𝑚𝑥subscript𝐵𝑗𝑚𝑥2subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥B_{im}(x)\,B_{jm}(x)=2\,K^{(2)}_{ij}(x)\ . (262)

Nach Graham und Haken GH71B ; Gr73 findet man dann für die stochastischen Variablen xi(t)subscript𝑥𝑖𝑡x_{i}(t) die Langevin-Gleichung

txi(t)=Ki(1)(x(t))12Bim(x(t))xj(t)Bjm(x(t))+fi(t),subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝑡subscriptsuperscript𝐾1𝑖𝑥𝑡12subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡subscript𝑥𝑗𝑡subscript𝐵𝑗𝑚𝑥𝑡subscript𝑓𝑖𝑡\partial_{t}x_{i}(t)=K^{(1)}_{i}(x(t))-\frac{1}{2}\frac{\partial B_{im}(x(t))}{\partial x_{j}(t)}B_{jm}(x(t))+f_{i}(t)\ , (263)

welche zur Fokker-Planck-Gleichung (259) äquivalent ist. Die zeitliche Ableitung auf der linken Seite der Langevin-Gleichung ist symmetrisch definiert. Folglich ist (263) eine stochastische Differentialgleichung im Stratonovich-Formalismus St63 ; vK07 . Der zweite Term mit der Matrix Bim(x(t))subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡B_{im}(x(t)) und deren Ableitung ist hierbei ein wohl bekannter Term.

Wir stellen fest: Wenn der zweite Kramers-Moyal-Koeffizient Kij(2)(x(t))subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥𝑡K^{(2)}_{ij}(x(t)) und die Matrix Bim(x(t))subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡B_{im}(x(t)) selbst von den stochastischen Variablen xi(t)subscript𝑥𝑖𝑡x_{i}(t) abhängen, dann enthalten die Definitionen der fluktuierenden Kräfte (260) und die Langevin-Gleichung (263) zusätzliche Terme mit partiellen Ableitungen dieser Matrizen nach den stochastischen Variablen. Das macht hier die Theorie subtil und kompliziert, muss jedoch sorgfältig berücksichtigt werden.

Wir untersuchen nun, unter welchen Bedingungen die Boltzmann-Verteilung

Peq(x)=Z1eF(x)subscript𝑃eq𝑥superscript𝑍1superscript𝑒𝐹𝑥P_{\mathrm{eq}}(x)=Z^{-1}\,e^{-F(x)} (264)

mit einer vorgegebenen freien Energie F(x)𝐹𝑥F(x) eine stationäre Lösung der Fokker-Planck-Gleichung (259) ist. Diese Boltzmann-Verteilung soll das thermische Gleichgewicht beschreiben. Wir setzen ein und formen um gemäß

00\displaystyle 0 =\displaystyle= tPeq(x)=xi[Ki(1)+xjKij(2)]Peq(x)𝑡subscript𝑃eq𝑥subscript𝑥𝑖delimited-[]subscriptsuperscript𝐾1𝑖subscript𝑥𝑗subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗subscript𝑃eq𝑥\displaystyle\frac{\partial}{\partial t}P_{\mathrm{eq}}(x)=\frac{\partial}{\partial x_{i}}\left[-K^{(1)}_{i}+\frac{\partial}{\partial x_{j}}K^{(2)}_{ij}\right]P_{\mathrm{eq}}(x) (265)
=\displaystyle= xi[Ki(1)+Kij(2)xj+Kij(2)xj]Peq(x)subscript𝑥𝑖delimited-[]subscriptsuperscript𝐾1𝑖subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗subscript𝑥𝑗subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗subscript𝑥𝑗subscript𝑃eq𝑥\displaystyle\frac{\partial}{\partial x_{i}}\left[-K^{(1)}_{i}+\frac{\partial K^{(2)}_{ij}}{\partial x_{j}}+K^{(2)}_{ij}\frac{\partial}{\partial x_{j}}\right]P_{\mathrm{eq}}(x)
=\displaystyle= xi[Ki(1)+Kij(2)xjKij(2)Fxj]Peq(x).subscript𝑥𝑖delimited-[]subscriptsuperscript𝐾1𝑖subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗subscript𝑥𝑗subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝐹subscript𝑥𝑗subscript𝑃eq𝑥\displaystyle\frac{\partial}{\partial x_{i}}\left[-K^{(1)}_{i}+\frac{\partial K^{(2)}_{ij}}{\partial x_{j}}-K^{(2)}_{ij}\frac{\partial F}{\partial x_{j}}\right]P_{\mathrm{eq}}(x)\ .\qquad

Wir schreiben nun den ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten in der Form

Ki(1)(x)=Vi(x)Kij(2)(x)F(x)xj+Kij(2)(x)xjsubscriptsuperscript𝐾1𝑖𝑥subscript𝑉𝑖𝑥subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥𝐹𝑥subscript𝑥𝑗subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥subscript𝑥𝑗K^{(1)}_{i}(x)=V_{i}(x)-K^{(2)}_{ij}(x)\frac{\partial F(x)}{\partial x_{j}}+\frac{\partial K^{(2)}_{ij}(x)}{\partial x_{j}} (266)

mit einem reversiblen Term Vi(x)subscript𝑉𝑖𝑥V_{i}(x) und zwei dissipativen Termen, welche durch den zweiten Kramers-Moyal-Koeffizienten parametrisiert werden. Aus (265) folgt dann für den reversiblen Term die Bedingung

tPeq(x)=xi[Vi(x)Peq(x)]=0.𝑡subscript𝑃eq𝑥subscript𝑥𝑖delimited-[]subscript𝑉𝑖𝑥subscript𝑃eq𝑥0\frac{\partial}{\partial t}P_{\mathrm{eq}}(x)=\frac{\partial}{\partial x_{i}}\bigl{[}-V_{i}(x)P_{\mathrm{eq}}(x)\bigr{]}=0\ . (267)

Diese Bedingung lässt sich einfach lösen, wenn wir den reversiblen Term in der Form

Vi(x)=Aij(2)(x)F(x)xj+Aij(2)(x)xjsubscript𝑉𝑖𝑥subscriptsuperscript𝐴2𝑖𝑗𝑥𝐹𝑥subscript𝑥𝑗subscriptsuperscript𝐴2𝑖𝑗𝑥subscript𝑥𝑗V_{i}(x)=-A^{(2)}_{ij}(x)\frac{\partial F(x)}{\partial x_{j}}+\frac{\partial A^{(2)}_{ij}(x)}{\partial x_{j}} (268)

mit einer antisymmetrischen Matrix Aij(2)(x)=Aji(2)(x)subscriptsuperscript𝐴2𝑖𝑗𝑥subscriptsuperscript𝐴2𝑗𝑖𝑥A^{(2)}_{ij}(x)=-A^{(2)}_{ji}(x) schreiben. Es folgt dann nämlich

xi[Vi(x)Peq(x)]=2xixj[Aij(2)(x)Peq(x)]=0subscript𝑥𝑖delimited-[]subscript𝑉𝑖𝑥subscript𝑃eq𝑥superscript2subscript𝑥𝑖subscript𝑥𝑗delimited-[]subscriptsuperscript𝐴2𝑖𝑗𝑥subscript𝑃eq𝑥0\frac{\partial}{\partial x_{i}}\bigl{[}V_{i}(x)P_{\mathrm{eq}}(x)\bigr{]}=\frac{\partial^{2}}{\partial x_{i}\partial x_{j}}\bigl{[}A^{(2)}_{ij}(x)P_{\mathrm{eq}}(x)\bigr{]}=0 (269)

aus der Antisymmetrie dieser Matrix. Die reversiblen Terme (268) haben fast dieselbe Form wie die dissipativen Terme in (266). Der Unterschied besteht in dem Symmetrieverhalten der Matrizen Aij(2)(x)=Aji(2)(x)subscriptsuperscript𝐴2𝑖𝑗𝑥subscriptsuperscript𝐴2𝑗𝑖𝑥A^{(2)}_{ij}(x)=-A^{(2)}_{ji}(x) und Kij(2)(x)=+Kji(2)(x)subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥subscriptsuperscript𝐾2𝑗𝑖𝑥K^{(2)}_{ij}(x)=+K^{(2)}_{ji}(x).

Setzen wir nun den ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten (266) in die Langevin-Gleichung (263) ein so finden wir

txi(t)subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝑡\displaystyle\partial_{t}x_{i}(t) =\displaystyle= Vi(x(t))Kij(2)(x(t))F(x(t))xjsubscript𝑉𝑖𝑥𝑡subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥𝑡𝐹𝑥𝑡subscript𝑥𝑗\displaystyle V_{i}(x(t))-K^{(2)}_{ij}(x(t))\frac{\partial F(x(t))}{\partial x_{j}} (270)
+12Bim(x(t))Bjm(x(t))xj(t)+fi(t).12subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡subscript𝐵𝑗𝑚𝑥𝑡subscript𝑥𝑗𝑡subscript𝑓𝑖𝑡\displaystyle+\frac{1}{2}B_{im}(x(t))\frac{\partial B_{jm}(x(t))}{\partial x_{j}(t)}+f_{i}(t)\ .\qquad

Der dritte Term in dieser Gleichung ergibt sich aus der Summe des zweiten Terms von (263) und des dritten Terms von (266), wobei der zweite Kramers-Moyal-Koeffizient in der Form (262) eingesetzt wurde. Diese Langevin-Gleichung in der Stratonovich-Form ist kompatibel mit der Boltzmann-Verteilung (264) für das thermische Gleichgewicht, wenn der reversible Term Vi(x(t))subscript𝑉𝑖𝑥𝑡V_{i}(x(t)) entweder die Form (268) hat oder zumindest die Bedingung (267) erfüllt.

VI.2 GENERIC-Formalismus

In Kapitel IV haben wir die allgemeinen hydrodynamischen Gleichungen des GENERIC-Formalismus hergeleitet. Um einfachere Formeln zu schreiben, lassen wir wieder die Ortsvariable 𝐫𝐫\mathbf{r} weg und verwenden die Summenkonvention für die Indizes. Aus (161) finden wir dann die Langevin-Gleichung

txi(t)subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝑡\displaystyle\partial_{t}x_{i}(t) =\displaystyle= Lik(x(t))E(x(t))xk(t)subscript𝐿𝑖𝑘𝑥𝑡𝐸𝑥𝑡subscript𝑥𝑘𝑡\displaystyle L_{ik}(x(t))\,\frac{\partial E(x(t))}{\partial x_{k}(t)} (271)
+Mik(x(t))S(x(t))xk(t)+fi(t),subscript𝑀𝑖𝑘𝑥𝑡𝑆𝑥𝑡subscript𝑥𝑘𝑡subscript𝑓𝑖𝑡\displaystyle+\,M_{ik}(x(t))\,\frac{\partial S(x(t))}{\partial x_{k}(t)}+\,f_{i}(t)\ ,

und aus (163) und (164) folgen die zugehörigen Nebenbedingungen

Lik(x(t))S(x(t))xk(t)subscript𝐿𝑖𝑘𝑥𝑡𝑆𝑥𝑡subscript𝑥𝑘𝑡\displaystyle L_{ik}(x(t))\,\frac{\partial S(x(t))}{\partial x_{k}(t)} =\displaystyle= 0,0\displaystyle 0\ , (272)
Mik(x(t))E(x(t))xk(t)subscript𝑀𝑖𝑘𝑥𝑡𝐸𝑥𝑡subscript𝑥𝑘𝑡\displaystyle M_{ik}(x(t))\,\frac{\partial E(x(t))}{\partial x_{k}(t)} =\displaystyle= 0.0\displaystyle 0\ . (273)

Weitere Nebenbedingungen gibt es für Erhaltungsgrößen wie Impuls 𝐏(x(t))𝐏𝑥𝑡\mathbf{P}(x(t)) und Teilchenzahl N(x(t))𝑁𝑥𝑡N(x(t)) wie üblich im GENERIC-Formalismus.

Wir zeigen nun, dass die Langevin-Gleichung (271) eine stochastische Differentialgleichung im Stratonovich-Formalismus ist vK07 . Dazu gehen wir zur ursprünglichen exakten Bewegungsgleichung (88) mit Gedächtniseffekten zurück. Wir integrieren diese Gleichung über ein zeitliches Intervall mit der Ausdehnung ΔtΔ𝑡\Delta t. Weiterhin nehmen wir an, die Gedächtnis-Effekte haben eine zeitliche Ausdehnung von der Größenordnung ΔtMΔsubscript𝑡𝑀\Delta t_{M}. Im Ergebnis bekommen wir somit eine Integralgleichung mit zwei Zeitskalen ΔtΔ𝑡\Delta t und ΔtMΔsubscript𝑡𝑀\Delta t_{M}, wobei auf der linken Seite eine Differenz von zwei hydrodynamischen Variablen zu unterschiedlichen Zeiten steht. Die Langevin-Gleichung (271) erhalten wir daraus in dem Grenzfall, dass beide Zeitskalen ΔtΔ𝑡\Delta t und ΔtMΔsubscript𝑡𝑀\Delta t_{M} infinitesimal klein werden. Es kommt jedoch auf die Reihenfolge der zwei Grenzwertprozesse an. Zuerst vernachlässigen wir die Gedächtniseffekte (Markov-Näherung) und führen den Grenzwertprozess ΔtM0Δsubscript𝑡𝑀0\Delta t_{M}\to 0 durch. Wir dürfen folglich die Gedächtnismatrix ersetzen durch die Formel (158) mit einer Delta-Funktion in der Zeit. Das Integral über die Zeit im zweiten Term auf der rechten Seite von der ursprünglichen Bewegungsgleichung (88) lässt sich nun explizit ausführen, und wir erhalten daraus den zweiten Term von (271). Im Ergebnis finden wir eine Integralgleichung, welche der integrierten Form von (271) entspricht. Danach werten wir das verbleibende Integral mit dem Mittelwertsatz aus und führen den Grenzwertprozess Δt0Δ𝑡0\Delta t\to 0 durch. Im Ergebnis erhalten wir dann die Langevin-Gleichung (271), wobei die zeitlich Ableitung auf der linken Seite symmetrisch definiert wird. Diese ist somit eine stochastische Differentialgleichung im Stratonovich Formalismus.

In Analogie zu (135) definieren wir das großkanonische thermodynamische Potential

Ω(x(t))=E(x(t))TS(x(t))𝐯𝐏(x(t))μN(x(t))Ω𝑥𝑡𝐸𝑥𝑡𝑇𝑆𝑥𝑡𝐯𝐏𝑥𝑡𝜇𝑁𝑥𝑡\Omega(x(t))=E(x(t))-T\,S(x(t))-\mathbf{v}\cdot\mathbf{P}(x(t))-\mu\,N(x(t)) (274)

mit drei konstanten Lagrange-Parametern, Temperatur T𝑇T, Geschwindigkeit 𝐯𝐯\mathbf{v} und chemisches Potential μ𝜇\mu. Unter Verwendung der Nebenbedingungen formen wir damit den dissipativen Term der Langevin-Gleichung (271) um. Wir erhalten dann

txi(t)subscript𝑡subscript𝑥𝑖𝑡\displaystyle\partial_{t}x_{i}(t) =\displaystyle= Lik(x(t))E(x(t))xk(t)subscript𝐿𝑖𝑘𝑥𝑡𝐸𝑥𝑡subscript𝑥𝑘𝑡\displaystyle L_{ik}(x(t))\,\frac{\partial E(x(t))}{\partial x_{k}(t)} (275)
1TMik(x(t))Ω(x(t))xk(t)+fi(t).1𝑇subscript𝑀𝑖𝑘𝑥𝑡Ω𝑥𝑡subscript𝑥𝑘𝑡subscript𝑓𝑖𝑡\displaystyle-\frac{1}{T}\,M_{ik}(x(t))\,\frac{\partial\Omega(x(t))}{\partial x_{k}(t)}+\,f_{i}(t)\ .\qquad

Wir wollen nun zeigen, dass diese Langevin-Gleichung mit der großkanonischen Boltzmann-Verteilung

Peq(x)=Z1exp(Ω(x)kBT)subscript𝑃eq𝑥superscript𝑍1Ω𝑥subscript𝑘𝐵𝑇P_{\mathrm{eq}}(x)=Z^{-1}\,\exp\left(-\frac{\Omega(x)}{k_{B}T}\right) (276)

kompatibel ist. Dazu vergleichen wir im Detail die Formeln des GENERIC-Formalismus (275) und (276) mit den entsprechenden Formeln der allgemeinen stochastischen Theorie (270) und (264). Zunächst identifizieren wir die freie Energie F(x)=Ω(x)/kBT𝐹𝑥Ω𝑥subscript𝑘𝐵𝑇F(x)=\Omega(x)/k_{B}T und den zweiten Kramers-Moyal-Koeffizienten Kij(2)(x(t))=kBMij(x(t))subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥𝑡subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑗𝑥𝑡K^{(2)}_{ij}(x(t))=k_{B}M_{ij}(x(t)). Damit ist gewährleistet, dass die Verteilungsfunktionen (276) und (264) formal übereinstimmen. Weiterhin stellen wir fest, dass der zweite Term unserer Langevin-Gleichung (275) mit dem zweiten Term der entsprechenden Langevin-Gleichung der stochastischen Theorie (270) übereinstimmt.

In Abschnitt IV.5 haben wir aus der mikroskopischen Theorie hergeleitet, dass fi(t)subscript𝑓𝑖𝑡f_{i}(t) gaußische stochastische Kräfte sind, welche durch die Erwartungswerte (239) und durch die Korrelationsfunktionen (242) eindeutig festgelegt werden. Diese müssen mit den fluktuierenden Kräften der stochastischen Theorie in der Darstellung (260) vereinbar sein. Letzteres ist offensichtlich erfüllt, weil wir den zweiten Kramers-Moyal-Koeffizienten bereits mit Kij(2)(x(t))=kBMij(x(t))subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥𝑡subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑗𝑥𝑡K^{(2)}_{ij}(x(t))=k_{B}M_{ij}(x(t)) identifiziert haben.

Wir stellen jedoch fest, dass dem dritten Term in (270) kein entsprechender Term in (275) zugeordnet werden kann. Aus diesem Grunde müssen wir fordern, dass dieser dritte Term null ist, so dass gilt

12Bim(x(t))Bjm(x(t))xj(t)=0.12subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡subscript𝐵𝑗𝑚𝑥𝑡subscript𝑥𝑗𝑡0\frac{1}{2}\,B_{im}(x(t))\,\frac{\partial B_{jm}(x(t))}{\partial x_{j}(t)}=0\ . (277)

Da die Matrix Bim(x(t))subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡B_{im}(x(t)) im allgemeinen von null verschieden und nicht singulär ist, müssen wir also die Bedingung

Bim(x(t))xi(t)=0subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡subscript𝑥𝑖𝑡0\frac{\partial B_{im}(x(t))}{\partial x_{i}(t)}=0 (278)

verlangen. Wir wollen nun zeigen, dass diese Bedingung für eine normale Flüssigkeit allgemein erfüllt wird. Die Matrix Bim(x(t))subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡B_{im}(x(t)) hängt über (262) mit dem zweiten Kramers-Moyal-Koeffizienten Kij(2)(x(t))=kBMij(x(t))subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥𝑡subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑗𝑥𝑡K^{(2)}_{ij}(x(t))=k_{B}M_{ij}(x(t)) und folglich mit der Onsager-Matrix Mij(x(t))subscript𝑀𝑖𝑗𝑥𝑡M_{ij}(x(t)) zusammen. In der lokalen Näherung wird die Onsager-Matrix durch den Ansatz (208) mit zwei räumlichen Differentialoperatoren dargestellt. Für die Matrix Bim(x(t))subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡B_{im}(x(t)) finden wir daher eine analoge Darstellung mit einem räumlichen Differentialoperator. Fügen wir vorübergehend die Ortsvariable 𝐫𝐫\mathbf{r} wieder hinzu, so erhalten wir

Bim(𝐫,𝐫1;t)=kCik,m(x(𝐫,t))δ(𝐫𝐫1)subscript𝐵𝑖𝑚𝐫subscript𝐫1𝑡subscript𝑘subscript𝐶𝑖𝑘𝑚𝑥𝐫𝑡𝛿𝐫subscript𝐫1B_{im}(\mathbf{r},\mathbf{r}_{1};t)=\partial_{k}\,C_{ik,m}(x(\mathbf{r},t))\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}_{1}) (279)

mit einer Matrix Cik,m(x(𝐫,t))subscript𝐶𝑖𝑘𝑚𝑥𝐫𝑡C_{ik,m}(x(\mathbf{r},t)), für die in Analogie zu (262) die Gleichung

mCik,m(x(𝐫,t))Cjl,m(x(𝐫,t))=2kBNik,jl(x(𝐫,t))subscript𝑚subscript𝐶𝑖𝑘𝑚𝑥𝐫𝑡subscript𝐶𝑗𝑙𝑚𝑥𝐫𝑡2subscript𝑘𝐵subscript𝑁𝑖𝑘𝑗𝑙𝑥𝐫𝑡\sum_{m}C_{ik,m}(x(\mathbf{r},t))\,C_{jl,m}(x(\mathbf{r},t))=2\,k_{B}\,N_{ik,jl}(x(\mathbf{r},t)) (280)

gilt. Wir setzen nun (279) in die Bedingung (278) ein, berechnen sorgfältig die Funktional-Ableitungen und finden

iddrδBim(𝐫,𝐫1;t)δxi(𝐫,t)=ikddrkCik,m(x(𝐫,t))xi(𝐫,t)δ(𝟎)= 0.subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝛿subscript𝐵𝑖𝑚𝐫subscript𝐫1𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡subscript𝑖𝑘superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑘subscript𝐶𝑖𝑘𝑚𝑥𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝛿0 0\sum_{i}\int d^{d}r\ \frac{\delta B_{im}(\mathbf{r},\mathbf{r}_{1};t)}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)}\ =\ \sum_{ik}\int d^{d}r\ \partial_{k}\,\frac{\partial C_{ik,m}(x(\mathbf{r},t))}{\partial x_{i}(\mathbf{r},t)}\,\delta(\mathbf{0})\ =\ 0\ . (281)

Durch die Funktional-Ableitung kommt ein unendlicher Faktor δ(𝟎)𝛿0\delta(\mathbf{0}) hinzu, der einer räumlichen Delta-Funktion bei 𝐫=𝟎𝐫0\mathbf{r}=\mathbf{0} entspricht. Der Integrand des räumlichen Integrals ist offensichtlich eine räumliche Divergenz. Daher lässt sich mit dem Satz von Gauß das räumliche Integral in ein Oberflächenintegral umwandeln. Weil die Oberfläche im Unendlichen liegt, ist das Integral null. Somit ist gezeigt, dass für eine normale Flüssigkeit die Bedingung (278) erfüllt ist.

Als nächstes betrachten wir den reversiblen Term von der Langevin-Gleichung (270). Wir identifizieren diesen mit dem ersten Term in unserer Gleichung (275) und erhalten

Vi(x(t))=Lik(x(t))E(x(t))xk(t).subscript𝑉𝑖𝑥𝑡subscript𝐿𝑖𝑘𝑥𝑡𝐸𝑥𝑡subscript𝑥𝑘𝑡V_{i}(x(t))=L_{ik}(x(t))\,\frac{\partial E(x(t))}{\partial x_{k}(t)}\ . (282)

Wir müssen jetzt noch nachprüfen, dass die Bedingung (267) erfüllt ist. Leider hat unser reversibler Term (282) nicht die Form (268). Zwar kann man die antisymmetrische Matrix Aij(2)(x(t))=kBTLik(x(t))subscriptsuperscript𝐴2𝑖𝑗𝑥𝑡subscript𝑘𝐵𝑇subscript𝐿𝑖𝑘𝑥𝑡A^{(2)}_{ij}(x(t))=k_{B}T\,L_{ik}(x(t)) identifizieren. Es fehlt jedoch der zweite Term in (268) mit der Ableitung dieser Matrix. Weiterhin identifizieren wir die freie Energie F(x(t))=E(x(t))/kBT𝐹𝑥𝑡𝐸𝑥𝑡subscript𝑘𝐵𝑇F(x(t))=E(x(t))/k_{B}T, benötigen würden wir jedoch F(x(t))=Ω(x(t))/kBT𝐹𝑥𝑡Ω𝑥𝑡subscript𝑘𝐵𝑇F(x(t))=\Omega(x(t))/k_{B}T. Eine Umformung mit der Formel (274) und den Nebenbedingungen des GENERIC-Formalismus ist nicht selbstverständlich, weil die rechten Seiten dieser Nebenbedingungen im allgemeinen nicht null sind.

Wir müssen also (267) explizit nachprüfen und zum einen Symmetrieargumente und zum anderen die Eigenschaften von Erhaltungsgrößen anwenden. Dazu setzen wir den reversiblen Term (282) zusammen mit der Boltzmann-Verteilung (276) in die Bedingung (267) ein. Nach einigen Umformungen erhalten wir

00\displaystyle 0 =\displaystyle= xi[Vi(x)Peq(x)]subscript𝑥𝑖delimited-[]subscript𝑉𝑖𝑥subscript𝑃eq𝑥\displaystyle\frac{\partial}{\partial x_{i}}\bigl{[}V_{i}(x)P_{\mathrm{eq}}(x)\bigr{]} (283)
=\displaystyle= [Vi(x)xi1kBTΩ(x)xiVi(x)]Peq(x)delimited-[]subscript𝑉𝑖𝑥subscript𝑥𝑖1subscript𝑘𝐵𝑇Ω𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑉𝑖𝑥subscript𝑃eq𝑥\displaystyle\left[\frac{\partial V_{i}(x)}{\partial x_{i}}-\frac{1}{k_{B}T}\frac{\partial\Omega(x)}{\partial x_{i}}V_{i}(x)\right]P_{\mathrm{eq}}(x)
=\displaystyle= [Vi(x)xi1kBTΩ(x)xiLik(x)E(x)xk]Peq(x)delimited-[]subscript𝑉𝑖𝑥subscript𝑥𝑖1subscript𝑘𝐵𝑇Ω𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝐿𝑖𝑘𝑥𝐸𝑥subscript𝑥𝑘subscript𝑃eq𝑥\displaystyle\left[\frac{\partial V_{i}(x)}{\partial x_{i}}-\frac{1}{k_{B}T}\frac{\partial\Omega(x)}{\partial x_{i}}L_{ik}(x)\frac{\partial E(x)}{\partial x_{k}}\right]P_{\mathrm{eq}}(x)
=\displaystyle= [Vi(x)xi1kBT{Ω(x),E(x)}]Peq(x).delimited-[]subscript𝑉𝑖𝑥subscript𝑥𝑖1subscript𝑘𝐵𝑇Ω𝑥𝐸𝑥subscript𝑃eq𝑥\displaystyle\left[\frac{\partial V_{i}(x)}{\partial x_{i}}-\frac{1}{k_{B}T}\{\Omega(x),E(x)\}\right]P_{\mathrm{eq}}(x)\ .

Der zweite Term ist null. Das haben wir bereits in Kapitel III mit der Poisson-Klammer (148) gezeigt. Wir finden also für den reversiblen Term die notwendige Bedingung

Vi(x(t))xi(t)=0.subscript𝑉𝑖𝑥𝑡subscript𝑥𝑖𝑡0\frac{\partial V_{i}(x(t))}{\partial x_{i}(t)}=0\ . (284)

Wir fügen jetzt zwischendurch die Ortsvariable 𝐫𝐫\mathbf{r} wieder ein. Für eine normale Flüssigkeit sind die stochastischen Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) die Dichten von Erhaltungsgrößen. In Kapitel IV.3 haben wir gezeigt, dass die reversiblen Terme sich als Divergenzen von Stromdichten darstellen lassen. Daher finden wir

Vi(x(𝐫,t))=𝐉i(x(𝐫,t)).subscript𝑉𝑖𝑥𝐫𝑡subscript𝐉𝑖𝑥𝐫𝑡V_{i}(x(\mathbf{r},t))=-\nabla\cdot\mathbf{J}_{i}(x(\mathbf{r},t))\ . (285)

Wir setzen dies in die notwendige Bedingung (284) ein und erhalten

iddrδVi(x(𝐫,t))δxi(𝐫,t)subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟𝛿subscript𝑉𝑖𝑥𝐫𝑡𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝑡\displaystyle\sum_{i}\int d^{d}r\,\frac{\delta V_{i}(x(\mathbf{r},t))}{\delta x_{i}(\mathbf{r},t)} =\displaystyle= iddr𝐉i(𝐫,t)xi(𝐫,t)δ(𝟎)subscript𝑖superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝐉𝑖𝐫𝑡subscript𝑥𝑖𝐫𝑡𝛿0\displaystyle-\sum_{i}\int d^{d}r\ \nabla\cdot\frac{\partial\mathbf{J}_{i}(\mathbf{r},t)}{\partial x_{i}(\mathbf{r},t)}\,\delta(\mathbf{0}) (286)
=\displaystyle= 0.0\displaystyle 0\ .

Durch die Funktional-Ableitung kommt wiederum ein unendlicher Faktor δ(𝟎)𝛿0\delta(\mathbf{0}) hinzu, der einer räumlichen Delta-Funktion bei 𝐫=𝟎𝐫0\mathbf{r}=\mathbf{0} entspricht. Nach dem Satz von Gauß formen wir das Integral über den Raum in ein Oberflächenintegral um. Weil die Oberfläche im Unendlichen liegt, ist das Integral null. Somit ist die notwendige Bedingung für die reversiblen Terme erfüllt.

Wir fassen zusammen: Mit den Gleichungen (278) und (284) gibt es zwei Bedingungen, welche erfüllt werden müssen, damit unsere hydrodynamischen Gleichungen für eine normale Flüssigkeit mit gaußischen Fluktuationen kompatibel sind mit der großkanonischen Boltzmann-Verteilung (276) im thermischen Gleichgewicht. Die Bedingungen (278) und (284) werden hier besonders einfach erfüllt, weil sie sich auf Integrale über Divergenzen von Vektorfunktionen zurückführen lassen, die mit dem Satz von Gauß in Oberflächenintegrale umgewandelt werden können und somit null ergeben. Man sieht das deutlich an den Ausdrücken (279) und (285) und den Gleichungen (281) und (286). Diese Tatsache hängt damit zusammen, dass wir für die relevanten hydrodynamischen Variablen die Dichten von Erhaltungsgrößen gewählt haben. Als Folge davon sind die hydrodynamischen Gleichungen Kontinuitätsgleichungen, so dass auf den rechten Seiten immer Divergenzen von Stromdichten stehen.

Die hydrodynamischen Gleichungen können erweitert werden durch zusätzliche Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t), welche die Ordnungsparameter für die Brechung von bestimmten Symmetrien darstellen und Phasenübergänge zweiter Ordnung beschreiben CL95 . Beispiele wären die Magnetisierung 𝐦(𝐫,t)𝐦𝐫𝑡\mathbf{m}(\mathbf{r},t) eines ferromagnetischen Systems oder die Kondensatwellenfunktion Ψ(𝐫,t)Ψ𝐫𝑡\Psi(\mathbf{r},t) von superfluidem He4superscriptHe4{}^{4}\mathrm{He}. In diesen Fällen lässt sich die Bedingung (278) im allgemeinen nicht erfüllen, wenn die entsprechenden Komponenten der Onsager-Matrix Mij(x(t))subscript𝑀𝑖𝑗𝑥𝑡M_{ij}(x(t)) und folglich die entsprechenden Komponenten der Matrix Bim(x(t))subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡B_{im}(x(t)) nicht konstant sind sondern von den hydrodynamischen Variablen xi(t)subscript𝑥𝑖𝑡x_{i}(t) abhängen. Man kann jedoch andererseits durch Symmetrieargumente zeigen, dass die reversiblen Terme (282) die notwendige Bedingung (284) immer erfüllen. Das reicht allerdings nicht aus. Wir können im allgemeinen nicht garantieren, dass die erweiterten hydrodynamischen Gleichungen mit Fluktuationen kompatibel sind mit der großkanonischen Boltzmann-Verteilung (276) im thermischen Gleichgewicht.

Die Langevin-Gleichung des GENERIC-Formalismus (271) wurde unter der Annahme hergeleitet, dass die relevante Dichtematrix durch eine lokale großkanonische Verteilung der physikalischen Variablen in der Form (26) gegeben ist Ot00 . Hierbei kommt es nicht darauf an, ob das zugrunde liegende mikroskopische System quantenmechanisch oder klassisch ist. Wir hatten jedoch einige Schwierigkeiten zu zeigen, dass das thermische Gleichgewicht zumindest für eine normale Flüssigkeit durch die großkanonische Boltzmann-Verteilung (276) mit dem großkanonischen thermodynamischen Potential (274) beschrieben wird.

Alternativ ist im GENRIC-Formalismus eine direkte Herleitung der Fokker-Planck-Gleichung (259) möglich Ot98 . Man betrachtet hierzu die Funktionswerte der Verteilungsfunktion f(x,t)𝑓𝑥𝑡f(x,t) der physikalischen Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) als relevante Variablen und baut damit den Projektionsoperator-Formalismus auf. Das zugrunde liegende Ensemble ist in diesem Fall mikrokanonisch. Folglich ist die Herleitung hier nur klassisch möglich, nicht quantenmechanisch. Man findet als Ergebnis, dass die großkanonische Boltzmann-Verteilung (276) automatisch eine stationäre Lösung der Fokker-Planck-Gleichung für das thermische Gleichgewicht ist. Sowohl der dissipative als auch der reversible Term haben mit (266) und (268) die erforderlichen Formen. Andererseits sind hier die Formeln für die Poisson-Matrix Lik(x)subscript𝐿𝑖𝑘𝑥L_{ik}(x) und die Formeln für die Onsager-Matrix Mik(x)subscript𝑀𝑖𝑘𝑥M_{ik}(x) wesentlich komplizierter sind Ot98 . Eine ähnliche Herleitung der Fokker-Planck-Gleichung für die nichtlineare Hydrodynamik mit Fluktuationen wurde zuvor von Zubarev und Morozov gegeben ZM83 , und die zugehörigen Langevin-Gleichungen wurden von Morozov Mo84 und weiterhin von Kim und Mazenko KM91 gefunden. Der GENERIC-Formalismus ist jedoch wesentlich eleganter für die Herleitung der Gleichungen und für die Behandlung der Nichtlinearitäten und Fluktuationen.

Zum Schluss untersuchen wir noch einen Zusammenhang von besonderer Art. In der normalen Flüssigkeit sind die Temperatur T(𝐫,t)𝑇𝐫𝑡T(\mathbf{r},t), die Geschwindigkeit 𝐯(𝐫,t)𝐯𝐫𝑡\mathbf{v}(\mathbf{r},t) und das chemische Potential μ(𝐫,t)𝜇𝐫𝑡\mu(\mathbf{r},t) lokale fluktuierende Größen, die durch die Funktional-Ableitungen der Entropie (211)-(213) definiert sind. Andererseits haben wir die konstanten Lagrange-Parameter T𝑇T, 𝐯𝐯\mathbf{v} und μ𝜇\mu. Wir wollen herausfinden, wie diese miteinander zusammenhängen. Dazu berechnen wir das Integral von der Ableitung der Boltzmann-Verteilung und finden mit dem Satz von Gauß

DxxiPeq(x)=0.𝐷𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑃eq𝑥0\int Dx\ \frac{\partial}{\partial x_{i}}\,P_{\mathrm{eq}}(x)=0\ . (287)

Das Maß Dx𝐷𝑥Dx bedeutet, dass das Integral über alle hydrodynamischen Variablen xisubscript𝑥𝑖x_{i} berechnet wird. Wenn die hydrodynamischen Variablen xi(𝐫)subscript𝑥𝑖𝐫x_{i}(\mathbf{r}) auch noch von der Ortsvariablen 𝐫𝐫\mathbf{r} abhängen, dann ist das Integral ein Funktionalintegral, und die Ableitungen sind Funktionalableitungen Am84 . Berechnen wir nun für die normale Flüssigkeit das Funktionalintegral mit den Funktional-Ableitungen nach der Energiedichte ε(𝐫,t)𝜀𝐫𝑡\varepsilon(\mathbf{r},t), nach der Impulsdichte 𝐣(𝐫,t)𝐣𝐫𝑡\mathbf{j}(\mathbf{r},t) und nach der Massendichte ρ(𝐫,t)𝜌𝐫𝑡\rho(\mathbf{r},t), so finden wir die Beziehungen

1T(𝐫,t)eqsubscriptdelimited-⟨⟩1𝑇𝐫𝑡eq\displaystyle\left\langle\frac{1}{T(\mathbf{r},t)}\right\rangle_{\mathrm{eq}} =\displaystyle= 1T,1𝑇\displaystyle\frac{1}{T}\ , (288)
𝐯(𝐫,t)T(𝐫,t)eqsubscriptdelimited-⟨⟩𝐯𝐫𝑡𝑇𝐫𝑡eq\displaystyle\left\langle\frac{\mathbf{v}(\mathbf{r},t)}{T(\mathbf{r},t)}\right\rangle_{\mathrm{eq}} =\displaystyle= 𝐯T,𝐯𝑇\displaystyle\frac{\mathbf{v}}{T}\ , (289)
μ(𝐫,t)T(𝐫,t)eqsubscriptdelimited-⟨⟩𝜇𝐫𝑡𝑇𝐫𝑡eq\displaystyle\left\langle\frac{\mu(\mathbf{r},t)}{T(\mathbf{r},t)}\right\rangle_{\mathrm{eq}} =\displaystyle= μT,𝜇𝑇\displaystyle\frac{\mu}{T}\ , (290)

wobei die Erwartungswerte im thermischen Gleichgewicht berechnet werden. Die Lagrange-Parameter T𝑇T, 𝐯𝐯\mathbf{v} und μ𝜇\mu entsprechen also nicht direkt den physikalischen Größen Temperatur, Geschwindigkeit und chemisches Potential, sondern sie hängen über bestimmte Erwartungswerte mit diesen physikalischen Größen zusammen.

VI.3 Entropie im thermischen Gleichgewicht

Die Entropiegleichung (162) lässt sich ebenfalls einfacher schreiben, wenn wir die Ortsvariable 𝐫𝐫\mathbf{r} weglassen und die Summenkonvention für die Indizes verwenden. Wir erhalten dann

ddtS(x(t))𝑑𝑑𝑡𝑆𝑥𝑡\displaystyle\frac{d}{dt}\,S(x(t)) =\displaystyle= S(x(t))xi(t)Mik(x(t))S(x(t))xk(t)𝑆𝑥𝑡subscript𝑥𝑖𝑡subscript𝑀𝑖𝑘𝑥𝑡𝑆𝑥𝑡subscript𝑥𝑘𝑡\displaystyle\frac{\partial S(x(t))}{\partial x_{i}(t)}\,M_{ik}(x(t))\,\frac{\partial S(x(t))}{\partial x_{k}(t)} (291)
+S(x(t))xi(t)fi(t).𝑆𝑥𝑡subscript𝑥𝑖𝑡subscript𝑓𝑖𝑡\displaystyle+\,\frac{\partial S(x(t))}{\partial x_{i}(t)}\,f_{i}(t)\ .

Der erste Term auf der rechten Seite ist der dissipative Term. Da die Onsager-Matrix Mik(x(t))subscript𝑀𝑖𝑘𝑥𝑡M_{ik}(x(t)) positiv definit ist, liefert er immer einen Beitrag größer gleich null. Dieser Term bewirkt also das Anwachsen der Entropie und folglich den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.

Im thermischen Gleichgewicht gibt es auch Fluktuationen. Folglich wird auch im thermischen Gleichgewicht der erste dissipative Term immer größer oder gleich null sein. Diesem Trend muss der zweite fluktuierende Term entgegenwirken. Denn im thermischen Gleichgewicht hat die Entropie bereits ihr Maximum erreicht und muss im Mittel konstant bleiben. Ein langfristiger Drift der Entropie nach oben oder unten wäre ein Widerspruch. Wir wollen das hier jetzt nachprüfen und damit zeigen, dass unsere stochastische Theorie für die Hydrodynamik einer normalen Flüssigkeit in sich konsistent ist.

Im Folgenden berechnen wir den ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten für die Entropie KS(1)(x(t))subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥𝑡K^{(1)}_{S}(x(t)). Wir tun dies so, wie man gewöhnlich aus stochastischen Gleichungen die Kramers-Moyal-Koeffizienten berechnet. Dazu integrieren wir die Gleichung (291) und erhalten

S(x(t2))𝑆𝑥subscript𝑡2\displaystyle S(x(t_{2})) =\displaystyle= S(x(t1))𝑆𝑥subscript𝑡1\displaystyle S(x(t_{1})) (292)
+t1t2dt[S(x(t))xi(t)Mik(x(t))S(x(t))xk(t)\displaystyle+\,\int_{t_{1}}^{t_{2}}dt\ \biggl{[}\frac{\partial S(x(t))}{\partial x_{i}(t)}\,M_{ik}(x(t))\,\frac{\partial S(x(t))}{\partial x_{k}(t)}
+S(x(t))xi(t)fi(t)].\displaystyle\hskip 48.36967pt+\,\frac{\partial S(x(t))}{\partial x_{i}(t)}\,f_{i}(t)\biggr{]}\ .

In derselben Weise integrieren wir auch die Langevin-Gleichung (271) und erhalten eine Integralgleichung für die stochastischen Variablen xi(t)subscript𝑥𝑖𝑡x_{i}(t). Nachfolgend ersetzen wir auf der rechten Seite von (292) die stochastischen Variablen xi(t)subscript𝑥𝑖𝑡x_{i}(t) für Zeiten t>t1𝑡subscript𝑡1t>t_{1} wiederholt mit dieser Integralgleichung, so dass wir eine verschachtelte Störungsreihe bekommen, die nur von den stochastischen Variablen xi(t1)subscript𝑥𝑖subscript𝑡1x_{i}(t_{1}) zum Zeitpunkt t1subscript𝑡1t_{1} abhängen, und von den elementaren gaußischen stochastischen Kräften εm(t)subscript𝜀𝑚𝑡\varepsilon_{m}(t) mit Zeiten t𝑡t im Intervall t1<t<t2subscript𝑡1𝑡subscript𝑡2t_{1}<t<t_{2}. Wir nehmen an, dass die Differenz Δt=t2t1Δ𝑡subscript𝑡2subscript𝑡1\Delta t=t_{2}-t_{1} klein ist und entwickeln die rechte Seite nach Potenzen von ΔtΔ𝑡\Delta t bis zur ersten Ordnung.

Anschließend bilden wir den Mittelwert bezüglich der elementaren stochastischen Kräfte εm(t)subscript𝜀𝑚𝑡\varepsilon_{m}(t) mit Zeiten t𝑡t im Intervall t1<t<t2subscript𝑡1𝑡subscript𝑡2t_{1}<t<t_{2}. Dies entspricht einem Mittelwert mit einer bedingten zusammenhängenden Wahrscheinlichkeitsverteilung. Als Ergebnis erhalten wir dann

S(x(t2))bedingtsubscriptdelimited-⟨⟩𝑆𝑥subscript𝑡2bedingt\displaystyle\langle S(x(t_{2}))\rangle_{\mathrm{bedingt}} =\displaystyle= S(x(t1))+(t2t1)KS(1)(x(t1))𝑆𝑥subscript𝑡1subscript𝑡2subscript𝑡1subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥subscript𝑡1\displaystyle S(x(t_{1}))\,+\,(t_{2}-t_{1})\,K^{(1)}_{S}(x(t_{1})) (293)
+O((t2t1)2)𝑂superscriptsubscript𝑡2subscript𝑡12\displaystyle+\,O((t_{2}-t_{1})^{2})

mit dem ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten

KS(1)(x(t))subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥𝑡\displaystyle K^{(1)}_{S}(x(t)) =\displaystyle= S(x(t))xi(t)Mik(x(t))S(x(t))xk(t)𝑆𝑥𝑡subscript𝑥𝑖𝑡subscript𝑀𝑖𝑘𝑥𝑡𝑆𝑥𝑡subscript𝑥𝑘𝑡\displaystyle\frac{\partial S(x(t))}{\partial x_{i}(t)}\,M_{ik}(x(t))\,\frac{\partial S(x(t))}{\partial x_{k}(t)} (294)
+xk(t)S(x(t))xi(t)kBMik(x(t)).subscript𝑥𝑘𝑡𝑆𝑥𝑡subscript𝑥𝑖𝑡subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑘𝑥𝑡\displaystyle+\,\frac{\partial}{\partial x_{k}(t)}\frac{\partial S(x(t))}{\partial x_{i}(t)}\,k_{B}\,M_{ik}(x(t))\ .\qquad

Wir bilden weiterhin den Erwartungswert mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung P(x(t1),t1)𝑃𝑥subscript𝑡1subscript𝑡1P(x(t_{1}),t_{1}) für die stochastischen Variablen xi(t1)subscript𝑥𝑖subscript𝑡1x_{i}(t_{1}) zum Zeitpunkt t1subscript𝑡1t_{1}. Aus (293) erhalten wir dann

S(x(t2))delimited-⟨⟩𝑆𝑥subscript𝑡2\displaystyle\langle S(x(t_{2}))\rangle =\displaystyle= S(x(t1))+(t2t1)KS(1)(x(t1))delimited-⟨⟩𝑆𝑥subscript𝑡1subscript𝑡2subscript𝑡1delimited-⟨⟩subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥subscript𝑡1\displaystyle\langle S(x(t_{1}))\rangle\,+\,(t_{2}-t_{1})\,\langle K^{(1)}_{S}(x(t_{1}))\rangle (295)
+O((t2t1)2),𝑂superscriptsubscript𝑡2subscript𝑡12\displaystyle+\,O((t_{2}-t_{1})^{2})\ ,

und im Limes Δt=t2t10Δ𝑡subscript𝑡2subscript𝑡10\Delta t=t_{2}-t_{1}\to 0 folgt

ddtS(x(t))=KS(1)(x(t)).𝑑𝑑𝑡delimited-⟨⟩𝑆𝑥𝑡delimited-⟨⟩subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥𝑡\frac{d}{dt}\langle S(x(t))\rangle=\langle K^{(1)}_{S}(x(t))\rangle\ . (296)

Wir berechnen nun den Erwartungswert des Kramers-Moyal-Koeffizienten mit der großkanonischen Boltzmann-Verteilung (276) und erhalten

KS(1)(x)eq=Dx[S(x)xiMik(x)S(x)xk+(xkS(x)xikBMik(x))]Peq(x).subscriptdelimited-⟨⟩subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥eq𝐷𝑥delimited-[]𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑀𝑖𝑘𝑥𝑆𝑥subscript𝑥𝑘subscript𝑥𝑘𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑘𝑥subscript𝑃eq𝑥\langle K^{(1)}_{S}(x)\rangle_{\mathrm{eq}}=\int Dx\ \biggl{[}\frac{\partial S(x)}{\partial x_{i}}\,M_{ik}(x)\,\frac{\partial S(x)}{\partial x_{k}}+\,\left(\frac{\partial}{\partial x_{k}}\frac{\partial S(x)}{\partial x_{i}}k_{B}\,M_{ik}(x)\right)\biggr{]}P_{\mathrm{eq}}(x)\ . (297)

Es gelten die Nebenbedingung (273) für die Energie E(x)𝐸𝑥E(x) und ebenso für die weiteren Erhaltungsgrößen 𝐏(x)𝐏𝑥\mathbf{P}(x) und N(x)𝑁𝑥N(x). Daher dürfen wir im ersten Term mit Hilfe der Formel (274) die Entropie durch das großkanonische thermodynamische Potential ersetzen gemäß S(x)Ω(x)/T𝑆𝑥Ω𝑥𝑇S(x)\to-\Omega(x)/T. Wir bekommen dann

KS(1)(x)eqsubscriptdelimited-⟨⟩subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥eq\displaystyle\langle K^{(1)}_{S}(x)\rangle_{\mathrm{eq}} =\displaystyle= Dx[S(x)xiMik(x)1TΩ(x)xk+(xkS(x)xikBMik(x))]Peq(x)𝐷𝑥delimited-[]𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑀𝑖𝑘𝑥1𝑇Ω𝑥subscript𝑥𝑘subscript𝑥𝑘𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑘𝑥subscript𝑃eq𝑥\displaystyle\int Dx\ \biggl{[}-\frac{\partial S(x)}{\partial x_{i}}\,M_{ik}(x)\,\frac{1}{T}\,\frac{\partial\Omega(x)}{\partial x_{k}}\,+\,\left(\frac{\partial}{\partial x_{k}}\frac{\partial S(x)}{\partial x_{i}}k_{B}\,M_{ik}(x)\right)\biggr{]}P_{\mathrm{eq}}(x) (298)
=\displaystyle= Dx[S(x)xikBMik(x)xk+(xkS(x)xikBMik(x))]Peq(x)𝐷𝑥delimited-[]𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑘𝑥subscript𝑥𝑘subscript𝑥𝑘𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑘𝑥subscript𝑃eq𝑥\displaystyle\int Dx\ \biggl{[}\frac{\partial S(x)}{\partial x_{i}}\,k_{B}M_{ik}(x)\,\frac{\partial}{\partial x_{k}}\,+\,\left(\frac{\partial}{\partial x_{k}}\frac{\partial S(x)}{\partial x_{i}}k_{B}\,M_{ik}(x)\right)\biggr{]}P_{\mathrm{eq}}(x)
=\displaystyle= Dxxk[S(x)xikBMik(x)Peq(x)].𝐷𝑥subscript𝑥𝑘delimited-[]𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑘𝑥subscript𝑃eq𝑥\displaystyle\int Dx\ \frac{\partial}{\partial x_{k}}\left[\frac{\partial S(x)}{\partial x_{i}}k_{B}\,M_{ik}(x)\,P_{\mathrm{eq}}(x)\right]\ .

Das letzte Integral über die stochastischen Variablen lässt sich mit dem Satz von Gauß in ein Oberflächenintegral umformen und ergibt somit null. Als Ergebnis finden wir folglich

ddtS(x(t))eq=KS(1)(x(t))eq=0.𝑑𝑑𝑡subscriptdelimited-⟨⟩𝑆𝑥𝑡eqsubscriptdelimited-⟨⟩subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥𝑡eq0\frac{d}{dt}\langle S(x(t))\rangle_{\mathrm{eq}}=\langle K^{(1)}_{S}(x(t))\rangle_{\mathrm{eq}}=0\ . (299)

Im thermischen Gleichgewicht bleibt also die Entropie S(x(t))𝑆𝑥𝑡S(x(t)) im Mittel konstant, wie wir es erwartet haben. Unsere stochastischen Gleichungen mit den gaußisch fluktuierenden Kräften (260) erfüllen diese Erwartung.

VII Fluktuations-Theorem

Nach unseren Untersuchungen gilt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik nur im Mittel. Das bedeutet, die mittlere Entropie S(x(t))delimited-⟨⟩𝑆𝑥𝑡\langle S(x(t))\rangle wächst mit der Zeit an oder bleibt zuminest konstant. Folglich gilt die Ungleichung

ΔS=S(x(t))S(x(t))0delimited-⟨⟩Δ𝑆delimited-⟨⟩𝑆𝑥superscript𝑡𝑆𝑥𝑡0\langle\Delta S\rangle=\langle S(x(t^{\prime}))-S(x(t))\rangle\geq 0 (300)

für Δt=tt>0Δ𝑡superscript𝑡𝑡0\Delta t=t^{\prime}-t>0. Fluktuationen bewirken jedoch, dass für kurze Zeitintervalle ΔtΔ𝑡\Delta t die Entropie S(x(t))𝑆𝑥𝑡S(x(t)) vorübergehend auch mal sinken kann, so dass auch mal ΔS=S(x(t))S(x(t))<0Δ𝑆𝑆𝑥superscript𝑡𝑆𝑥𝑡0\Delta S=S(x(t^{\prime}))-S(x(t))<0 für bestimmte Zeitintervalle Δt=ttΔ𝑡superscript𝑡𝑡\Delta t=t^{\prime}-t möglich ist.

Ähnliche Fragestellungen wurden vor zwanzig Jahren von Evans et al. Ev93 ; Ev94 im Rahmen von Computersimulationen an mesoskopischen Vielteilchen-Systemen untersucht. Diese Untersuchungen führten zur Formulierung des sogenannten Fluktuations-Theorems. Eine zusammenfassende Darstellung ist in dem Übersichtsartikel von Evans und Searles Ev02a zu finden. Experimentell wurde das Fluktuations-Theorem in kleinen Systemen mit kolloidalen Teilchen nachgewiesen Ev02b . Wir wollen hier untersuchen, in wie weit das Fluktuations-Theorem auf die Hydrodynamik einer normalen Flüssigkeit anwendbar ist und ob es überhaupt gilt.

Während Evans et al. Ev93 ; Ev94 das Fluktuations-Theorem für Vielteilchen-Systeme beobachteten, formulierten und heuristisch erklärten, wurden mathematische Beweise später von Gallavotti und Cohen GC95a ; GC95b , von Kurchan Ku98 und von Lebowitz und Spohn LS99 geliefert. Eine einfache Herleitung des Fluktuations-Theorems wurde von Crooks Cr98 ; Cr99 ; Cr00 entwickelt, und zwar für physikalische Systeme, welche allgemein durch stochastische Prozesse ohne Gedächtnis, also Markov-Prozesse, beschrieben werden. Eine normale Flüssigkeit, welche durch die hydrodynamischen Gleichungen mit Fluktuationen von Kapitel IV beschrieben wird, gehört zu dieser Klasse von physikalischen Systemen. Daher werden wir im Folgenden die Herleitung des Fluktuations-Theorem nach Crooks Cr98 ; Cr99 im Rahmen des GENERIC-Formalismus darstellen.

VII.1 Mikroreversibilität und detailliertes Gleichgewicht

Das Fluktuations-Theorem ist eine Folge von Mikroreversibilität und der Existenz eines detailliertes Gleichgewichts. Aus diesem Grunde werden wir uns zunächst mit diesen Fragestellungen befassen. Wir nehmen an, es seien t𝑡t und tsuperscript𝑡t^{\prime} zwei Zeitpunkte, wobei t𝑡t früher und tsuperscript𝑡t^{\prime} später ist. Die Differenz Δt=ttΔ𝑡superscript𝑡𝑡\Delta t=t^{\prime}-t ist also nach Annahme positiv. Die hydrodynamischen Variablen zu diesen Zeitpunkten bezeichnen wir kurz mit xisubscript𝑥𝑖x_{i} und xisubscriptsuperscript𝑥𝑖x^{\prime}_{i}.

Die Fokker-Planck-Gleichung (259) und alternativ die Langevin-Gleichung (263) zusammen mit den stochastischen Kräften (260) beschreiben einen stochastischen Prozess, der zeitlich in Vorwärtsrichtung fortschreitet. Als Lösung finden wir die bedingte Wahrscheinlichkeit PF(x|x)subscript𝑃𝐹conditionalsuperscript𝑥𝑥P_{F}(x^{\prime}|x), welche die Verteilung der hydrodynamischen Variablen xisubscriptsuperscript𝑥𝑖x^{\prime}_{i} zum späteren Zeitpunkt tsuperscript𝑡t^{\prime} darstellt, wenn sich das System zum früheren Zeitpunkt t𝑡t in einem Zustand mit den hydrodynamischen Variablen xisubscript𝑥𝑖x_{i} befindet. Der Index F𝐹F soll andeuten, dass es sich um einen Vorwärtsprozess handelt.

Alternativ kann man eine Fokker-Planck-Gleichung und eine Langevin-Gleichung angeben, welche den zeitlich umgekehrten stochastischen Prozess beschreibt, der zeitlich in Rückwärtsrichtung verläuft. Die Gleichungen ändern sich dann in sofern, dass sich das Vorzeichen des dissipativen Terms im ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten umdreht. Als Lösung finden wir in diesem Fall die bedingte Wahrscheinlichkeit PR(x|x)subscript𝑃𝑅conditional𝑥superscript𝑥P_{R}(x|x^{\prime}), welche die Verteilung der hydrodynamischen Variablen xisubscript𝑥𝑖x_{i} zum früheren Zeitpunkt t𝑡t darstellt, wenn sich das System zum späteren Zeitpunkt tsuperscript𝑡t^{\prime} in einem Zustand mit den hydrodynamischen Variablen xisubscriptsuperscript𝑥𝑖x^{\prime}_{i} befindet. Der Index R𝑅R soll andeuten, dass es sich um einen Rückwärtsprozess handelt.

Das mikroskopische physikalische System, welches den hydrodynamischen Gleichungen mit Fluktuationen zugrunde liegt, ist symmetrisch unter Zeitumkehr. Das bedeutet, auf mikroskopischer Ebene müssen physikalische Prozesse in gleicher Weise zeitlich vorwärts und zeitlich rückwärts ablaufen können. In der statistischen Physik der stochastischen Prozesse führt diese Mikroreversibilität auf die Existenz eines detaillierten Gleichgewichts mit einer Verteilungsfunktion Peq(x)subscript𝑃eq𝑥P_{\mathrm{eq}}(x). Die Wahrscheinlichkeit für den Vorwärtsprozess muss gleich der Wahrscheinlichkeit für den Rückwärtsprozess sein. Es gilt folglich die Bedingung

PF(x|x)Peq(x)=PR(x|x)Peq(x).subscript𝑃𝐹conditionalsuperscript𝑥𝑥subscript𝑃eq𝑥subscript𝑃𝑅conditional𝑥superscript𝑥subscript𝑃eqsuperscript𝑥P_{F}(x^{\prime}|x)\ P_{\mathrm{eq}}(x)\ =\ P_{R}(x|x^{\prime})\ P_{\mathrm{eq}}(x^{\prime})\ . (301)

Setzen wir hier für das thermische Gleichgewicht unsere großkanonische Boltzmann-Verteilung (276) ein, und kürzen wir auf beiden Seiten den Normierungsfaktor Z𝑍Z heraus, so erhalten wir

PF(x|x)exp(Ω(x)kBT)=PR(x|x)exp(Ω(x)kBT)subscript𝑃𝐹conditionalsuperscript𝑥𝑥Ω𝑥subscript𝑘𝐵𝑇subscript𝑃𝑅conditional𝑥superscript𝑥Ωsuperscript𝑥subscript𝑘𝐵𝑇P_{F}(x^{\prime}|x)\ \exp\left(-\frac{\Omega(x)}{k_{B}T}\right)\ =\ P_{R}(x|x^{\prime})\ \exp\left(-\frac{\Omega(x^{\prime})}{k_{B}T}\right) (302)

mit dem großkanonischen thermodynamischen Potential Ω(x)Ω𝑥\Omega(x), definiert in der Gleichung (274).

In einer normalen Flüssigkeit sind die Energie E(x)𝐸𝑥E(x), der Impuls 𝐏(x)𝐏𝑥\mathbf{P}(x) und die Teilchenzahl N(x)𝑁𝑥N(x) Erhaltungsgrößen. Folglich enthalten die bedingten Wahrscheinlichkeiten PF(x|x)subscript𝑃𝐹conditionalsuperscript𝑥𝑥P_{F}(x^{\prime}|x) und PR(x|x)subscript𝑃𝑅conditional𝑥superscript𝑥P_{R}(x|x^{\prime}) Faktoren mit Delta-Funktionen in diesen Erhaltungsgrößen, und zwar δ(E(x)E(x))𝛿𝐸superscript𝑥𝐸𝑥\delta(E(x^{\prime})-E(x)), δ(𝐏(x)𝐏(x))𝛿𝐏superscript𝑥𝐏𝑥\delta(\mathbf{P}(x^{\prime})-\mathbf{P}(x)) und δ(N(x)N(x))𝛿𝑁superscript𝑥𝑁𝑥\delta(N(x^{\prime})-N(x)). Setzen wir nun das großkanonische thermodynamische Potential (274) ein, so stellen wir fest, dass sich in (302) alle Terme mit der Energie E(x)𝐸𝑥E(x), dem Impuls 𝐏(x)𝐏𝑥\mathbf{P}(x) und der Teilchenzahl N(x)𝑁𝑥N(x) auf beiden Seiten wegkürzen. Es bleiben nur die Terme mit der Entropie S(x)𝑆𝑥S(x) übrig, und die Bedingung für das detaillierte Gleichgewicht vereinfacht sich auf

PF(x|x)exp(S(x)/kB)=PR(x|x)exp(S(x)/kB).subscript𝑃𝐹conditionalsuperscript𝑥𝑥𝑆𝑥subscript𝑘𝐵subscript𝑃𝑅conditional𝑥superscript𝑥𝑆superscript𝑥subscript𝑘𝐵P_{F}(x^{\prime}|x)\ \exp\bigl{(}S(x)/k_{B}\bigr{)}\ =\ P_{R}(x|x^{\prime})\ \exp\bigl{(}S(x^{\prime})/k_{B}\bigr{)}\ . (303)

Die Bedingung für das detaillierte Gleichgewicht kann man auch direkt aus der Fokker-Planck-Gleichung (259) beweisen, siehe dazu Graham und Haken GH71A ; GH71B ; Gr73 . Alternativ kann man den Beweis mit einer Funktional-Integral-Darstellung der dynamischen stochastischen Prozesse von Janssen Ja76 und de Dominicis DD76 durchführen. Im Ergebnis findet man eine Gleichung wie (303), wobei im Argument der Exponentialfunktionen auf beiden Seiten immer jenes Funktional steht, welches den dissipativen Term in der Langevin-Gleichung bestimmt. In der Langevin-Gleichung des GENERIC-Formalismus (271) ist der zweite Term auf der rechten Seite der dissipative Term. Dieser setzt sich zusammen aus dem Produkt der Onsager Matrix Mik(x)subscript𝑀𝑖𝑘𝑥M_{ik}(x) und der Ableitung der Entropie S(x)/xk𝑆𝑥subscript𝑥𝑘\partial S(x)/\partial x_{k}. Folglich ist für den GENERIC-Formalismus die Bedingung für Mikroreversibilität und das detaillierte Gleichgewicht durch die Gleichung (303) gegeben, wobei im Argument der Experimentalfunktion auf beiden Seiten die Entropie S(x)𝑆𝑥S(x) steht.

Wir stellen fest, dass die Gleichung (303) die allgemeinere und fundamentalere Form für die Bedingung des detaillierte Gleichgewichts ist. Sie gilt im GENERIC-Formalismus auch dann, wenn die Energie E(x)𝐸𝑥E(x) und der Impuls 𝐏(x)𝐏𝑥\mathbf{P}(x) nicht erhalten sind. Letzteres ist der Fall, wenn die Flüssigkeit in einem Volumen eingesperrt ist, welches sich zeitlich verändert. Man kann diese physikalische Situation erreichen, indem man zu der Energie E(x)𝐸𝑥E(x) einen Term mit einem zeitlich und räumlich veränderlichen Potential hinzufügt. Die Gleichungen (302) und (301) sind dagegen speziellere Bedingungen, welche nur dann erfüllt sind, wenn die Erhaltungssätze gelten.

Wir weisen darauf hin, dass die Gleichung (303) für den GENERIC-Formalismus unter der Annahme bewiesen wird, dass die Matrix Bim(x)subscript𝐵𝑖𝑚𝑥B_{im}(x) in der Definition der fluktuierenden Kräfte (260) und der reversible Term (282) die notwendigen Bedingungen (278) und (284) erfüllen. Diese zwei Bedingungen wurden in Abschnitt VI.2 verwendet, um zu zeigen, dass die großkanonische Boltzmann-Verteilung (276) die Verteilung für das thermische Gleichgewicht ist.

VII.2 Das Fluktuations-Theorem in seiner ursprünglichen Form

Wir nehmen nun an, der Anfangszustand für den Vorwärtsprozess wird zur Zeit t𝑡t durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung PF,0(x)subscript𝑃𝐹.0𝑥P_{F,0}(x) beschrieben. Entsprechend nehmen wir an, der Anfangszustand für den Rückwärtsprozess wird zur Zeit tsuperscript𝑡t^{\prime} durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung PR,0(x)subscript𝑃𝑅.0superscript𝑥P_{R,0}(x^{\prime}) beschrieben. Damit definieren wir die Verbundwahrscheinlichkeiten

PF(x,x)subscript𝑃𝐹superscript𝑥𝑥\displaystyle P_{F}(x^{\prime},x) =\displaystyle= PF(x|x)PF,0(x),subscript𝑃𝐹conditionalsuperscript𝑥𝑥subscript𝑃𝐹.0𝑥\displaystyle P_{F}(x^{\prime}|x)\ P_{F,0}(x)\ , (304)
PR(x,x)subscript𝑃𝑅𝑥superscript𝑥\displaystyle P_{R}(x,x^{\prime}) =\displaystyle= PR(x|x)PR,0(x),subscript𝑃𝑅conditional𝑥superscript𝑥subscript𝑃𝑅.0superscript𝑥\displaystyle P_{R}(x|x^{\prime})\ P_{R,0}(x^{\prime})\ , (305)

welche den Vorwärtsprozess und den Rückwärtsprozess zwischen den zwei Zeitpunkten t𝑡t und tsuperscript𝑡t^{\prime} beschreiben. Aus der Bedingung für das detaillierte Gleichgewicht (303) erhalten wir dann für die Verbundwahrscheinlichkeiten

PF(x,x)exp(ΔΣF(x,x)/kB)=PR(x,x)subscript𝑃𝐹superscript𝑥𝑥ΔsubscriptΣ𝐹superscript𝑥𝑥subscript𝑘𝐵subscript𝑃𝑅𝑥superscript𝑥P_{F}(x^{\prime},x)\ \exp\bigl{(}-\Delta\Sigma_{F}(x^{\prime},x)/k_{B}\bigr{)}\ =\ P_{R}(x,x^{\prime}) (306)

oder alternativ

PF(x,x)=PR(x,x)exp(ΔΣR(x,x)/kB)subscript𝑃𝐹superscript𝑥𝑥subscript𝑃𝑅𝑥superscript𝑥ΔsubscriptΣ𝑅𝑥superscript𝑥subscript𝑘𝐵P_{F}(x^{\prime},x)\ =\ P_{R}(x,x^{\prime})\ \exp\bigl{(}-\Delta\Sigma_{R}(x,x^{\prime})/k_{B}\bigr{)} (307)

je nachdem ob die Exponentialfaktoren alle auf die linke oder auf die rechte Seite gebracht werden. Die Argumente der Exponentialfaktoren sind gegeben durch die Funktionen

ΔΣF(x,x)ΔsubscriptΣ𝐹superscript𝑥𝑥\displaystyle\Delta\Sigma_{F}(x^{\prime},x) =\displaystyle= ΔΣR(x,x)ΔsubscriptΣ𝑅𝑥superscript𝑥\displaystyle-\Delta\Sigma_{R}(x,x^{\prime}) (308)
=\displaystyle= S(x)S(x)𝑆superscript𝑥𝑆𝑥\displaystyle S(x^{\prime})-S(x)
kB[lnPR,0(x)lnPF,0(x)],subscript𝑘𝐵delimited-[]subscript𝑃𝑅.0superscript𝑥subscript𝑃𝐹.0𝑥\displaystyle-k_{B}\bigl{[}\ln P_{R,0}(x^{\prime})-\ln P_{F,0}(x)\bigr{]}\ ,\hskip 14.22636pt

welche sich im Vorzeichen für den Vorwärtsprozess und für den Rückwärtsprozess unterscheiden.

Diese Funktionen ermöglichen die Definition einer neuen Variablen ΔΣΔΣ\Delta\Sigma, welche eine Art Entropie-Änderung des Zustands im Zeitintervall Δt=ttΔ𝑡superscript𝑡𝑡\Delta t=t^{\prime}-t darstellt. Wir multiplizieren die Verbundwahrscheinlichkeiten (304) und (305) mit entsprechenden Delta-Funktionen und integrieren über die Variablen xisubscript𝑥𝑖x_{i} und xisubscriptsuperscript𝑥𝑖x^{\prime}_{i}. Als Ergebnis erhalten wir dann Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die Variable ΔΣΔΣ\Delta\Sigma, und zwar für den Vorwärtsprozess

PF(ΔΣ)=DxDxδ(ΔΣΔΣF(x,x))PF(x,x)subscript𝑃𝐹ΔΣ𝐷superscript𝑥𝐷𝑥𝛿ΔΣΔsubscriptΣ𝐹superscript𝑥𝑥subscript𝑃𝐹superscript𝑥𝑥P_{F}(\Delta\Sigma)=\int Dx^{\prime}\int Dx\ \delta(\Delta\Sigma-\Delta\Sigma_{F}(x^{\prime},x))\ P_{F}(x^{\prime},x) (309)

und für den Rückwärtsprozess

PR(ΔΣ)=DxDxδ(ΔΣΔΣR(x,x))PR(x,x).subscript𝑃𝑅ΔΣ𝐷𝑥𝐷superscript𝑥𝛿ΔΣΔsubscriptΣ𝑅𝑥superscript𝑥subscript𝑃𝑅𝑥superscript𝑥P_{R}(\Delta\Sigma)=\int Dx\int Dx^{\prime}\ \delta(\Delta\Sigma-\Delta\Sigma_{R}(x,x^{\prime}))\ P_{R}(x,x^{\prime})\ . (310)

Multiplizieren wir nun die Bedingungen (306) oder (307) auf beiden Seiten mit entsprechenden Delta-Funktionen und integrieren wir über die Variablen xisubscript𝑥𝑖x_{i} und xisubscriptsuperscript𝑥𝑖x^{\prime}_{i}, so bekommen wir eine Bedingung für die Wahrscheinlichkeiten (309) und (310), das wohl bekannte Fluktuations-Theorem von Crooks Cr99

PF(+ΔΣ)PR(ΔΣ)=exp(ΔΣ/kB).subscript𝑃𝐹ΔΣsubscript𝑃𝑅ΔΣΔΣsubscript𝑘𝐵\frac{P_{F}(+\Delta\Sigma)}{P_{R}(-\Delta\Sigma)}\ =\ \exp(\Delta\Sigma/k_{B})\ . (311)

Die zwei unterschiedlichen Vorzeichen von ΔΣΔΣ\Delta\Sigma in den Argumenten der Wahrscheinlichkeiten auf der linken Seite sind eine Folge der zwei Vorzeichen der Funktionen (308) für den Vorwärtsprozess und für den Rückwärtsprozess.

Multiplizieren wir weiterhin in der Gleichung (311) die Faktoren etwas um, und integrieren wir auch noch über die verbleibende Variable ΔΣΔΣ\Delta\Sigma, so erhalten wir das integrale Fluktuations-Theorem

exp(ΔΣ/kB)delimited-⟨⟩ΔΣsubscript𝑘𝐵\displaystyle\langle\exp(-\Delta\Sigma/k_{B})\rangle =\displaystyle= d(ΔΣ)PF(ΔΣ)exp(ΔΣ/kB)𝑑ΔΣsubscript𝑃𝐹ΔΣΔΣsubscript𝑘𝐵\displaystyle\int d(\Delta\Sigma)\ P_{F}(\Delta\Sigma)\ \exp(-\Delta\Sigma/k_{B}) (312)
=\displaystyle= d(ΔΣ)PR(ΔΣ)= 1.𝑑ΔΣsubscript𝑃𝑅ΔΣ1\displaystyle\int d(\Delta\Sigma)\ P_{R}(-\Delta\Sigma)\ =\ 1\ .

Diese integrale Variante des Fluktuations-Theorems wurde in dieser Form erstmals allgemein von Crooks Cr99 und später speziell für kolloidale Teilchen in einem Lösungsmittel von Seifert Se05 hergeleitet. Sie entspricht einer Jarzynski-Gleichung Ja97A ; Ja97B für die Variable ΔΣΔΣ\Delta\Sigma, wie wir später sehen werden.

Crooks unterteilt in seinen Darstellungen Cr98 ; Cr99 ; Cr00 das zeitliche Intervall Δt=ttΔ𝑡superscript𝑡𝑡\Delta t=t^{\prime}-t in viele kleine infinitesimale Intervalle und betrachtet somit den gesamten stochastischen Prozess zwischen t𝑡t und tsuperscript𝑡t^{\prime}. Der Grund dafür ist, dass äußere Kräfte durch zeitabhängige Parameter beschrieben werden, welche korrekt berücksichtigt werden müssen. In unserem Fall liefert der GENERIC-Formalismus mit der Gleichung (303) eine Bedingung für das detaillierte Gleichgewicht, in der die Exponentialfaktoren als Argumente bereits die Entropie haben. Somit reicht es aus, dass wir die Verbundwahrscheinlichkeiten (304) und (305) nur für zwei Zeiten, den Anfang t𝑡t und das Ende tsuperscript𝑡t^{\prime} des Intervalls, definieren und betrachten.

Die Fluktuations-Theoreme (311) und (312) haben zwar eine recht einfache Form. Die eigentliche Schwierigkeit liegt jedoch in der Bedeutung und der Interpretation der Variablen ΔΣΔΣ\Delta\Sigma, definiert in (308). In der Hydrodynamik ist S(x)𝑆𝑥S(x) die Entropie. Diese lässt sich auf mikroskopischer Ebene durch die Maximierung (21) unter den Nebenbedingen (22) und (23) definieren. Folglich ist der erste Term in der Formel (308) die Entropie-Änderung ΔS=S(x)S(x)Δ𝑆𝑆superscript𝑥𝑆𝑥\Delta S=S(x^{\prime})-S(x) des stochastischen Prozesses von der Anfangszeit t𝑡t zur Endzeit tsuperscript𝑡t^{\prime}. Andererseits besteht der zweite Term aus den Logarithmen der beiden Verteilungen der Anfangszustände für den Vorwärtsprozess PF,0(x)subscript𝑃𝐹.0𝑥P_{F,0}(x) und für den Rückwärtsprozess PR,0(x)subscript𝑃𝑅.0superscript𝑥P_{R,0}(x^{\prime}). Diesen Beitrag kann man auch als eine Art Entropie interpretieren. Er ist jedoch zunächst völlig willkürlich, weil die beiden Verteilungen der Anfangszustände beliebig gewählt werden können. Die genaue physikalische Bedeutung der Variablen ΔΣΔΣ\Delta\Sigma wird also erst dann festgelegt, wenn man für die Anfangsverteilungen PF,0(x)subscript𝑃𝐹.0𝑥P_{F,0}(x) und PR,0(x)subscript𝑃𝑅.0superscript𝑥P_{R,0}(x^{\prime}) eine konkrete Wahl trifft.

Eine ausführliche und allgemeine Darstellung des Fluktuations-Theorems in seinen verschiedenen Varianten ist in dem Übersichtsartikel von Seifert Se12 zu finden. Die Grundlage dort ist eine Langevin-Gleichung für kolloidale Teilchen in einem Lösungsmittel. Es wird eine Entropievariable ähnlich wie ΔΣΔΣ\Delta\Sigma in (308) betrachtet, mit ähnlicher Struktur und mit ebenfalls zwei Beiträgen. Der erste Term ist die Entropie-Änderung im Medium oder Lösungsmittel, vergleichbar mit unserer Entropie-Änderung ΔS=S(x)S(x)Δ𝑆𝑆superscript𝑥𝑆𝑥\Delta S=S(x^{\prime})-S(x) in der Flüssigkeit. Der zweite Term wird als Entropie-Änderung des kolloidalen Vielteilchen-Systems interpretiert. Wir stellen fest, dass unsere Betrachtungen des Fluktuations-Theorems für die Hydrodynamik einer normalen Flüssigkeit im Rahmen des GENERIC-Formalismus zu ähnlichen Ergebnissen führt wie die Darstellung von Seifert Se12 für kolloidale Systeme.

Im Folgenden verwenden wir als spezielle Wahl für die Anfangsverteilungen PF,0(x)subscript𝑃𝐹.0𝑥P_{F,0}(x) und PR,0(x)subscript𝑃𝑅.0superscript𝑥P_{R,0}(x^{\prime}) die Boltzmann-Verteilungen für das thermische Gleichgewicht (276) zusammen mit dem großkanonischen thermodynamischen Potential (274). Wir setzen also

PF,0(x)subscript𝑃𝐹.0𝑥\displaystyle P_{F,0}(x) =\displaystyle= Peq(x)=Z1exp(Ω(x)/kBT),subscript𝑃eq𝑥superscript𝑍1Ω𝑥subscript𝑘𝐵𝑇\displaystyle P_{\mathrm{eq}}(x)\ =\ Z^{-1}\ \exp\bigl{(}-\Omega(x)/k_{B}T\bigr{)}\ ,\hskip 28.45274pt (313)
PR,0(x)subscript𝑃𝑅.0superscript𝑥\displaystyle P_{R,0}(x^{\prime}) =\displaystyle= Peq(x)=Z1exp(Ω(x)/kBT).subscript𝑃eqsuperscript𝑥superscript𝑍1Ωsuperscript𝑥subscript𝑘𝐵𝑇\displaystyle P_{\mathrm{eq}}(x^{\prime})\ =\ Z^{\prime-1}\ \exp\bigl{(}-\Omega(x^{\prime})/k_{B}T\bigr{)}\ .\hskip 28.45274pt (314)

Wir nehmen dabei an, dass auf die Flüssigkeit über äußere Parameter gewisse orts- und zeitabhängige Kräfte ausgeübt werden. Dann sind die beiden Gleichgewichtsverteilungen (313) und (314) für die zwei Zeiten t𝑡t und tsuperscript𝑡t^{\prime} unterschiedlich. Insbesondere sind die beiden Normierungsfaktoren Z𝑍Z und Zsuperscript𝑍Z^{\prime} verschieden. Aus diesen können wir formal die Änderung einer freien Energie ΔFΔ𝐹\Delta F definieren, gegeben durch

ΔF=kBT[lnZlnZ].Δ𝐹subscript𝑘𝐵𝑇delimited-[]superscript𝑍𝑍\Delta F\ =\ -k_{B}T\,[\ln Z^{\prime}-\ln Z]\ . (315)

Setzen wir nun die Anfangsverteilungen (313) und (314) in die Gleichung (308) ein so erhalten wir für die Entropievariable ΔΣΔΣ\Delta\Sigma die zwei Funktionen

ΔΣF(x,x)ΔsubscriptΣ𝐹superscript𝑥𝑥\displaystyle\Delta\Sigma_{F}(x^{\prime},x) =\displaystyle= ΔΣR(x,x)ΔsubscriptΣ𝑅𝑥superscript𝑥\displaystyle-\Delta\Sigma_{R}(x,x^{\prime}) (316)
=\displaystyle= {[E(x)E(x)]𝐯[𝐏(x)𝐏(x)]\displaystyle\bigl{\{}[E(x^{\prime})-E(x)]-\mathbf{v}\cdot[\mathbf{P}(x^{\prime})-\mathbf{P}(x)]
μ[N(x)N(x)]ΔF}/T\displaystyle-\mu[N(x^{\prime})-N(x)]-\Delta F\bigr{\}}/T

mit unterschiedlichen Vorzeichen für den Vorwärtsprozess und für den Rückwärtsprozess. Offensichtlich ist die Änderung der Entopie ΔS=S(x)S(x)Δ𝑆𝑆superscript𝑥𝑆𝑥\Delta S=S(x^{\prime})-S(x) heraus gefallen.

Wir nehmen als spezielles Beispiel an, die Flüssigkeit sei in einem Volumen eingesperrt, welches durch äußere Kräfte zeitlich verändert wird. Auf diese Weise wird die Flüssigkeit komprimiert und expandiert. Der erste Term in der Formel (316), die Änderung der Energie ΔE=E(x)E(x)Δ𝐸𝐸superscript𝑥𝐸𝑥\Delta E=E(x^{\prime})-E(x), lässt sich dann als eine der Flüssigkeit zugefügte Arbeit ΔWΔ𝑊\Delta W interpretieren. Für den Vorwärtsprozess und für den Rückwärtsprozess finden wir also mit unterschiedlichen Vorzeichen die Funktionen für die Arbeit

ΔWF(x,x)Δsubscript𝑊𝐹superscript𝑥𝑥\displaystyle\Delta W_{F}(x^{\prime},x) =\displaystyle= ΔWR(x,x)Δsubscript𝑊𝑅𝑥superscript𝑥\displaystyle-\Delta W_{R}(x,x^{\prime}) (317)
=\displaystyle= E(x)E(x).𝐸superscript𝑥𝐸𝑥\displaystyle E(x^{\prime})-E(x)\ .

Wird die Flüssigkeit über ein äußeres Potential in einem Volumen eingesperrt, so gilt keine Translations-Invarianz und keine Impulserhaltung. In diesem Fall muss in den Boltzmann-Verteilungen (313) und (314) der Lagrange-Parameter für die Geschwindigkeit null sein, also 𝐯=𝟎𝐯0\mathbf{v}=\mathbf{0}. Folglich ist der zweite Term in (316) null. Die Erhaltung der Teilchenzahl bewirkt weiterhin, dass wir den dritten Term in (316) null setzen dürfen gemäß N(x)N(x)0𝑁superscript𝑥𝑁𝑥0N(x^{\prime})-N(x)\to 0. Dies ist erlaubt, weil die Verbundwahrscheinlichkeiten (304) und (305) entsprechende Delta-Funktionen als Faktoren enthalten. Der letzte Term in der Formel (316) wird schließlich mit der Änderung der freien Energie (315) identifiziert.

Als Ergebnis erhalten wir aus (316) für den Vorwärtsprozess

ΔΣF(x,x)=[ΔWF(x,x)ΔF]/T.ΔsubscriptΣ𝐹superscript𝑥𝑥delimited-[]Δsubscript𝑊𝐹superscript𝑥𝑥Δ𝐹𝑇\Delta\Sigma_{F}(x^{\prime},x)\ =\ [\Delta W_{F}(x^{\prime},x)-\Delta F]/T\ . (318)

Es gilt also ein linearer Zusammenhang zwischen der Entropievariable ΔΣΔΣ\Delta\Sigma und der Arbeit ΔWΔ𝑊\Delta W. Folglich erhalten wir aus (309) und (310) durch Variablentransformation entsprechende Verteilungs-Funktionen für die Arbeit PF(ΔW)subscript𝑃𝐹Δ𝑊P_{F}(\Delta W) und PR(ΔW)subscript𝑃𝑅Δ𝑊P_{R}(\Delta W). Für diese Verteilungs-Funktionen bekommen wir aus (311) das Fluktuations-Theorem von Crooks Cr98

PF(+ΔW)PR(ΔW)=exp([ΔWΔF]/T).subscript𝑃𝐹Δ𝑊subscript𝑃𝑅Δ𝑊delimited-[]Δ𝑊Δ𝐹𝑇\frac{P_{F}(+\Delta W)}{P_{R}(-\Delta W)}\ =\ \exp([\Delta W-\Delta F]/T)\ . (319)

Führen wir weiterhin eine Integration über die Arbeit ΔWΔ𝑊\Delta W durch, so erhalten wir entsprechend zu (312) das integrale Fluktuations-Theorem

exp(ΔW/kBT)=exp(ΔF/kBT),delimited-⟨⟩Δ𝑊subscript𝑘𝐵𝑇Δ𝐹subscript𝑘𝐵𝑇\langle\exp(-\Delta W/k_{B}T)\rangle\ =\ \exp(-\Delta F/k_{B}T)\ , (320)

welches erstmals von Jarzynski Ja97A ; Ja97B hergeleitet wurde und unter dem Namen Jarzynski-Gleichung bekannt ist. Während die Jarzynski-Gleichung (320) ursprünglich für die durch äußere Kräfte verrichtete Arbeit ΔWΔ𝑊\Delta W hergeleitet wurde, kann man (312) als Jarzynski-Gleichung für die Entropievariable ΔΣΔΣ\Delta\Sigma betrachten.

Zum Schluss betrachten wir das thermische Gleichgewicht. Hier sind die Energie, der Impuls und die Teilchenzahl erhalten. Weiterhin sind die Normierungsfaktoren Z𝑍Z und Zsuperscript𝑍Z^{\prime} gleich, so dass die frei Energie (315) null ist. Folglich sind alle Terme in der Definition der Entropievariable (316) null, und die Verteilungsfunktionen (309) und (310) vereinfachen sich zu Delta-Funktionen. Im thermischen Gleichgewicht erhalten wir also die Verteilungsfunktionen für die Entropievariable

PF,eq(ΔΣ)=PR,eq(ΔΣ)=δ(ΔΣ)subscript𝑃𝐹eqΔΣsubscript𝑃𝑅eqΔΣ𝛿ΔΣP_{F,\mathrm{eq}}(\Delta\Sigma)\ =\ P_{R,\mathrm{eq}}(\Delta\Sigma)\ =\ \delta(\Delta\Sigma) (321)

und für die Arbeit

PF,eq(ΔW)=PR,eq(ΔW)=δ(ΔW).subscript𝑃𝐹eqΔ𝑊subscript𝑃𝑅eqΔ𝑊𝛿Δ𝑊P_{F,\mathrm{eq}}(\Delta W)\ =\ P_{R,\mathrm{eq}}(\Delta W)\ =\ \delta(\Delta W)\ . (322)

Die Fluktuations-Theoreme (311), (312) und (319), (320) werden mit diesen Verteilungsfunktionen in trivialer Weise erfüllt. Im Ergebnis stellen wir fest: Die Fluktuations-Theoreme gelten also sowohl im thermischen Gleichgewicht als auch im Nichtgleichgewicht.

Die Exponentialfunktion ist eine konvexe Funktion. Daher folgt aus dem integralen Fluktuations-Theorem (312) die Ungleichung

ΔΣ0.delimited-⟨⟩ΔΣ0\langle\Delta\Sigma\rangle\geq 0\ . (323)

Das Gleichheitszeichen gilt genau dann, wenn die Verteilungsfunktionen (309) und (310) Delta-Funktionen sind. Dies ist mit (321) im thermischen Gleichgewicht der Fall. Wir kommen somit zu dem Schluss: Die Entropie-Variable ΔΣΔΣ\Delta\Sigma und die zugehörigen Fluktuations-Theoreme sind mit dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik vereinbar. Im Nichtgleichgewicht wächst die Entropie-Variable im Mittel an, im thermischen Gleichgewicht bleibt sie konstant.

Wir fassen zusammen und kommen zu folgendem Ergebnis. Die meisten Überlegungen zum und die verschiedenen Varianten des Fluktuations-Theorems, die in dem Übersichtsartikel von Seifert Se12 für kolloidale Teilchen in einem Lösungsmittel beschrieben werden, lassen sich auf die Hydrodynamik einer normalen Flüssigkeit und den GENERIC-Formalismus übertragen. Unbefriedigend ist jedoch die Interpretation der Entropie-Variable ΔΣΔΣ\Delta\Sigma, definiert durch die Funktionen (308). Für die Hydrodynamik nicht klar, was der zweite Term in (308) physikalisch bedeuten soll.

VII.3 Ein modifiziertes Fluktuations-Theorem für die Entropie

In der Hydrodynamik benötigen wir ein Fluktuations-Theorem, in dem die Variable ausschließlich die Entropie-Änderung ΔΣ=ΔS=S(x)S(x)ΔΣΔ𝑆𝑆superscript𝑥𝑆𝑥\Delta\Sigma=\Delta S=S(x^{\prime})-S(x) ohne irgend einen zusätzlichen zweiten Term ist. Ein solches Fluktuations-Theorem wollen wir hier nun herleiten. Ausgangspunkt ist wieder die bedingte Wahrscheinlichkeit für die relevanten hydrodynamischen Variablen P(x|x)𝑃conditionalsuperscript𝑥𝑥P(x^{\prime}|x). Wir berechnen daraus eine bedingte Wahrscheinlichkeit für die Entropie-Änderung ΔSΔ𝑆\Delta S mit der Formel

P(ΔS|x)=Dxδ(ΔS[S(x)S(x)])P(x|x).𝑃conditionalΔ𝑆𝑥𝐷superscript𝑥𝛿Δ𝑆delimited-[]𝑆superscript𝑥𝑆𝑥𝑃conditionalsuperscript𝑥𝑥P(\Delta S|x)=\int Dx^{\prime}\ \delta(\Delta S-[S(x^{\prime})-S(x)])\ P(x^{\prime}|x)\ . (324)

Wir betrachten im Folgenden nur den Vorwärtsprozess. Der Anfangszustand wird beschrieben durch die hydrodynamischen Variablen xisubscript𝑥𝑖x_{i} zur früheren Zeit t𝑡t. Der Endzustand wird beschrieben durch die hydrodynamischen Variablen xisubscriptsuperscript𝑥𝑖x^{\prime}_{i} zur späteren Zeit tsuperscript𝑡t^{\prime}. Das Zeitintervall Δt=ttΔ𝑡superscript𝑡𝑡\Delta t=t^{\prime}-t ist positiv.

Wir berechnen zunächst die bedingte Wahrscheinlichkeit für die relevanten hydrodynamischen Variablen P(x|x)𝑃conditionalsuperscript𝑥𝑥P(x^{\prime}|x) als Lösung der Fokker-Planck-Gleichung (259). Für infinitesimal kleine Zeitintervalle ΔtΔ𝑡\Delta t erhalten wir eine Gauß-Verteilung in den hydrodynamischen Variablen xisubscriptsuperscript𝑥𝑖x^{\prime}_{i} des Endzustandes. Die Position und die Breite der Verteilung werden durch die zwei Kramers-Moyal-Koeffizienten Ki(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑖𝑥K^{(1)}_{i}(x) und Kij(2)(x)subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥K^{(2)}_{ij}(x) für die hydrodynamischen Variablen des Anfangszustandes xisubscript𝑥𝑖x_{i} festgelegt.

Im nächsten Schritt setzen wir diese Verteilung in die Formel (324) ein und berechnen mittels Integration über xisubscriptsuperscript𝑥𝑖x^{\prime}_{i} die bedingte Wahrscheinlichkeit für die Entropie-Änderung P(ΔS|x)𝑃conditionalΔ𝑆𝑥P(\Delta S|x). Im Ergebnis erhalten wir wiederum eine Gauß-Verteilung, welche dargestellt wird durch

P(ΔS|x)𝑃conditionalΔ𝑆𝑥\displaystyle P(\Delta S|x) =\displaystyle= [4πKS(2)(x)Δt]1/2superscriptdelimited-[]4𝜋subscriptsuperscript𝐾2𝑆𝑥Δ𝑡12\displaystyle[4\pi\,K^{(2)}_{S}(x)\ \Delta t]^{-1/2} (325)
×exp{[ΔSKS(1)(x)Δt]24KS(2)(x)Δt}absentsuperscriptdelimited-[]Δ𝑆subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥Δ𝑡24subscriptsuperscript𝐾2𝑆𝑥Δ𝑡\displaystyle\times\exp\biggl{\{}-\,\frac{[\Delta S-K^{(1)}_{S}(x)\,\Delta t]^{2}}{4\,K^{(2)}_{S}(x)\,\Delta t}\biggr{\}}\qquad

mit den zwei Kramers-Moyal-Koeffizienten KS(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥K^{(1)}_{S}(x) und KS(2)(x)subscriptsuperscript𝐾2𝑆𝑥K^{(2)}_{S}(x) für die Entropie. Um diese einfache Formel zu erhalten, haben wir im Argument der Exponentialfunktion eine Entwicklung nach Potenzen von kleinen ΔtΔ𝑡\Delta t durchgeführt. Daher gilt die Formel (325) zunächst nur für infinitesimal kleine Zeitintervalle ΔtΔ𝑡\Delta t. Die zwei Kramers-Moyal-Koeffizienten für die Entropie KS(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥K^{(1)}_{S}(x) und KS(2)(x)subscriptsuperscript𝐾2𝑆𝑥K^{(2)}_{S}(x) lassen sich durch die zwei Kramers-Moyal-Koeffizienten Ki(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑖𝑥K^{(1)}_{i}(x) und Kij(2)(x)subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑗𝑥K^{(2)}_{ij}(x) für die hydrodynamischen Variablen darstellen. Wir finden die zwei Formeln

KS(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥\displaystyle K^{(1)}_{S}(x) =\displaystyle= S(x)xiKi(1)(x)+2S(x)xixkKik(2)(x),𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscriptsuperscript𝐾1𝑖𝑥superscript2𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑥𝑘subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑘𝑥\displaystyle\frac{\partial S(x)}{\partial x_{i}}\,K^{(1)}_{i}(x)\ +\ \frac{\partial^{2}S(x)}{\partial x_{i}\partial x_{k}}\,K^{(2)}_{ik}(x)\ ,\hskip 22.76219pt (326)
KS(2)(x)subscriptsuperscript𝐾2𝑆𝑥\displaystyle K^{(2)}_{S}(x) =\displaystyle= S(x)xiKik(2)(x)S(x)xk,𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑘𝑥𝑆𝑥subscript𝑥𝑘\displaystyle\frac{\partial S(x)}{\partial x_{i}}\,K^{(2)}_{ik}(x)\,\frac{\partial S(x)}{\partial x_{k}}\ , (327)

welche für eine beliebige Funktion S=S(x)𝑆𝑆𝑥S=S(x) gelten. Der jeweils erste Term erklärt sich als Transformationsformel des Differentialkalküls. Der zweite Term von (326) enthält die zweiten Ableitungen von S(x)𝑆𝑥S(x) und ist eine Besonderheit der stochastischen Prozesse.

Wir haben jetzt eine explizite Wahrscheinlichkeitsverteilung, für die wir ein spezielles modifiziertes Fluktuations-Theorem herleiten können. Wir berechnen den Quotienten wie auf der linken Seite des ursprünglichen Fluktuations-Theorems (311) und setzen die Formel (325) explizit ein. Nach einigen Umformungen finden wir dann als Ergebnis

P(+ΔS|x)P(ΔS|x)=exp{α(x)ΔS/kB}𝑃conditionalΔ𝑆𝑥𝑃conditionalΔ𝑆𝑥𝛼𝑥Δ𝑆subscript𝑘𝐵\frac{P(+\Delta S|x)}{P(-\Delta S|x)}\ =\ \exp\bigl{\{}\alpha(x)\,\Delta S/k_{B}\bigr{\}} (328)

mit dem dimensionslosen Faktor

α(x)=kBKS(1)(x)KS(2)(x).𝛼𝑥subscript𝑘𝐵subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥subscriptsuperscript𝐾2𝑆𝑥\alpha(x)=k_{B}\,\frac{K^{(1)}_{S}(x)}{K^{(2)}_{S}(x)}\ . (329)

Die Gleichung (328) stellt offensichtlich eine Erweiterung und Modifizierung des Fluktuations-Theorems dar. Im Argument der Exponentialfunktion auf der rechten Seite kommt ein zusätzlicher Faktor α(x)𝛼𝑥\alpha(x) in Form eines Verhältnisses der beiden Kramers-Moyal-Koeffizienten vor. In seiner ursprünglichen Form (311) gilt das Fluktuations-Theorem nur dann, wenn der Faktor α(x)=1𝛼𝑥1\alpha(x)=1 ist und somit die Bedingung

KS(1)(x)=KS(2)(x)/kBsubscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥subscriptsuperscript𝐾2𝑆𝑥subscript𝑘𝐵K^{(1)}_{S}(x)\ =\ K^{(2)}_{S}(x)/k_{B} (330)

erfüllt wird. Ansonsten stellt unsere Gleichung (328) eine Erweiterung und Modifizierung des Fluktuations-Theorems dar.

Wir weisen darauf hin, dass unsere Gleichung (328) nur für infinitesimal kleine Zeitintervalle ΔtΔ𝑡\Delta t hergeleitet wurde. Eine Erweiterung auf größere endliche Zeitintervalle ΔtΔ𝑡\Delta t ist ohne Änderung möglich, wenn die zwei Kramers-Moyal-Koeffizienten KS(1)(x(t))subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥𝑡K^{(1)}_{S}(x(t)) und KS(2)(x(t))subscriptsuperscript𝐾2𝑆𝑥𝑡K^{(2)}_{S}(x(t)) nahezu konstant sind und nicht über die Pfade xi(t)subscript𝑥𝑖𝑡x_{i}(t) von der Zeit abhängen. Dies ist der Fall, wenn sich die normale Flüssigkeit in einem stationären Nichtgleichgewichts-Zustand befindet und die Effekte der Fluktuationen klein sind. Beispiele sind eine stationäre laminare Strömung oder ein stationärer Wärmetransport. In diesen Fällen kann das Zeitintervall ΔtΔ𝑡\Delta t sehr groß sein. Andererseits wird für eine turbulente Strömung oder Wärmetransport mit chaotischer Konvektion das Zeitintervall ΔtΔ𝑡\Delta t entsprechend klein sein.

VII.4 Explizite Berechnung der Kramers-Moyal-Koeffizienten

Um den Zusammenhang zwischen dem Fluktuations-Theorem in der ursprünglichen Form (311) und unserer allgemeineren Gleichung (328) mit dem dimensionslosen Faktor (329) zu verstehen, benötigen wir nun explizite Formeln für die zwei Kramers-Moyal-Koeffizienten. Den ersten Koeffizienten haben wir mit Gl. (294) zuvor in Kapitel VI.3 berechnet. Lassen wir das Zeitargument weg, so haben wir

KS(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥\displaystyle K^{(1)}_{S}(x) =\displaystyle= S(x)xiMik(x)S(x)xk𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑀𝑖𝑘𝑥𝑆𝑥subscript𝑥𝑘\displaystyle\frac{\partial S(x)}{\partial x_{i}}\,M_{ik}(x)\,\frac{\partial S(x)}{\partial x_{k}} (331)
+xk(S(x)xikBMik(x)).subscript𝑥𝑘𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑘𝑥\displaystyle+\,\frac{\partial}{\partial x_{k}}\left(\frac{\partial S(x)}{\partial x_{i}}\,k_{B}\,M_{ik}(x)\right)\ .

Den zweiten Koeffizienten können wir aus der Langevin-Gleichung für die Entropie (291) entnehmen. Wir betrachten dazu den zweiten fluktuierenden Term auf der rechten Seite und setzen dort die fluktuierenden Kräfte (260) ein. Unter Verwendung von (262) und der Beziehung Kik(2)(x(t))=kBMik(x(t))subscriptsuperscript𝐾2𝑖𝑘𝑥𝑡subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑘𝑥𝑡K^{(2)}_{ik}(x(t))=k_{B}M_{ik}(x(t)) erhalten wir dann

KS(2)(x)=S(x)xikBMik(x)S(x)xk.subscriptsuperscript𝐾2𝑆𝑥𝑆𝑥subscript𝑥𝑖subscript𝑘𝐵subscript𝑀𝑖𝑘𝑥𝑆𝑥subscript𝑥𝑘K^{(2)}_{S}(x)\ =\ \frac{\partial S(x)}{\partial x_{i}}\,k_{B}\,M_{ik}(x)\,\frac{\partial S(x)}{\partial x_{k}}\ . (332)

Die zwei Kramers-Moyal-Koeffizienten (331) und (332) erfüllen offensichtlich im allgemeinen nicht die notwendige Bedingung (330) für das Fluktuations-Theorem.

Alternativ lassen sich die zwei Kramers-Moyal-Koeffizienten für die Entropie auch mit den Formeln (326) und (327) berechnen. Wir benötigen dazu die zwei Kramers-Moyal-Koeffizienten für die hydrodynamischen Variablen in expliziter Form. Letztere bekommen wir aus der Langevin-Gleichung des GENERIC-Formalismus (271) durch Vergleich mit der allgemeinen Form der stochastischen Theorie (263) oder (270). Diesen Vergleich müssen wir sorgfältig durchführen und dabei beachten, dass alle Langevin-Gleichungen im Stratonovich-Formalismus definiert sind. Wir verwenden weiterhin die Bedingung (278) für die Matrix Bim(x(t))subscript𝐵𝑖𝑚𝑥𝑡B_{im}(x(t)), so dass der dritte Term in der allgemeinen Gleichung (270) null ist. Anschließend setzen wir die so erhaltenen Kramers-Moyal-Koeffizienten für die hydrodynamischen Variablen in die Formeln (326) und (327) ein. Wegen der Nebenbedingung (272) fällt ein reversibler Term weg. Als Ergebnis erhalten wir somit wiederum (331) und (332).

Der erste Kramers-Moyal-Koeffizient (331) enthält zwei Beiträge, einen dissipativen und einen fluktuierenden. Entsprechend zerlegen wir

KS(1)(x)=KS,diss(1)(x)+KS,fluc(1)(x).subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥subscriptsuperscript𝐾1𝑆diss𝑥subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥K^{(1)}_{S}(x)\ =\ K^{(1)}_{S,\mathrm{diss}}(x)\ +\ K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x)\ . (333)

Vergleichen wir den ersten Term von (331) mit dem zweiten Koeffizienten (332), so finden wir

KS,diss(1)(x)=KS(2)(x)/kB.subscriptsuperscript𝐾1𝑆diss𝑥subscriptsuperscript𝐾2𝑆𝑥subscript𝑘𝐵K^{(1)}_{S,\mathrm{diss}}(x)\ =\ K^{(2)}_{S}(x)/k_{B}\ . (334)

Diese Gleichung stimmt offensichtlich mit der Bedingung (330) überein. Der dissipative Anteil des ersten Koeffizienten würde also die Bedingung für das Fluktuations-Theorem erfüllen. Die Abweichungen und Modifizierungen liefert folglich der fluktuierende Anteil des ersten Koeffizienten. Für diesen entnehmen wir aus dem zweiten Term von (331) die Formel

KS,fluc(1)(x)=kBxi(Mik(x)S(x)xk),subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥subscript𝑘𝐵subscript𝑥𝑖subscript𝑀𝑖𝑘𝑥𝑆𝑥subscript𝑥𝑘K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x)\ =\ k_{B}\,\frac{\partial}{\partial x_{i}}\left(M_{ik}(x)\,\frac{\partial S(x)}{\partial x_{k}}\right)\ , (335)

wobei die Reihenfolge der Faktoren etwas umgeordnet und die Indizes umbenannt wurden.

Wenn wir die Abweichungen des modifizierten Fluktuations-Theorem (328) vom ursprünglichen (311) verstehen wollen, dann müssen wir den dimensionslosen Faktor (329) genauer untersuchen. Unter Verwendung der Gleichungen (334) und (333) formen wir diesen dimensionslosen Faktor um und erhalten

α(x)=KS(1)(x)KS,diss(1)(x)=KS(1)(x)KS(1)(x)KS,fluc(1)(x).𝛼𝑥subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥subscriptsuperscript𝐾1𝑆diss𝑥subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥\alpha(x)=\frac{K^{(1)}_{S}(x)}{K^{(1)}_{S,\mathrm{diss}}(x)}=\frac{K^{(1)}_{S}(x)}{K^{(1)}_{S}(x)-K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x)}\ . (336)

Die Abweichungen vom Fluktuations-Theorem in der ursprünglichen Form werden klein sein, wenn der fluktuierende Anteil KS,fluc(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x) deutlich kleiner als der gesamte erste Kramers-Moyal-Koeffizient KS(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥K^{(1)}_{S}(x) ist und somit in guter Näherung α(x)1𝛼𝑥1\alpha(x)\approx 1 gilt. Umgekehrt werden wesentliche Abweichungen in Erscheinung treten, wenn KS,fluc(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x) in die Größenordnung von KS(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥K^{(1)}_{S}(x) kommt oder deutlich größer wird. Um die Abschätzungen durchzuführen, müssen wir also sowohl den fluktuierenden Anteil KS,fluc(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x) als auch den gesamten ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten KS(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥K^{(1)}_{S}(x) explizit berechnen.

Wir betrachten im Folgenden wieder die normale Flüssigkeit und fügen den hydrodynamischen Variablen xi(𝐫)subscript𝑥𝑖𝐫x_{i}(\mathbf{r}) die Ortsvariable 𝐫𝐫\mathbf{r} im Argument hinzu. Wir verwenden den lokale Ansatz für die Onsager-Matrix (208) und setzen diesen in die Formel (335) ein. Dann erhalten wir für den fluktuierenden Anteil des ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten

KS,fluc(1)[x]=kBddrδδxi(𝐫)(mNim,kn(x(𝐫))nδS[x]δxk(𝐫)).subscriptsuperscript𝐾1𝑆flucdelimited-[]𝑥subscript𝑘𝐵superscript𝑑𝑑𝑟𝛿𝛿subscript𝑥𝑖𝐫subscript𝑚subscript𝑁𝑖𝑚𝑘𝑛𝑥𝐫subscript𝑛𝛿𝑆delimited-[]𝑥𝛿subscript𝑥𝑘𝐫K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}[x]=-\,k_{B}\,\int d^{d}r\ \frac{\delta}{\delta x_{i}(\mathbf{r})}\left(\partial_{m}\,N_{im,kn}(x(\mathbf{r}))\,\partial_{n}\ \frac{\delta S[x]}{\delta x_{k}(\mathbf{r})}\right)\ . (337)

Dieser ist ein Funktional in den hydrodynamischen Variablen xi(𝐫)subscript𝑥𝑖𝐫x_{i}(\mathbf{r}), und die partiellen Ableitungen wurden durch Funktional-Ableitungen ersetzt. Für die weitere Berechnung fügen wir zwei räumliche Delta-Funktionen ein, so dass wir drei Integrale über räumliche Koordinaten haben. Wir führen dann zuerst die Funktional-Ableitungen aus und berechnen anschließend die Integrale über die Delta-Funktionen. Nach sorgfältiger Bildung eines Grenzwertes erhalten wir dann

KS,fluc(1)[x]=+kBddrNim,kn(x(𝐫))lim𝐫𝐫(mnδ2S[x]δxi(𝐫)δxk(𝐫)).subscriptsuperscript𝐾1𝑆flucdelimited-[]𝑥subscript𝑘𝐵superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑁𝑖𝑚𝑘𝑛𝑥𝐫subscriptsuperscript𝐫𝐫subscriptsuperscriptabsent𝑚subscriptsuperscript𝑛superscript𝛿2𝑆delimited-[]𝑥𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}[x]=+\,k_{B}\,\int d^{d}r\ N_{im,kn}(x(\mathbf{r}))\,\lim_{\mathbf{r}^{\prime}\to\mathbf{r}}\left(\partial^{\ }_{m}\partial^{\prime}_{n}\ \frac{\delta^{2}S[x]}{\delta x_{i}(\mathbf{r})\,\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime})}\right)\ . (338)

Wegen einer partiellen Integration über den Raum hat sich das Vorzeichen geändert, und einer der beiden Differentialoperatoren hat einen Strich bekommen. Das bedeutet, msubscriptsuperscriptabsent𝑚\partial^{\ }_{m} wirkt auf die eine Ortsvariable 𝐫𝐫\mathbf{r}, und nsubscriptsuperscript𝑛\partial^{\prime}_{n} wirkt auf die andere Ortsvariable 𝐫superscript𝐫\mathbf{r}^{\prime}. Wir nehmen nun an, dass wie in der Hydrodynamik üblich ein lokales thermisches Gleichgewicht gilt. Das bedeutet, die gesamte Entropie S[x]𝑆delimited-[]𝑥S[x] lässt sich als Integral über die lokale Entropiedichte σ(𝐫)𝜎𝐫\sigma(\mathbf{r}) darstellen gemäß S[x]=ddrσ(𝐫)𝑆delimited-[]𝑥superscript𝑑𝑑𝑟𝜎𝐫S[x]=\int d^{d}r\,\sigma(\mathbf{r}). Dann berechnen wir die zweite Funktional-Ableitung

δ2S[x]δxi(𝐫)δxk(𝐫)=2σ(𝐫)xi(𝐫)xk(𝐫)δ(𝐫𝐫)superscript𝛿2𝑆delimited-[]𝑥𝛿subscript𝑥𝑖𝐫𝛿subscript𝑥𝑘superscript𝐫superscript2𝜎𝐫subscript𝑥𝑖𝐫subscript𝑥𝑘𝐫𝛿𝐫superscript𝐫\frac{\delta^{2}S[x]}{\delta x_{i}(\mathbf{r})\,\delta x_{k}(\mathbf{r}^{\prime})}=\frac{\partial^{2}\sigma(\mathbf{r})}{\partial x_{i}(\mathbf{r})\,\partial x_{k}(\mathbf{r})}\,\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime}) (339)

und erhalten den fluktuierenden Anteil des Koeffizienten

KS,fluc(1)[x]=kBddrNim,kn(x(𝐫))2σ(𝐫)xi(𝐫)xk(𝐫)mnδ(𝟎).subscriptsuperscript𝐾1𝑆flucdelimited-[]𝑥subscript𝑘𝐵superscript𝑑𝑑𝑟subscript𝑁𝑖𝑚𝑘𝑛𝑥𝐫superscript2𝜎𝐫subscript𝑥𝑖𝐫subscript𝑥𝑘𝐫subscript𝑚subscript𝑛𝛿0K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}[x]=-\,k_{B}\,\int d^{d}r\ N_{im,kn}(x(\mathbf{r}))\,\frac{\partial^{2}\sigma(\mathbf{r})}{\partial x_{i}(\mathbf{r})\,\partial x_{k}(\mathbf{r})}\,\partial_{m}\partial_{n}\delta(\mathbf{0})\ . (340)

Die räumlichen Differentialoperatoren msubscript𝑚\partial_{m} und nsubscript𝑛\partial_{n} wirken jetzt nur noch auf die räumliche Delta-Funktion. Wir führen hier den Grenzwertprozess explizit aus mit

mnδ(𝟎)=lim𝐫𝐫mnδ(𝐫𝐫).subscript𝑚subscript𝑛𝛿0subscriptsuperscript𝐫𝐫subscriptsuperscriptabsent𝑚subscriptsuperscript𝑛𝛿𝐫superscript𝐫\partial_{m}\partial_{n}\delta(\mathbf{0})=-\lim_{\mathbf{r}^{\prime}\to\mathbf{r}}\partial^{\ }_{m}\partial^{\prime}_{n}\delta(\mathbf{r}-\mathbf{r}^{\prime})\ . (341)

Weil der Strich am Differentialoperator wieder weggefallen ist, hat sich das Vorzeichen wieder geändert.

Gegenwärtig identifizieren wir mit xi(𝐫)subscript𝑥𝑖𝐫x_{i}(\mathbf{r}) die hydrodynamischen Variablen einer normalen Flüssigkeit, wobei eine der Variablen die Energiedichte ε(𝐫)𝜀𝐫\varepsilon(\mathbf{r}) ist. Alternativ können wir einen anderen Satz von hydrodynamischen Variablen verwenden, wobei eine der Variablen die Entropiedichte σ(𝐫)𝜎𝐫\sigma(\mathbf{r}) ist. Ein solche Transformation wurde in Kapitel IV.4 beschrieben und angewendet. Diese können wir hier auch auf die Formel (340) anwenden. Dazu tauschen wir die Onsager-Matrix Nim,kn(x(𝐫))subscript𝑁𝑖𝑚𝑘𝑛𝑥𝐫N_{im,kn}(x(\mathbf{r})) aus durch die neue Matrix Λim,kn(x(𝐫))subscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛𝑥𝐫\Lambda_{im,kn}(x(\mathbf{r})) mit einer etwas einfacheren Struktur. Weiterhin ersetzen wir oben in der zweiten Ableitung die Entropiedichte σ(𝐫)𝜎𝐫\sigma(\mathbf{r}) durch die Energiedichte ε(𝐫)𝜀𝐫\varepsilon(\mathbf{r}) und drehen das Vorzeichen um. Als Ergebnis erhalten wir dann

KS,fluc(1)[x]=+kBddrΛim,kn(x(𝐫))2ε(𝐫)xi(𝐫)xk(𝐫)mnδ(𝟎).subscriptsuperscript𝐾1𝑆flucdelimited-[]𝑥subscript𝑘𝐵superscript𝑑𝑑𝑟subscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛𝑥𝐫superscript2𝜀𝐫subscript𝑥𝑖𝐫subscript𝑥𝑘𝐫subscript𝑚subscript𝑛𝛿0K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}[x]=+\,k_{B}\,\int d^{d}r\ \Lambda_{im,kn}(x(\mathbf{r}))\,\frac{\partial^{2}\varepsilon(\mathbf{r})}{\partial x_{i}(\mathbf{r})\,\partial x_{k}(\mathbf{r})}\,\partial_{m}\partial_{n}\delta(\mathbf{0})\ . (342)

Wir bemerken, dass die Umformungen von (340) auf (342) exakt sind ohne irgendwelche Näherungen. Im nächsten Schritt setzen wir für die hydrodynamischen Variablen xi(𝐫)subscript𝑥𝑖𝐫x_{i}(\mathbf{r}) explizit die Massendichte ρ(𝐫)𝜌𝐫\rho(\mathbf{r}), die Impulsdichte 𝐣(𝐫)𝐣𝐫\mathbf{j}(\mathbf{r}) und die Entropiedichte σ(𝐫)𝜎𝐫\sigma(\mathbf{r}) ein. Aus Symmetriegründen sind viele Nichtdiagonalelemente der Onsager-Matrix Λim,kn(x(𝐫))subscriptΛ𝑖𝑚𝑘𝑛𝑥𝐫\Lambda_{im,kn}(x(\mathbf{r})) null. Da es für die Massendichte ρ𝜌\rho keine Dissipation gibt, fallen weiterhin die Terme mit den Massendichten komplett weg. Als Ergebnis erhalten wir dann

KS,fluc(1)[x]=+kBddr[Λim,knjj(x)2εjijk+Λm,nσσ(x)2εσ2]mnδ(𝟎),subscriptsuperscript𝐾1𝑆flucdelimited-[]𝑥subscript𝑘𝐵superscript𝑑𝑑𝑟delimited-[]subscriptsuperscriptΛ𝑗𝑗𝑖𝑚𝑘𝑛𝑥superscript2𝜀subscript𝑗𝑖subscript𝑗𝑘subscriptsuperscriptΛ𝜎𝜎𝑚𝑛𝑥superscript2𝜀superscript𝜎2subscript𝑚subscript𝑛𝛿0K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}[x]=+\,k_{B}\,\int d^{d}r\ \left[\Lambda^{jj}_{im,kn}(x)\,\frac{\partial^{2}\varepsilon}{\partial j_{i}\,\partial j_{k}}+\Lambda^{\sigma\sigma}_{m,n}(x)\,\frac{\partial^{2}\varepsilon}{\partial\sigma^{2}}\right]\,\partial_{m}\partial_{n}\delta(\mathbf{0})\ , (343)

wobei die Onsager-Matrizen Λim,knjj(x)subscriptsuperscriptΛ𝑗𝑗𝑖𝑚𝑘𝑛𝑥\Lambda^{jj}_{im,kn}(x) und Λm,nσσ(x)subscriptsuperscriptΛ𝜎𝜎𝑚𝑛𝑥\Lambda^{\sigma\sigma}_{m,n}(x) explizit durch die Formeln (226) und (227) gegeben sind, mit nur drei Parametern, der Scherviskosität η𝜂\eta, der Volumenviskosität ζ𝜁\zeta und der Wärmeleitfähigkeit ϰitalic-ϰ\varkappa. Die zweiten Ableitungen der Energiedichte berechnen wir mit den thermodynamischen Relationen

2εjijk=(vkji)σ,ρ=δik1ρ,2εσ2=(Tσ)𝐣,ρ=TρcV.formulae-sequencesuperscript2𝜀subscript𝑗𝑖subscript𝑗𝑘subscriptsubscript𝑣𝑘subscript𝑗𝑖𝜎𝜌subscript𝛿𝑖𝑘1𝜌superscript2𝜀superscript𝜎2subscript𝑇𝜎𝐣𝜌𝑇𝜌subscript𝑐𝑉\frac{\partial^{2}\varepsilon}{\partial j_{i}\,\partial j_{k}}=\left(\frac{\partial v_{k}}{\partial j_{i}}\right)_{\sigma,\rho}=\delta_{ik}\,\frac{1}{\rho}\ ,\qquad\frac{\partial^{2}\varepsilon}{\partial\sigma^{2}}=\left(\frac{\partial T}{\partial\sigma}\right)_{\mathbf{j},\rho}=\frac{T}{\rho\,c_{V}}\ . (344)

Wegen der Invarianz unter Galilei-Transformationen hat die Energiedichte die Struktur (186). Das bedingt das einfache Ergebnis für die zweite Ableitung nach den Impulsdichten 𝐣(𝐫)𝐣𝐫\mathbf{j}(\mathbf{r}). Die zweite Ableitung nach der Entropiedichte σ(𝐫)𝜎𝐫\sigma(\mathbf{r}) ist komplizierter und führt auf die spezifische Wärme pro Masseneinheit bei konstantem Volumen cVsubscript𝑐𝑉c_{V} als zusätzlichen Parameter. Die Formel (343) lässt sich damit nun explizit auswerten.

Wir stellen fest, dass das Ergebnis (343) als konstanten Faktor die zweiten räumlichen Ableitungen einer Delta-Funktion bei Argument Null enthält. Dieser Faktor ist unendlich groß und stellt eine Ultraviolett-Divergenz dar. Eine normale Flüssigkeit besteht bekanntlich aus Atomen oder Molekülen. Somit wird es eine minimale Längenskala \ell geben, mit der wir eine Regularisierung durchführen müssen. Wir ersetzen daher die Delta-Funktion durch eine Gauß-Funktion gemäß

δ(𝐫)=[2π2]d/2exp(𝐫2/22)𝛿𝐫superscriptdelimited-[]2𝜋superscript2𝑑2superscript𝐫22superscript2\delta(\mathbf{r})=[2\pi\ell^{2}]^{-d/2}\ \exp(-\mathbf{r}^{2}/2\ell^{2}) (345)

und berechnen damit die zweiten räumlichen Ableitungen der Delta-Funktion bei Argument Null

mnδ(𝟎)=δmn(2π)d/2(d+2).subscript𝑚subscript𝑛𝛿0subscript𝛿𝑚𝑛superscript2𝜋𝑑2superscript𝑑2\partial_{m}\partial_{n}\delta(\mathbf{0})=-\,\delta_{mn}\,(2\pi)^{-d/2}\,\ell^{-(d+2)}\ . (346)

Setzen wir nun die Onsager-Matrizen (226) und (227), die zweiten Ableitungen der Energiedichte (344) und die zweite räumliche Ableitung der Delta-Funktion (346) ein, so erhalten wir aus der Formel (343) das explizite Ergebnis

KS,fluc(1)[x]=kBddr[(d+2)(d1)ηρ+dζρ+dϰρcV]1(2π)d/2d+2.subscriptsuperscript𝐾1𝑆flucdelimited-[]𝑥subscript𝑘𝐵superscript𝑑𝑑𝑟delimited-[]𝑑2𝑑1𝜂𝜌𝑑𝜁𝜌𝑑italic-ϰ𝜌subscript𝑐𝑉1superscript2𝜋𝑑2superscript𝑑2K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}[x]=-\,k_{B}\,\int d^{d}r\ \left[(d+2)(d-1)\,\frac{\eta}{\rho}+d\,\frac{\zeta}{\rho}+d\,\frac{\varkappa}{\rho\,c_{V}}\right]\,\frac{1}{(2\pi)^{d/2}\,\ell^{d+2}}\ . (347)

Die minimale Länge \ell der Regularisierung steht im Nenner mit einer hohen Potenz. Wenn diese sehr klein ist und dem mittleren Abstand zwischen den Atomen oder Molekülen entspricht, dann wird das Ergebnis für den fluktuierende Anteil des ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten KS,fluc(1)[x]subscriptsuperscript𝐾1𝑆flucdelimited-[]𝑥K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}[x] extrem groß. Wenn andererseits die minimale Länge \ell hinreichend groß ist, dann wird das Ergebnis sehr klein.

Wir benötigen weiterhin den gesamten ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten KS(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥K^{(1)}_{S}(x). Um die Größenordnung abzuschätzen, reicht hier eine Mittlere-Feld-Näherung aus, welche die Fluktuationen weglässt. Wir bestimmen dazu für eine gegebene physikalische Situation eines Nichtgleichgewichts die mittleren Felder für Temperatur T(𝐫,t)delimited-⟨⟩𝑇𝐫𝑡\langle T(\mathbf{r},t)\rangle, Geschwindigkeit 𝐯(𝐫,t)delimited-⟨⟩𝐯𝐫𝑡\langle\mathbf{v}(\mathbf{r},t)\rangle und chemisches Potential μ(𝐫,t)delimited-⟨⟩𝜇𝐫𝑡\langle\mu(\mathbf{r},t)\rangle. Diese setzten wir dann in die Formel

R=kviΛik,mnjjnvm+kTΛknσσnTdelimited-⟨⟩𝑅delimited-⟨⟩subscript𝑘subscript𝑣𝑖delimited-⟨⟩subscriptsuperscriptΛ𝑗𝑗𝑖𝑘𝑚𝑛delimited-⟨⟩subscript𝑛subscript𝑣𝑚delimited-⟨⟩subscript𝑘𝑇delimited-⟨⟩subscriptsuperscriptΛ𝜎𝜎𝑘𝑛delimited-⟨⟩subscript𝑛𝑇\langle R\rangle=\langle\partial_{k}v_{i}\rangle\,\langle\Lambda^{jj}_{ik,mn}\rangle\,\langle\partial_{n}v_{m}\rangle+\langle\partial_{k}T\rangle\,\langle\Lambda^{\sigma\sigma}_{kn}\rangle\,\langle\partial_{n}T\rangle (348)

ein, um die mittlere erzeugte Wärme pro Volumen und Zeit R(𝐫,t)delimited-⟨⟩𝑅𝐫𝑡\langle R(\mathbf{r},t)\rangle zu berechnen. Die Formel (348) ist die Mittlere-Feld-Näherung von (258). Betrachten wir die hydrodynamische Gleichung (204), so finden wir für den ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten KS(1)(x)subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥K^{(1)}_{S}(x) schließlich die Formel in Mittlerer-Feld-Näherung

KS(1)[x]ddrRT.subscriptsuperscript𝐾1𝑆delimited-[]𝑥superscript𝑑𝑑𝑟delimited-⟨⟩𝑅delimited-⟨⟩𝑇K^{(1)}_{S}[x]\approx\int d^{d}r\ \frac{\langle R\rangle}{\langle T\rangle}\ . (349)

VII.5 Abhängigkeit von der minimalen Länge

Um die Abhängigkeit von der minimalen Länge \ell besser zu verstehen, gehen wir zurück zu der Definition der Entropie S(t)𝑆𝑡S(t) durch die Maximierung (21) unter den Nebenbedingungen (22) und (23). Die Entropie S(t)=S[x(t)]𝑆𝑡𝑆delimited-[]𝑥𝑡S(t)=S[x(t)] ist ein Funktional, das sehr stark davon abhängen wird, welche der relevanten hydrodynamischen Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) und folglich wieviele physikalische Freiheitsgrade in die Nebenbedingungen (22) eingehen. Wir treffen die Auswahl dieser Freiheitsgrade so, dass nur räumliche Variationen auf Längenskalen betrachtet werden, die größer als die minimale Länge \ell sind. Auf diese Weise wird eine Regularisierung der Ultraviolett-Divergenzen erreicht. Wir stellen dazu die hydrodynamischen Variablen durch ein Fourier Integral dar gemäß

xi(𝐫,t)=ddk(2π)dθ(kmax|𝐤|)ei𝐤𝐫xi(𝐤,t),subscript𝑥𝑖𝐫𝑡superscript𝑑𝑑𝑘superscript2𝜋𝑑𝜃subscript𝑘max𝐤superscript𝑒𝑖𝐤𝐫subscript𝑥𝑖𝐤𝑡x_{i}(\mathbf{r},t)=\int\frac{d^{d}k}{(2\pi)^{d}}\ \theta(k_{\mathrm{max}}-|\mathbf{k}|)\,e^{i\mathbf{k}\cdot\mathbf{r}}\,x_{i}(\mathbf{k},t)\ , (350)

wobei die Theta-Funktion die Wellenvektoren 𝐤𝐤\mathbf{k} auf eine Kugel mit Radius kmax=2π/subscript𝑘max2𝜋k_{\mathrm{max}}=2\pi/\ell einschränkt. Die Nebenbedingungen im Ortsraum (22) lassen sich nun durch entsprechende Nebenbedingungen im Fourier-Raum

Sp{ϱ~(t)ai(𝐤)}=xi(𝐤,t)Sp~italic-ϱ𝑡subscript𝑎𝑖𝐤subscript𝑥𝑖𝐤𝑡\mathrm{Sp}\{\tilde{\varrho}(t)\,a_{i}(\mathbf{k})\}=x_{i}(\mathbf{k},t) (351)

ersetzen. Die Anzahl dieser Nebenbedingen wird durch die Anzahl der 𝐤𝐤\mathbf{k}-Vektoren bestimmt, also durch das Volumen der Kugel mit Radius kmax=2π/subscript𝑘max2𝜋k_{\mathrm{max}}=2\pi/\ell im Fourier-Raum. Für einen d𝑑d-dimensionalen Raum mit Volumen V𝑉V finden wir die Anzahl der physikalischen Freiheitsgrade

NFsubscript𝑁𝐹\displaystyle N_{F} =\displaystyle= Vddk(2π)dθ(kmax|𝐤|)𝑉superscript𝑑𝑑𝑘superscript2𝜋𝑑𝜃subscript𝑘max𝐤\displaystyle V\int\frac{d^{d}k}{(2\pi)^{d}}\ \theta(k_{\mathrm{max}}-|\mathbf{k}|) (352)
=\displaystyle= V(2π)dΩdd(kmax)d=ΩddVd,𝑉superscript2𝜋𝑑subscriptΩ𝑑𝑑superscriptsubscript𝑘max𝑑subscriptΩ𝑑𝑑𝑉superscript𝑑\displaystyle\frac{V}{(2\pi)^{d}}\frac{\Omega_{d}}{d}\,(k_{\mathrm{max}})^{d}=\frac{\Omega_{d}}{d}\frac{V}{\ell^{d}}\ ,

wobei Ωd=2πd/2/Γ(d/2)subscriptΩ𝑑2superscript𝜋𝑑2Γ𝑑2\Omega_{d}=2\,\pi^{d/2}/\Gamma(d/2) die Oberfläche der d𝑑d-dimensionalen Einheitskugel definiert.

Ist die minimale Länge \ell klein, so wird die Anzahl der relevanten physikalischen Freiheitsgrade und folglich die Anzahl der Nebenbedingen NFsubscript𝑁𝐹N_{F} groß. Man kann in diesem Fall erwarten, dass die Fluktuationen der Entropie S(t)𝑆𝑡S(t) auch entsprechend groß werden. Dies sieht man explizit an dem fluktuierenden Anteil des ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten (347), welcher in diesem Fall sehr groß wird. Ist umgekehrt die minimale Länge \ell groß, so wird die Anzahl der Nebenbedingen NFsubscript𝑁𝐹N_{F} klein, und die Fluktuationen der Entropie S(t)𝑆𝑡S(t) werden klein. Entsprechend wird der fluktuierenden Anteil des ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten (347) sehr klein.

Die minimale Länge \ell kann man als Flußparameter einer Renormierungsgruppe interpretieren. Vergrößert man \ell so wird die Längenskala für die minimale Auflösung des Modells, also der hydrodynamischen Gleichungen, vergröbert. Es ändern sich die Parameter des Modells wie z.B. die Kramers-Moyal-Koeffizienten. Die Eigenschaften des physikalischen Systems, also der normalen Flüssigkeit, bleiben jedoch unverändert. Im Limes \ell\to\infty kann man einen Fixpunkt im Raum der Parameter erwarten. Für den fluktuierenden Anteil des ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten finden wir

KS,fluc(1)[x]0für.formulae-sequencesubscriptsuperscript𝐾1𝑆flucdelimited-[]𝑥0fürK^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}[x]\to 0\quad\mbox{f\"{u}r}\quad\ell\to\infty\ . (353)

Das bedeutet, im Infrarot-Limes \ell\to\infty wird der fluktuierenden Anteil des ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten, welcher den Korrekturterm zum Fluktuations-Theorem darstellt, irrelevant. Wir kommen somit zu dem Ergebnis: Auf großen Längenskalen \ell wird das Fluktuations-Theorem in seiner ursprünglichen Form gültig bleiben. Für kleine Längenskalen \ell wird der Korrekturterm (347) wichtig werden.

Es findet also ein kontinuierlicher Übergang statt von kleinen Längenskalen \ell, für welche der Korrekturterm dominiert, zu großen Längenskalen, für welche der Korrekturterm irrelevant ist. Wir wollen nun herausfinden, bei welcher kritischen Längenskala csubscript𝑐\ell_{c} dieser Übergang stattfindet. Betrachten wir den dimensionslosen Faktor (336) im modifizierten Fluktuations-Theorem (328), welcher die Abweichungen vom ursprünglichen Fluktuations-Theorem (311) beschreibt, so finden wir eine sinnvolle Definition für die kritische minimale Länge csubscript𝑐\ell_{c} mit der Bedingung

|KS,fluc(1)[x]|=|KS(1)[x]|=c.formulae-sequencesubscriptsuperscript𝐾1𝑆flucdelimited-[]𝑥subscriptsuperscript𝐾1𝑆delimited-[]𝑥subscript𝑐\left|K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}[x]\right|=\left|K^{(1)}_{S}[x]\right|\quad\Longleftrightarrow\quad\ell=\ell_{c}\ . (354)

Die beiden erforderlichen Kramers-Moyal-Koeffizienten werden in den Formeln (347) und (349) zusammen mit (348) definiert. Für KS,fluc(1)[x]subscriptsuperscript𝐾1𝑆flucdelimited-[]𝑥K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}[x] haben wir eine einfache explizite Formel. Für die Berechnung von KS(1)[x]subscriptsuperscript𝐾1𝑆delimited-[]𝑥K^{(1)}_{S}[x] muss man eine konkrete physikalische Situation betrachten, wie z.B. eine Scherströmung mit einem Geschwindigkeits-Gradienten oder einen Wärmetransport mit einem Temperaturgradienten. Als Ergebnis erhält man dann einen eindeutigen konkreten Wert für die kritische minimale Länge csubscript𝑐\ell_{c}.

Eine grobe und universelle Abschätzung der kritischen minimalen Länge csubscript𝑐\ell_{c} ist jedoch einfacher möglich. In der Experimentalphysik werden üblicherweise die SI-Einheiten als Einheiten für Messgrößen und Parameter verwendet. Diese Einheiten haben die Eigenschaft, dass die Zahlenwerte der Größen in der Nähe der Eins liegen mit einer Toleranz von einigen wenigen Größenordnungen. Wir wollen hier mal 2.5252.5 Größenordnungen nach oben und nach unten annehmen. Das entspricht Zahlenwerten zwischen 0.00300030.003 und 300300300. In den obigen Formeln (347) und (349) zusammen mit (348) weichen nur zwei Größen deutlich davon ab, und zwar die Boltzmann-Konstante kB=1.38×1023J/Ksubscript𝑘𝐵138superscript1023JKk_{B}=1.38\times 10^{-23}\,\mathrm{J/K} und die minimale Länge 1mmuch-less-than1m\ell\ll 1\,\mathrm{m}, welche beide sehr kleine Zahlenwerte haben. Diese kommen nur in dem Verhältnis kB/d+2subscript𝑘𝐵superscript𝑑2k_{B}/\ell^{d+2} vor. Die kritische minimale Länge csubscript𝑐\ell_{c} bekommen wir daher aus der Bedingung, dass der Zahlenwert dieses Verhältnisses in SI-Einheiten bei Eins liegt, also

kB/d+2=1J/Kmd+2.subscript𝑘𝐵superscript𝑑21JKsuperscriptmd2k_{B}/\ell^{d+2}=1\,\mathrm{J/K\,m^{d+2}}\ . (355)

Nehmen wir an, die Dimension des Raumes sei d=3𝑑3d=3, so finden wir die kritische minimale Länge

c=2.7×105m=27μm.subscript𝑐27superscript105m27𝜇m\ell_{c}=2.7\times 10^{-5}\,\mathrm{m}=27\,\mathrm{\mu m}\ . (356)

Wegen dem Exponenten d+2=5𝑑25d+2=5 in (355) reduziert sich die Toleranz auf eine halbe Größenordnung nach oben und nach unten. Somit liegt also die kritische minimale Länge im Intervall 105mc104mless-than-or-similar-tosuperscript105msubscript𝑐less-than-or-similar-tosuperscript104m10^{-5}\,\mathrm{m}\lesssim\ell_{c}\lesssim 10^{-4}\,\mathrm{m}. Den kleineren Wert erwarten wir für Flüssigkeiten mit größeren Dichten wie Wasser, und den größeren Wert erwarten wir für Gase mit kleineren Dichten wie Luft.

VII.6 Erwartungswert und Varianz der Entropie-Änderung

Mit der Verteilungsfunktion (325) lassen sich der Erwartungswert und die Varianz der Entropie-Änderung ΔSΔ𝑆\Delta S berechnen und durch die zwei Kramers-Moyal-Koeffizienten darstellen. Wir finden für den Erwartungswert

ΔS=KS(1)(x)Δtdelimited-⟨⟩Δ𝑆subscriptsuperscript𝐾1𝑆𝑥Δ𝑡\langle\Delta S\rangle=K^{(1)}_{S}(x)\,\Delta t (357)

und für die Varianz

[ΔSΔS]2=2KS(2)(x)Δt.delimited-⟨⟩superscriptdelimited-[]Δ𝑆delimited-⟨⟩Δ𝑆22subscriptsuperscript𝐾2𝑆𝑥Δ𝑡\langle[\Delta S-\langle\Delta S\rangle]^{2}\rangle=2\,K^{(2)}_{S}(x)\,\Delta t\ . (358)

Den zweiten Kramers-Moyal-Koeffizienten können wir über (334) durch den dissipativen Anteil des ersten Koeffizienten ausdrücken. Verwenden wir weiterhin (333) und (357), so erhalten wir

[ΔSΔS]2/(kB)2=2[ΔSKS,fluc(1)(x)Δt]/kB.delimited-⟨⟩superscriptdelimited-[]Δ𝑆delimited-⟨⟩Δ𝑆2superscriptsubscript𝑘𝐵22delimited-[]delimited-⟨⟩Δ𝑆subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥Δ𝑡subscript𝑘𝐵\langle[\Delta S-\langle\Delta S\rangle]^{2}\rangle/(k_{B})^{2}=2\,\Bigl{[}\langle\Delta S\rangle-K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x)\,\Delta t\Bigr{]}\Big{/}k_{B}\ . (359)

Setzen wir hier den fluktuierenden Anteil des ersten Koeffizienten (347) ein, so erhalten wir für die Hydrodynamik einer normalen Flüssigkeit das explizite Ergebnis

[ΔSΔS]2/(kB)2= 2ΔS/kB+ 2ddr[(d+2)(d1)ηρ+dζρ+dϰρcV]Δt(2π)d/2d+2.delimited-⟨⟩superscriptdelimited-[]Δ𝑆delimited-⟨⟩Δ𝑆2superscriptsubscript𝑘𝐵22delimited-⟨⟩Δ𝑆subscript𝑘𝐵2superscript𝑑𝑑𝑟delimited-[]𝑑2𝑑1𝜂𝜌𝑑𝜁𝜌𝑑italic-ϰ𝜌subscript𝑐𝑉Δ𝑡superscript2𝜋𝑑2superscript𝑑2\langle[\Delta S-\langle\Delta S\rangle]^{2}\rangle/(k_{B})^{2}\ =\ 2\,\langle\Delta S\rangle/k_{B}\ +\ 2\int d^{d}r\ \left[(d+2)(d-1)\,\frac{\eta}{\rho}+d\,\frac{\zeta}{\rho}+d\,\frac{\varkappa}{\rho\,c_{V}}\right]\,\frac{\Delta t}{(2\pi)^{d/2}\,\ell^{d+2}}\ . (360)

Die Entropie-Änderung ΔSΔ𝑆\Delta S ist eine extensive Größe. Daher ist sie proportional zum Volumen V𝑉V des Systems. Ebenso ist sie proportional zum Zeitintervall ΔtΔ𝑡\Delta t. Daher enthalten in den Formeln (359) und (360) beide Terme auf den rechten Seiten jeweils einen Faktor VΔt𝑉Δ𝑡V\Delta t, der ausgeklammert werden kann. Folglich wird die relative Größe der beiden Terme zueinander nicht durch das Volumen des Systems V𝑉V und nicht durch das betrachtete Zeitintervall ΔtΔ𝑡\Delta t beeinflusst.

Wir interpretieren die zwei Terme in der folgenden Weise. Der erste Term in (360) is proportional zu dem Mittelwert der Entropie-Änderung. Er ist null im thermischen Gleichgewicht und positiv in einem Nichtgleichgewichts-Zustand. Folglich ist der erste Term der Nichtgleichgewichts-Beitrag zu der Varianz der Entropie-Änderung. Andererseits ist der zweite Term in (360) ein Integral über lokale Größen, die in lokalen thermischen Gleichgewichten berechnet werden. Aus diesem Grunde interpretieren wir den zweiten Term als den Beitrag der Gleichgewichts-Fluktuationen zu der Varianz der Entropie-Änderung.

Das Fluktuations-Theorem in seiner ursprünglichen Form erlaubt nur den ersten Term in den Formeln (359) und (360). Das bedeutet, in der Varianz der Entropie-Änderung wird nur der Nichtgleichgewichts-Beitrag berücksichtigt. Daher interpretieren wir den Korrekturterm in der Modifizierung des Fluktuations-Theorems als Beitrag der Gleichgewichts-Fluktuationen. In den letzten zwei Abschnitten haben wir herausgefunden, dass der Korrekturterm stark von der minimalen Länge \ell abhängt, welche eine Regularisierung der Effekte auf kurzen Längenskalen bewirkt. Ob in den Formeln (359) und (360) nun der erste oder der zweite Term dominiert, hängt davon ab, ob die minimale Länge \ell größer oder kleiner als die kritische minimale Länge csubscript𝑐\ell_{c} ist, welche in den Gleichungen (354)-(356) bestimmt wurde.

Zusammenfassend stellen wir also fest. Wir finden eine Erweiterung und Modifizierung des Fluktuations-Theorems und berechnen einen Korrekturterm. Ob dieser Korrekturterm nun dominiert oder irrelevant ist, hängt von der minimalen Längenskala \ell ab, auf der die relevanten hydrodynamischen Variablen xi(𝐫,t)subscript𝑥𝑖𝐫𝑡x_{i}(\mathbf{r},t) variieren dürfen. Für <csubscript𝑐\ell<\ell_{c} dominiert der Korrekturterm. Für >csubscript𝑐\ell>\ell_{c} wird er klein und irrelevant.

VII.7 Modifizierte Jarzynski-Gleichung für die Entropie

Zum Schluss leiten wir eine modifizierte Version der Jarzynski-Gleichung (312) her, in welcher die Entropie-Änderung ΔS=S(x)S(x)Δ𝑆𝑆superscript𝑥𝑆𝑥\Delta S=S(x^{\prime})-S(x) die Variable ist. Wir berechnen zunächst die linke Seite des Fluktuations-Theorems (311) und setzen hier die bedingten Wahrscheinlichkeiten (325) ein. Verschieben wir die Argumente der bedingten Wahrscheinlichkeiten noch mit einem Zusatzterm KS,fluc(1)(x)Δtsubscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥Δ𝑡K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x)\Delta t, so erhalten wir

P(+ΔS+KS,fluc(1)(x)Δt|x)P(ΔS+KS,fluc(1)(x)Δt|x)=exp(ΔS/kB).𝑃Δ𝑆conditionalsubscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥Δ𝑡𝑥𝑃Δ𝑆conditionalsubscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥Δ𝑡𝑥Δ𝑆subscript𝑘𝐵\frac{P(+\Delta S+K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x)\Delta t|x)}{P(-\Delta S+K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x)\Delta t|x)}\ =\ \exp(\Delta S/k_{B})\ . (361)

Die rechte Seite stimmt dann offensichtlich mit dem Fluktuations-Theorem in der ursprünglichen Form überein. Wir multiplizieren die Faktoren etwas um und verschieben die Entropie-Änderung nochmals gemäß ΔSΔSKS,fluc(1)(x)ΔtΔ𝑆Δ𝑆subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥Δ𝑡\Delta S\to\Delta S-K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x)\Delta t. Dann finden wir die äquivalente Gleichung

exp([ΔSKS,fluc(1)(x)Δt]/kB)P(ΔS|x)=delimited-[]Δ𝑆subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥Δ𝑡subscript𝑘𝐵𝑃conditionalΔ𝑆𝑥absent\displaystyle\exp(-[\Delta S-K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x)\Delta t]/k_{B})\ P(\Delta S|x)\ =
=P(ΔS+2KS,fluc(1)(x)Δt|x).absent𝑃Δ𝑆conditional2subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥Δ𝑡𝑥\displaystyle=\ P(-\Delta S+2\,K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x)\Delta t|x)\ . (362)

Diese Gleichung integrieren wir nun über ΔSΔ𝑆\Delta S. Wegen der Normierung der bedingten Wahrscheinlichkeitsverteilung ergibt die rechte Seite eins, und wir finden die modifizierte Jarzynski-Gleichung

exp([ΔSKS,fluc(1)(x)Δt]/kB)= 1.delimited-⟨⟩delimited-[]Δ𝑆subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥Δ𝑡subscript𝑘𝐵1\bigl{\langle}\exp\bigl{(}-\bigl{[}\Delta S-K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x)\Delta t\bigr{]}\big{/}k_{B}\bigr{)}\bigr{\rangle}\ =\ 1\ . (363)

Setzen wir hier die Entropie-Änderung ΔS=S(x)S(x)Δ𝑆𝑆superscript𝑥𝑆𝑥\Delta S=S(x^{\prime})-S(x) ein, so können wir den Erwartungswert alternativ mit der allgemeineren bedingten Wahrscheinlichkeit P(x|x)𝑃conditionalsuperscript𝑥𝑥P(x^{\prime}|x) berechnen, wobei über die hydrodynamischen Variablen des Endzustandes xisubscriptsuperscript𝑥𝑖x^{\prime}_{i} integriert wird.

Die Gleichungen (361)-(363) gelten zunächst nur für infinitesimale Zeitintervalle ΔtΔ𝑡\Delta t. Die modifizierte Jarzynski-Gleichung (363) kann jedoch exakt und ohne Näherungen auf ein beliebig großes endliches Zeitintervall ΔtΔ𝑡\Delta t erweitert werden. Der Grund dafür ist, dass die rechte Seite von (363) eins ist und nicht von den hydrodynamischen Variablen des Anfangszustandes xisubscript𝑥𝑖x_{i} abhängt. Wir zerlegen nun das endliche Zeitintervall ΔtΔ𝑡\Delta t in eine unendliche Anzahl infinitesimaler Zeitintervalle. Für jedes dieser infinitesimalen Zeitintervalle gibt es eine modifizierte Jarzynski-Gleichung. Wir multiplizieren alle diese modifizierten Jarzynski-Gleichungen zusammen, klammern die Integrationen über die hydrodynamischen Variablen alle aus, und erhalten somit das Ergebnis

exp([ΔSKS,fluc(1)(x(t))𝑑t]/kB)= 1.delimited-⟨⟩delimited-[]Δ𝑆subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥𝑡differential-d𝑡subscript𝑘𝐵1\Bigl{\langle}\exp\Bigl{(}-\Bigl{[}\Delta S-\int K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x(t))\,dt\Bigr{]}\Big{/}k_{B}\Bigr{)}\Bigr{\rangle}\ =\ 1\ . (364)

Das Produkt der unendlich vielen bedingten Wahrscheinlichkeiten P(x|x)𝑃conditionalsuperscript𝑥𝑥P(x^{\prime}|x) für jedes infinitesimale Zeitintervall ergibt eine Verbundwahrscheinlichkeit für einen Pfad von den hydrodynamischen Variablen xi(t)subscript𝑥𝑖𝑡x_{i}(t). Somit wird der Erwartungswert in (364) zu einem Pfadintegral. Lediglich die hydrodynamischen Variablen des Anfangszustandes xisubscript𝑥𝑖x_{i} sind noch unbestimmte Variablen, weil wir von bedingten Wahrscheinlichkeiten ausgegangen sind. Wenn wir zusätzlich noch mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung für den Anfangszustand P0(x)subscript𝑃0𝑥P_{0}(x) multiplizieren und über xisubscript𝑥𝑖x_{i} integrieren, gibt es keine freien Variablen mehr. Das Pfadintegral integriert dann wie üblich über alle Variablen xi(t)subscript𝑥𝑖𝑡x_{i}(t) des gesamten endlichen Zeitintervalls ΔtΔ𝑡\Delta t.

Die Gl. (364) ist die modifizierte Jarzynski-Gleichung für beliebig große endliche Zeitintervalle ΔtΔ𝑡\Delta t. Sie ist exakt gültig und unterscheidet sich von der ursprünglichen Jarzynski-Gleichung (312) Ja97A ; Ja97B durch den Zusatzterm mit dem fluktuierenden Anteil des ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten KS,fluc(1)(x(t))subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥𝑡K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x(t)). Die ursprüngliche Jarzynski-Gleichung (312) erhalten wir im Spezialfall KS,fluc(1)(x(t))=0subscriptsuperscript𝐾1𝑆fluc𝑥𝑡0K^{(1)}_{S,\mathrm{fluc}}(x(t))=0 zurück. Wir haben den fluktuierenden Anteil des ersten Koeffizienten für eine normale Flüssigkeit explizit berechnet. Das Ergebnis (347) hängt stark von der minimalen Länge \ell ab, mit der eine Regularisierung durchgeführt wurde so dass nur Variationen der hydrodynamischen Variablen auf Längenskalen oberhalb dieser minimalen Länge berücksichtigt werden. Ob der Zusatzterm nun klein und irrelevant oder groß und dominierend ist hängt davon ab, ob die minimale Länge \ell größer oder kleiner als die kritische minimale Länge csubscript𝑐\ell_{c} ist, welche in (354)-(356) definiert wurde. Folglich darf der Zusatzterm in der modifizierten Jarzynski-Gleichung (364) für eine normale Flüssigkeit im allgemeinen nicht vernachlässigt werden.

Zum Schluss haben wir noch eine Bemerkung für das thermische Gleichgewicht, in dem ΔSeq=0subscriptdelimited-⟨⟩Δ𝑆eq0\langle\Delta S\rangle_{\mathrm{eq}}=0 gilt. Während in diesem Fall die ursprüngliche Jarzynski-Gleichung eine scharfe bedingte Wahrscheinlichkeit P(ΔS|x)=δ(ΔS)𝑃conditionalΔ𝑆𝑥𝛿Δ𝑆P(\Delta S|x)=\delta(\Delta S) mit Breite null erzwingt, bewirkt der Zusatzterm, dass die modifizierte Jarzynski-Gleichung weniger einschränkend ist und erlaubt, dass auch im thermischen Gleichgewicht die bedingte Wahrscheinlichkeit P(ΔS|x)𝑃conditionalΔ𝑆𝑥P(\Delta S|x) eine endliche Breite haben darf.

VII.8 Vergleich der Fluktuations-Theoreme

Wir haben das Fluktuations-Theorem im Rahmen des GENERIC-Formalismus in zwei verschiedenen Varianten hergeleitet und untersucht, zum einen in der ursprünglichen Form (Abschnitte VII.1 und VII.2) für eine entropieartige Variable ΔΣΔΣ\Delta\Sigma und zum anderen in einer modifizierten Form (Abschnitte VII.3 bis VII.7) für die Entropie-Änderung ΔSΔ𝑆\Delta S.

Im modifizierten Fluktuations-Theorem haben wir einen Zusatz-Term gefunden, welcher mit den Fluktuationen der Entropie im thermischen Gleichgewicht zusammenhängt. Dieser Zusatzterm ist wichtig für die Konsistenz der Theorie. In dem ursprünglichen Fluktuations-Theorem gibt es diesen Zusatz-Term nicht. Dafür hat die Variable ΔΣΔΣ\Delta\Sigma neben der Entropie-Änderung ΔSΔ𝑆\Delta S einen zweiten Term. Es gibt also entweder explizit im Fluktuations-Theorem oder implizit in der Variablen einen Zusatz-Term.

Das ursprüngliche Fluktuations-Theorem ist eine Folge der Mikroreversibilität und der Existenz eines detaillierten Gleichgewichts. Andererseits wurde das modifizierte Fluktuations-Theorem mit einer expliziten Verteilungsfunktion für die bedingte Wahrscheinlichkeit hergeleitet und so auf die Kramers-Moyal-Koeffizienten der Entropie zurückgeführt. Die explizite Struktur dieser Kramers-Moyal-Koeffizienten liefert dann das Fluktuations-Theorem und den Zusatz-Term. Diese Struktur wird durch den GENERIC-Formalismus bestimmt und hängt wiederum mit der Mikroreversibilität und dem detaillierten Gleichgewicht zusammen. In sofern ist auch das modifizierte Fluktuations-Theorem letztendlich eine Folge der Zeitumkehrinvarianz des zugrunde mikroskopischen physikalischen Systems und der daraus folgenden Existenz eines detaillierten Gleichgewichts.

VIII Abschließende Bemerkungen

Aus der mikroskopischen Theorie für Quantenvielteilchensysteme wurden mit Methoden der Quantenstatistik und Projektionsoperatoren die verallgemeinerten hydrodynamischen Gleichungen hergeleitet. Zunächst sind die Gleichungen exakt. Sie sind räumlich und zeitlich nicht lokal und enthalten Gedächtniseffekte und Fluktuationen. Die Gleichungen haben eine besondere grundlegende Struktur. Auf der rechten Seite stehen drei Arten von Termen: reversible, dissipative und fluktuierende. Bereits die exakten Gleichungen lassen sich auf eine verallgemeinerte Form des GENERIC-Formalismus von Grmela und Öttinger GO97A ; GO97B ; Ot05 bringen.

Die Näherungen ändern an dieser grundlegenden Struktur nichts. Vernachlässigt man im ersten Schritt die Gedächtniseffekte (Markov-Näherung), so bekommen die hydrodynamischen Gleichung eine Form, welche der ursprünglichen Version des GENERIC-Formalismus entspricht. Betrachtet man eine normale Flüssigkeit und vernachlässigt nicht lokale Effekte, so folgen die hydrodynamischen Gleichungen mit Fluktuationen, wie sie aus den Lehrbüchern LL06 ; LL09 bekannt sind. Durch Symmetrieargumente findet man, dass die Effekte von Dissipation und Fluktuation in einer normalen Flüssigkeit durch drei Parameter beschrieben werden, die Scherviskosität η𝜂\eta, die Volumenviskosität ζ𝜁\zeta und die Wärmeleitfähigkeit ϰitalic-ϰ\varkappa.

Die exakten verallgemeinerten hydrodynamischen Gleichungen sind invariant unter der Zeitumkehr, weil wir annehmen, dass die zugrunde liegende mikroskopische Theorie diese Eigenschaft hat. Wir untersuchen, wie sich die Zeitumkehrinvarianz auf die drei Terme der rechten Seite verteilt. Die reversiblen Terme sind natürlich invariant. In Folge ist auch die Summe der dissipativen und der fluktuierenden Terme invariant in unter der Zeitumkehr. Die dissipativen und fluktuierenden Terme im einzelnen brechen jedoch die Zeitumkehrinvarianz. Man sieht dies insbesondere an der Bewegungsgleichung für die Entropie. Der dissipative Term ist hier quadratisch und positiv definit. Er führt zu einem Anwachsen der Entropie mit der Zeit und bildet die Grundlage für den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Dem kann nur der fluktuierende Term entgegenwirken. Nur dieser kann die Entropie wieder absenken. Solange man also die fluktuierenden Terme berücksichtigt, bleibt die Zeitumkehrinvarianz bestehen. Daran ändern auch die Näherungen nichts, welche zu den hydrodynamischen Gleichungen der normalen Flüssigkeit führen.

Werden die Gedächtniseffekte vernachlässigt, so bekommen die hydrodynamischen Gleichungen die Form von Langevin-Gleichungen, wobei die fluktuierenden Terme durch gaußische stochastische Kräfte modelliert werden. Wir vergleichen mit der allgemeinen Theorie für stochastischer Prozesse und stellen fest, dass die Hydrodynamik mit Fluktuationen zu einer stochastischen Theorie mit gaußischen Fluktuationen äquivalent ist. Eine zugehörige Fokker-Planck-Gleichung lässt sich finden, deren Lösung im thermischen Gleichgewicht eine großkanonische Boltzmann-Verteilung ist. Weiterhin zeigen wir, dass im thermischen Gleichgewicht die Entropie im Mittel konstant bleibt, wie es erwartet wird. Zwar bewirkt der positiv definite dissipative Term durch Fluktuationen auch im thermischen Gleichgewicht ein stetiges Anwachsen der Entropie. Dieser Effekt wird jedoch im Mittel exakt kompensiert durch den fluktuierenden Term.

Es lässt sich also eine stochastische Theorie mit gaußischen stochastischen Kräften formulieren, die in sich konsistent und frei von Widersprüchen ist. Wir führen diese Überlegungen für die allgemeinen nichtlokalen hydrodynamischen Gleichungen in der GENERIC-Form durch. Sie sind jedoch nicht darauf beschränkt, sondern gelten auch für die speziellen lokalen hydrodynamischen Gleichungen einer normalen Flüssigkeit. Als konkretes Beispiel haben wir immer eine normale Flüssigkeit betrachtet. Unsere Überlegungen zusammen mit dem GENERIC-Formalismus gelten jedoch allgemeiner und sind auch auf komplexere Flüssigkeiten anwendbar. Solche wären z.B. Mischungen aus unterschiedlichen Komponenten ohne und mit chemischen Reaktionen Ot09 ; Ba14 ; Ba15 .

Zum Schluss haben wir gezeigt, wie man die Herleitung des Fluktuations-Theorems nach Crooks Cr98 ; Cr99 ; Cr00 auf den GENERIC-Formalismus und die Hydrodynamik einer normalen Flüssigkeit übertragen kann. Es stellt sich jedoch heraus, dass die Variable des Fluktuations-Theorems nicht die Entropie-Änderung ist, sondern einen Zusatzterm enthält. Aus diesem Grunde haben wir alternativ für die Entropie-Änderung als Variable eine modifizierte Version des Fluktuations-Theorems und der Jarzynski-Gleichung hergeleitet. Wir finden hier im Fluktuations-Theorem selbst einen Zusatzterm, der von dem fluktuierenden Anteil des ersten Kramers-Moyal-Koeffizienten für die Entropie erzeugt wird.

Wir berechnen diesen Zusatzterm explizit für eine normale Flüssigkeit und finden zunächst eine Ultraviolett-Divergenz. Um ein endliches und physikalisch sinnvolles Ergebnis zu erhalten, müssen wir eine Regularisierung durchführen mit einer minimalen Längenskala, bis zu welcher die räumlichen Variationen und Fluktuationen der hydrodynamischen Variablen berücksichtigt werden. Der Zusatzterm hängt stark von dieser minimalen Länge ab. Je nachdem ob die minimale Länge größer oder kleiner als eine bestimmte kritische Länge ist, wird der Zusatzterm klein und irrelevant oder groß und dominierend sein. Wir schließen daraus, dass für eine normale Flüssigkeit das Fluktuations-Theorem und die Jarzynski-Gleichung im allgemeinen durch einen Zusatzterm modifiziert werden müssen, wenn die Variable die Entropie-Änderung in der Flüssigkeit sein soll.

Danksagungen.
Der Autor dankt Prof. Dr. M. Fuchs für inspirierende Diskussionen und Prof. Dr. H. C. Öttinger und Prof. Dr. U. Seifert für hilfreiche Kommentare zum Manuskript.

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